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Ein SWT der ersten Generation von 1995, gültig am Sonnabend und Sonntag. Archiv Florian Müller |
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Positiv: Diese Verkehrsverbünde, erkennen ohne Einschränkungen das SWT an |
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Fernreisen mit Nahverkehrszügen sind für nicht wenige
Reisende eine interessante und preiswerte Alternative
zu ICE und IC. Daher stellt der Bahnhofsvorsteher
einige Angebote des Regionalverkehrs vor, in diesem
Heft das Schönes-Wochenende-Ticket.
Das Urgestein unter den Regio-Angeboten
ist das „Schönes-Wochenende-Ticket“
(SWT). Es revolutionierte ab 1995 den Ausflugsverkehr
nachhaltig. Eine Tageskarte für
ganz Deutschland! Grund genug, den Tausendsassa
unter die Lupe zu nehmen.
Das SWT – ein Lebenslauf
Anfang der 1990er Jahre ließen die ersten
Veränderungen durch die Bahnreform die
Fahrgastzahlen im Regionalverkehr werktags
kontinuierlich steigen. In zahlreichen
Zügen mussten die Kapazitäten
erheblich ausgeweitet werden.
Vielerorts wurden ganze
Linien auf Doppelstockwagen
umgestellt, um die Fahrgäste
fassen zu können. An den Wochenenden,
insbesondere am Sonnabend, herrschte
dann jedoch gähnende Leere. Die meisten
nutzten für ihre Wochenendtrips das Auto.
Am 1. Februar 1995 offerierte die Deutsche
Bahn AG zum ersten Mal eine Fahrkarte,
die das Reiseverhalten der Wochenendausflügler
nachhaltig verändern sollte:
das „Schönes-Wochenende-Ticket“. Für nur
15,00 DM (das entspricht 7,67 Euro) konnten
bis zu fünf Personen von Sonnabend 0 Uhr
bis Sonntag 24 Uhr in Nahverkehrszug (N),
S-Bahn (S), Citybahn (CB), Stadtexpress (SE),
Regionalschnellbahn (RSB) und Eilzug (E)
kreuz und quer durch Deutschland reisen.
Unter Eisenbahnfans entstand sogar ein
regelrechter Wettstreit, wer an einem Wochenende
die meisten Kilometer schafft.
Bereits in der ersten Woche soll die Deutsche
Bahn über 650 000 Tickets verkauft und
damit einen Umsatz von fast zehn Millionen
Mark generiert haben. Plötzlich platzten viele
Züge aus allen Nähten. Auslastungen von
teilweise über 200 Prozent veranlassten die
Bahnpolizei sogar, aus Sicherheitsgründen
gelegentlich Züge teilweise zu beräumen.
Zahlreiche Verkehrsverbünde boykottierten
das Angebot zunächst oder duldeten
es allenfalls im ein- und ausbrechenden
Verkehr. Grund war hauptsächlich die Angst,
das Billigticket könnte die Fahrgeldeinnahmen
der Verbünde einbrechen lassen. Da
die Verhandlungen mit allen Beteiligten erst
Mitte Januar 1995 begannen, war natürlich
so kurzfristig an keine Einigung zu denken.
Lediglich der Hamburger Verkehrsverbund
als einziger der damals dreizehn großen
wollte das SWT-Konzept mittragen.
Bereits im Mai 1995 willigten, insbesondere
unter der Bedingung einer Preiserhöhung
auf 30,00 DM (15,34 Euro), auch andere Verkehrsverbünde
ein. Ab Januar 1996 kostete
es dann schon 35,00 DM (17,89 Euro), und
der Preis sollte stetig bis auf jetzt 40,00 Euro
steigen – also mehr als das Fünfmache gegenüber
1995. Tatsächlich war die Preiserhöhung
sogar noch größer, weil 1999 die
Geltungsdauer drastisch gekürzt wurde.
Plötzlich hatte man für eine Deutschlandrundreise
nicht mehr ein komplettes Wochenende
zur Verfügung, sondern nur noch
einen Tag bis um 3 Uhr des Folgetages, also
maximal 27 Stunden! Eigentlich hätte man
es in „Halbes-Wochenende-Ticket“ umbenennen
müssen. Doch alle Proteste halfen
nicht, die Einschränkung blieb bis heute.
Die ganze Bundesrepublik in der Tasche
mit nur einem Ticket?
Nicht ganz. Das Wochenendticket ist zunächst
einmal ein Angebot der Deutschen
Bahn AG, in allen Nahverkehrszügen (die
sogenannte Produktklasse C: InterRegio-
Express, RegionalExpress, RegionalBahn,
S-Bahn) Land auf, Land ab zu reisen. Innerhalb
der Geltungsdauer können beliebig
viele Fahrten vorgenommen werden. Auch
Fahrtunterbrechungen und das Fortsetzen
an anderen Bahnhöfen sind möglich. Vielerorts
trifft man inzwischen jedoch auf Nahverkehrszüge
anderer Unternehmen. Zahlreiche
dieser Nichtbundeseigenen Eisenbahnen
(NE) erkennen das Ticket, teilweise
mit Einschränkungen, an.
