Seit der Eisenbahnneuordnung im Jahr 1996
sind die Bundesländer Aufgabenträger für
den Schienenpersonennahverkehr (SPNV).
Die Verlagerung der Verantwortung vom
Bund zu den Ländern hat in Brandenburg zu
einem Quantensprung im Bereich Angebot,
Qualität und Nachfrage geführt. Auch in anderen
Bundesländern entwickelte sich der
SPNV positiv, so dass in Deutschland heute
der Hauptanteil des Personenverkehrs auf
der Schiene im Nahverkehr bewältigt wird.
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Eberswalde Hbf, grundlegend erneuert und gut ausgestattet. Foto: VBB |
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Die Länder geben in ihrer Funktion als
Aufgabenträger Linienführungen und Takte
sowie die Qualitätsmerkmale für die Züge
vor. Dafür erhält das beauftragte Eisenbahnverkehrsunternehmen
ein Bestellerentgelt,
das vertraglich festgelegt ist. Fallen Züge aus
oder ist die Qualität schlecht, gibt es Abzüge.
Dieses Be- und Erstellerverhältnis garantiert
ein qualitativ gutes Angebot bei angemessenen
Preisen für die öffentliche Hand. In den
Ländern Brandenburg und Berlin ist schon
vor Jahren der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg
(VBB) beauftragt worden, den Nahverkehr
auf der Schiene zu organisieren.
Doch das Bemühen der Länder, den Schienenpersonennahverkehr
noch weiter aufzuwerten,
stößt an Grenzen. Anders als bei
der Ausgestaltung des Verkehrsangebotes
können die Aufgabenträger und der VBB bei
der Infrastruktur keine unmittelbaren Vorgaben
machen. Welche Geschwindigkeiten
auf einer Strecke möglich sind, wie hoch
die Kapazität einer Strecke ist, welche Ausstattung
ein Bahnhof hat, ja selbst ob und
wie viele Servicekräfte den Fahrgästen auf
den Bahnhöfen Auskünfte geben – all das
gehört zur Infrastruktur und ist der Zuständigkeit
der Länder bzw. des VBB entzogen.
Hier entscheiden die sogenannten DB-Infrastrukturunternehmen
(DB Netz, DB Station
und Service und DB Energie) über Umfang
und Qualität der Leistung.
Preise der DB für Trassen und Stationen
nicht verhandelbar
Auch die Investitionsschwerpunkte werden
von der DB AG selbst bestimmt, obwohl es
sich fast immer um Bundesmittel handelt.
Die Preise für die Nutzung von Trassen und
Stationen werden von der DB AG einseitig
festgelegt und sind nicht verhandelbar. Länder
und VBB haben auf Umfang, Qualität und
Preis dieser Leistungen keinen
unmittelbaren Einfluss.
Politischer Gewährleistungsträger
für die Eisenbahninfrastruktur
ist der Bund. Umgesetzt
werden dessen Vorgaben
durch die DB-Infrastrukturgesellschaften.
Die Infrastruktur hat einen
erheblichen Einfluss auf die
Qualität des Nahverkehrs auf
der Schiene. Aber die Aufgabenträger
haben die politische Zuständigkeit
nur für das Angebot,
nicht für die Infrastruktur.
Zwei Beispiele
- Wenn ein Zug durch Langsamfahrstellen,
wofür die Länder nicht zuständig sind,
wiederholt abgebremst wird, dann nutzt
der beste Komfort im Fahrzeug, für den
die Länder zuständig sind, wenig.
- Wenn am Bahnhof nicht über Zugverspätungen
informiert wird, was die Länder
nicht beeinflussen können, dann sind
technisch ausgereifte Fahrgastinformationssysteme
und Servicekräfte in den Zügen,
für die die Länder zuständig sind, nur
die Hälfte wert.
Diese Liste ließe sich beliebig erweitern.
Zielstellung des Landes Brandenburg ist
es daher, auch die Infrastruktur möglichst
angepasst an die Interessen der Nahverkehrsfahrgäste
zu gestalten und die Spielräume
bestmöglich zu nutzen. In diesem
Spannungsfeld hat das Land Brandenburg
den VBB seit Anfang 2009 mit dem sogenannten
Infrastrukturmanagement beauftragt. Dabei geht es darum, die Anforderungen
des Landes Brandenburg an die Infrastruktur
zu definieren und gegenüber den
DB-Infrastrukturgesellschaften zu vertreten,
damit sie auch umgesetzt werden.
