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Flexity als BVG-Sparversion? Fotomontage: Holger Mertens |
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Endlich wurden die Weichen gestellt. Der
Prozess zur Ablösung der alten Tatra-Fahrzeuge
ist eingeleitet. Das ist gut für alle Berliner
Fahrgäste, vor allem aber für diejenigen,
die durch Kinderwagen, Rollstuhl, Rollator
oder schweres Gepäck in ihrer Mobilität erheblich
eingeschränkt sind und die deshalb
die hohen Tatra-Fahrzeuge gar nicht oder
nur mit fremder Hilfe besteigen können.
Gut ist auch, dass die ersten 13 Fahrzeuge
in der 40 m langen Version ausgeliefert werden.
Das lässt Spielraum, bei den weiteren
der 99 bestellten Fahrzeuge den Anteil 40 m
langer Fahrzeuge von derzeit geplanten 40
zu gegebener Zeit noch deutlich zu erhöhen.
Aus der S-Bahn-Krise lernen
Die S-Bahn-Krise hat gezeigt, dass das Vorhalten
einer angemessenen Transportreserve
in einer Stadt wie Berlin zwingend
erforderlich ist. Auch die wiederholten Bekenntnisse
der Lokalpolitiker zur Förderung
des ÖPNV sollten seitens der BVG genutzt
werden, vom Senat eine ausreichende
Fahrzeugkapazität zur Bewältigung von
Fahrgastzuwachs einzufordern und nicht
den Berliner Fahrgastverband IGEB für die
Forderung nach langen Zügen zu kritisieren.
BVG-Kapazitätsberechnungen nicht
mehr zeitgemäß
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Überfüllte Straßenbahn auf der Linie M4, an einem ganz normalen Werktag um 19 Uhr. Die Fahrgastzahlen der BVG, insbesondere bei der Straßenbahn, entwickeln sich besser als vorhergesagt. Deshalb müssen die neuen Straßenbahnzüge vom Typ Flexity unbedingt in der langen Version bestellt werden. Foto: Holger Mertens |
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Insbesondere die Berechnungsgrundlagen
der BVG für die Stehplatzkapazitäten der
Straßenbahn gehören auf den Prüfstand.
Selbstverständlich muss ein Straßenbahnfahrzeug
technisch gerüstet sein, den Ansturm
nach einer Großveranstaltung zu
überstehen. Für diese Fälle sind die vom
Hersteller angegebenen 4 Personen je m²
sinnvoll. Für den Regelbetrieb darf das aber
nicht die Bemessungsgrundlage sein!
Für den Senat als Besteller der Verkehrsleistungen
sollten folgende Grundsätze
gelten:
- Außerhalb der Hauptverkehrszeiten müssen
alle Fahrgäste einen Sitzplatz finden
können.
- Innerhalb der Hauptverkehrszeit soll auf
den am stärksten belasteten Abschnitten
mit maximal 2 Personen je m² auf den
Stehplatzflächen gerechnet werden.
- Stellflächen für Kinderwagen, Rollstühle
usw. sind KEINE Stehplatzflächen und dürfen
darum nicht in die Fahrzeugkapazität
mit eingerechnet werden.
Die Anwendung dieser Grundsätze bietet
vielfältige Vorteile:
- Verkehrszuwächse können durch die
Reserven in einer Übergangszeit bis zur
fälligen Fahrplanverdichtung ohne Mehrkosten
oder allzu starken Komfortverlust
bewältigt werden.
- Technische Störungen an einem einzelnen
Kurs können von den nachfolgenden
Fahrten aufgefangen werden. Auch plötzliche
Fahrgastnachfragen etwa durch
Gruppen sind dann kein Problem mehr.
- Durch die vorausschauende Berücksichtigung
der verschiedenen Stellflächennutzer
werden Konflikte zwischen den Kundengruppen
vermieden.
- Das Fahren im Berufs- und Schülerverkehr,
der mit den Überfüllungen oft wesentlich
zum schlechten Ruf des ÖPNV
gerade bei Autofahrern beiträgt, wird
erträglicher.
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Vom Flexity sollen ca. 100 Stück angeschafft werden. Wie lang die Fahrzeuge sein werden, wird noch diskutiert. Foto: Holger Mertens |
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Auch die Prognosen
über die Berliner Bevölkerungsentwicklung
der nächsten
Jahre mit den stärksten
Zuwächsen entlang
der Tramstrecken
sowie die schon
eingetretenen Fahrgastverlagerungen
auf die Straßenbahn
im Rahmen der
S-Bahn-Krise bestätigen
die IGEB-Forderungen.
Der Berliner Fahrgastverband
IGEB ist überzeugt, dass
die Zahl der Straßenbahnfahrgäste
in den nächsten Jahren weiter zunehmen
wird. Zugleich wird die Zahl der Fahrgäste
mit Rollstuhl, Rollator oder Fahrrad
zunehmen. Wer die Kapazität der Straßenbahnfahrzeuge
nicht durch den Kauf langer
Züge entsprechend erhöht, schließt künftig
viele Fahrgäste aus.
Investieren, um zu sparen
Deshalb darf die BVG bei einer so langlebigen
Investition, wie es Straßenbahnfahrzeuge
sind, nicht durch kleine Einsparungen in
der Gegenwart große Mehraufwendungen
in der Zukunft erzeugen. Denn reichen die
zu kurzen Flexity-Züge nicht aus, müssen
sie nachträglich verlängert werden oder in
dichterem Takt verkehren. Und beides wird
viel teurer. Darum muss die BVG jetzt mehr
lange Straßenbahnzüge beschaffen, insbesondere
in der Zweirichtungsausführung –
das Geld dafür steht dem Senat gerade jetzt
durch die einbehaltenen S-Bahn-Gelder zur
Verfügung!
IGEB Stadtverkehr
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