Auch gibt es in Deutschland viele Verkehrsverbünde,
die das SWT akzeptieren.
Aber hier fängt die berüchtigte „Kleinstaaterei“
an. Neben fahrgastfreundlichen Verbünden
wie in Stuttgart, Hannover oder
Mittelthüringen, die überall freie Fahrt mit
allen Verkehrsmitteln (S- und U-Bahn, Straßenbahn,
Fähre, Bus und auch NE-Bahnen)
gewähren, gibt es etliche, die eine Nutzung
des Angebots ausschließlich im sogenannten
ein- und ausbrechenden Verkehr zulassen.
Das heißt, dass man das SWT nur nutzen
darf, wenn der Reisende in das Verbundgebiet
hinein und/oder aus ihm heraus fährt.
Würde man diese Regelung formaljuristisch
auf die Spitze treiben, wäre dann ein jeder
Fahrgast schon ein „Schwarzfahrer“, wenn
er einen Zug benutzt, der nur innerhalb des
Verbundes verkehrt!?
Auch wenn ein Verbund den Fahrschein
nicht oder nur im ein-/ausbrechenden Verkehr
duldet, so kann es Einzelregelungen
mit Verkehrsunternehmen zur Anerkennung
geben. Beispiel der Verkehrsverbund
Berlin-Brandenburg (VBB): In dessen
Bestimmungen (Teil C – Abschnitt 3) gibt
es eine Kooperation für die Brandenburg-
Berlin-Tickets, aber keine für das Schönes-
Wochenende-Ticket. Dennoch gibt es eine
Abrede zwischen der DB und den Berliner
Verkehrsbetrieben, dass die BVG es in allen
Verkehrsmitteln akzeptiert – wie auch mit
der Prignitzer Eisenbahn (PEG), Ostdeutschen
Eisenbahn (ODEG) und Niederbarnimer
Eisenbahn (NEB) in deren Zügen auf
ausgewählten Strecken.
Ähnlich wie bei einigen Ländertickets gibt
es einzelne Möglichkeiten für den „kleinen
Grenzverkehr“ zu unseren Nachbarn nach
Dänemark, Österreich, Polen und in die
Schweiz. Jeder sollte sich vor Fahrtantritt
bei der Bahn erkundigen, ob im gewünschten
Verbund oder Verkehrsunternehmen
ein zusätzlicher Fahrschein erforderlich ist,
oder ob das SWT anerkannt wird. Schauen
Sie am besten im Internet unter www.bahn.
de. Dort haben Sie unter Angebotsberatung
> Schönes-Wochenende-Ticket die aktuellen
Regelungen zum Geltungsbereich
(einschließlich Verbünde, NE-Bahnen, Auslandsstrecken)
als PDF zum Herunterladen
übersichtlich tabellarisch aufgelistet.
Wer mit wem und wie viel?
Im Gegensatz zu den Ländertickets mit den
verschiedenen Variationen gibt es nur „ein“
Schönes-Wochenende-Ticket – mit zwei
Nutzungsmöglichkeiten. Entweder für fünf
Personen ab 6 Jahren (egal wer mit wem
verwandt ist) oder für Eltern und/oder Großeltern
(höchstens 2 Personen pro Fahrkarte),
die unendlich viele eigene Kinder bzw.
Enkel (6 bis 14 Jahre) mitnehmen können.
Der Nachweis der Familienzusammengehörigkeit
muss im Zug auf Verlangen erbracht
werden können. Reist eine andere Person
mit, ist die 5-Personen-Regel anzuwenden.
Weiterhin werden auch entgeltpflichtige
Hunde als Person gezählt und brauchen keine
Extrafahrkarte zum halben Normalpreis:
Beim Familien-SWT kann maximal 1 Hund
und beim normalen SWT können maximal
4 Hunde anstelle je eines Menschen mitgenommen
werden.
Wenn mehrere Personen reisen, müssen
alle zusammen die Fahrt antreten. Der spätere
Zustieg von Mitreisenden an einem
anderen Bahnhof ist nicht zugelassen. Es
dürfen aber einzelne Personen (nicht der
Ticketinhaber) vorher aussteigen.
Das SWT kostet seit dem Fahrplanwechsel
am 11. Dezember 2011 am Automaten
40,00 Euro. Alternativ kann es zum gleichen
Preis als Onlineticket gebucht werden. Beim
personenbedienten Verkauf durch ein Reisezentrum,
Reisebüro oder eine DB-Agentur
kommen 2,00 Euro je Ticket hinzu, beim Kauf
im Zug 4,00 Euro Bordentgelt. Achtung: in
einigen Verbundgebieten/Regionen muss
ein Fahrschein generell vor Fahrtantritt gelöst
werden. Ein Kauf im Zug ist dann nicht
möglich.
Wie lange ist ein Wochenende?
Obwohl das Schönes-Wochenende-Ticket
montags bis freitags nicht gilt, sondern
nur sonnabends oder sonntags, verdient
das Ticket seinen Namen eigentlich nicht
mehr. Seit 1999 gilt ein Fahrschein nicht ein
ganzes Wochenende, sondern nur am Sonnabend
oder Sonntag von 0 Uhr bis 3 Uhr des
Folgetages. Wer also seinen Ausflug mit
Übernachtung plant, braucht zwei Tickets.
Beginnt oder endet die Reise außerhalb
des räumlichen oder zeitlichen Geltungsbereichs,
so ist bis zum ersten / ab dem letzten
Haltebahnhof innerhalb des Geltungsbereichs
ein Anschlussfahrschein zu lösen.
Ferner hält sich seit jeher vehement die irrige
Annahme, dass das SWT auch an einem
Feiertag gilt. NEIN! Auch wenn ein gesetzlicher
Feiertag (z. B. Karfreitag und Ostermontag)
aus einem normalen Wochenende
ein „schönes langes Wochenende“ macht,
so bleibt der Ausflug mit dem SWT nur auf
Sonnabend bzw. Sonntag beschränkt. Wichtig
ist, dass beim Fahrkartenkauf der richtige
Geltungstag für das Ticket angegeben wird.
Es kann nur an diesem Tag genutzt werden!
Wird das Wochenendticket bei einer Verkaufsstelle
erworben, wo kein Geltungstag
aufgedruckt wird, dann muss es innerhalb
von drei Monaten ab Kaufdatum verwendet
werden.
Umtausch, Erstattung und Missbrauchsvorbehalt
Wie auch bei den Ländertickets gilt: Kaufen
Sie die Fahrkarte am besten erst am Reisetag,
wenn Sie sicher sind, dass Sie wirklich fahren.
Die Erstattung sowie das Umtauschen sind
grundsätzlich ausgeschlossen. Auch ist es
nicht zulässig, nach Fahrtantritt das Ticket
weiter zu geben. Weder für Geld noch kostenlos.
Um Missbrauch vorzubeugen, muss
der Ticketinhaber seinen Namen auf der
Fahrkarte eintragen. Wenn einige Mitreisende
schon früher aussteigen, sollte derjenige,
der am weitesten fährt, seinen Namen auf
das Ticket bannen. Das Zug-/Kontrollpersonal
ist berechtigt einen Ausweis zu verlangen.
Wenn‘s mal wieder länger dauert
Wie auch bei den Ländertickets oder dem
Quer-durchs-Land-Ticket hat der Fahrgast
die gleichen Rechte im Falle von Verspätungen,
weshalb Ihnen das Folgende vielleicht
bekannt vorkommt. Erreicht der Reisende
aufgrund von Verspätung oder Zugausfall
das Ziel seiner Reise mindestens 60 Minuten
verspätet, hat er einen Anspruch auf
Erstattung pro Fahrkarte in Höhe von 1,50
Euro. Den Anspruch kann der Reisende aber
grundsätzlich nur geltend machen, wenn
innerhalb der Geltungsdauer der Fahrkarte
ein Mindestanspruchswert von 4,00 Euro zustande
gekommen ist! Das heißt, dass man
auch mit dem SWT mindestens drei Reisen
mit mindestens je 60 Minuten Verspätung
gemacht haben muss, um dann 4,50 Euro
Entschädigung zu erhalten! Teilt man die
dann z. B. noch durch 5 Reisende hat jeder
30 Cent Ausgleich pro Stunde erhalten. Die
maximale Entschädigung ist auf 25 Prozent
des Fahrkartenpreises begrenzt.
Die Regelung, dass man ab 20 Minuten
Verspätung auf einen InterCity oder ICE umsteigen
kann, also einen sogenannten Produktübergang
(eine Fahrkarte mit der Differenz
zwischen den Fahrpreisen der Nahverkehr-
und der Fernverkehrsfahrkarte) kauft
und diesen hinterher erstattet bekommt,
gilt nur für normale streckenabhängige
Fahrkarten, nicht für das Wochenendticket.
Genauso gibt es keine höhere Entschädigungsstufe
bei über 120 statt „nur“ 60 Minuten
Verspätung.
Fazit
Das Schönes-Wochenende-Ticket ist noch
immer eine gute Alternative zum Auto, um
gemeinsam einen (Tages-)Ausflug über die
Grenzen des eigenen Bundeslandes hinaus
zu machen. Insbesondere für kinderreiche
Familien, damit die Eltern sich entspannt
um ihre Kleinen kümmern können, anstatt
auf den Verkehr achten zu müssen. Bedauerlich
dabei ist, dass das Wochenendticket
seinem Namen nicht mehr gerecht wird und
nicht mehr für das ganze Wochenende gilt.
Der besondere Vorteil einer verkehrsträgerübergreifenden
Nutzbarkeit kann wegen
der verschiedenen Nutzungsbedingungen
der Verkehrsverbünde leider nicht voll ausgeschöpft
werden. Um die Unsicherheit bei
der Nutzung zu reduzieren, fordert der Berliner
Fahrgastverband IGEB eine bundesweit
einheitliche Anerkennung des Schönes-Wochenende-
Ticket in allen Verkehrsverbünden
und Verbundverkehrsmitteln. (BfVst) Berliner Fahrgastverband IGEB
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