Großer Investitionsbedarf
im Nahverkehrsnetz
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Zum Beispiel oben Löwenberg (Mark) und unten Zossen: Viele Stationen im Land Brandenburg sind derartig verwahrlost und unzureichend ausgestattet. Foto: VBB |
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Bildunterschrift Foto: VBB |
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Die Wunschliste des Landes zur Entwicklung
der Infrastruktur für den SPNV ist lang: Die
Erhöhung von Streckengeschwindigkeiten
und die Veränderungen von Gleisplänen in
Bahnhöfen gehören ebenso dazu wie die
barrierefreie Gestaltung von Bahnhöfen,
die Erneuerung von Bahnsteigen oder die
bessere Ausstattung von Bahnhöfen.
Infrastrukturplanung und Fahrplankonzept
werden beim VBB eng miteinander verzahnt.
So ist sichergestellt, dass Verbesserungen
bei der Infrastruktur auch „fahrplanwirksam“
werden und nicht beim nächsten
Kreuzungsaufenthalt oder beim nächsten
Anschlussbahnhof wirkungslos verpuffen.
Auch die Einrichtung neuer Haltepunkte
gehört zum Infrastrukturmanagement. So
sollen zum Beispiel in Bad Saarow an der Helios-
Klinik und in Ludwigsfelde Nord neue
Haltepunkte entstehen, damit die Wege der
Kunden zu den Regionalbahnen erleichtert
werden. Weitere Standorte für neue Haltepunkte
sind in Prüfung.
Leider sind die Mittel für die Umsetzung
dieser Maßnahmen begrenzt. Ein wichtiges
Instrument zur Finanzierung ist die sogenannte
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung,
die zwischen Bund und DB AG
abgeschlossen wurde. Die DB AG erhält
vom Bund zwischen 2009 und 2013 insgesamt
12,5 Milliarden Euro für Investitionen
und Bestandserhalt der Infrastruktur. Von
diesem Betrag stehen für Maßnahmen zum
Ausbau des Nahverkehrs im Land Brandenburg
gerade mal 58 Millionen Euro zur Verfügung.
Land, VBB und DB AG führen derzeit
Gespräche, welche Maßnahmen aus diesem
Topf umgesetzt werden sollen. Ein Ergebnis
soll im Herbst 2009 vorliegen.
Hinzu kommen Maßnahmen nach dem
sogenannten Bedarfsplan des Bundesverkehrswegeplans,
also dem Plan für die
großen Ausbauprojekte. Hierzu gehören in
Brandenburg und Berlin die Anbindung des
Flughafens BBI sowie der Ausbau der Strecke
Berlin—Dresden.
Das Land Brandenburg fördert aber auch
mit Eigenmitteln nach der sogenannten
„Richtlinie Invest“ Maßnahmen zur Verbesserung
der DB-Infrastruktur. VBB und Land
sind fortlaufend dabei, hierzu die Prioritäten
für die Umsetzung von Maßnahmen abzustimmen.
Hinzu kommen aktuell die Mittel der beiden
sogenannten Konjunkturpakete des
Bundes. Mit diesen Geldern werden vor allem
der Ausbau der Strecke Berlin—Cottbus
auf Geschwindigkeiten von 160 km/h sowie
unterschiedliche Maßnahmen an zahlreichen
kleinen Bahnhöfen und Haltepunkten
finanziert.
Durch die neue Aufgabe des VBB wird
eine enge Verzahnung zwischen Infrastruktur-
und Angebotsplanung sichergestellt.
DB lenkt Investitionsgelder des Bundes
bevorzugt in das Fernverkehrsnetz
Eine abgestimmte Planung allein ändert
jedoch nichts daran, dass die Nahverkehrsinfrastruktur
tendenziell unterfinanziert ist.
80 Prozent der Bundesmittel für die Schiene
gehen ins Fernverkehrsnetz, während
der Nahverkehr nur rund 20 Prozent der
Investitionen erhält. Die Nutzung durch die
Fahrgäste ist jedoch genau umgekehrt: Nur
jeder zehnte Fahrgast ist im Fernverkehr unterwegs,
90 Prozent der Fahrgäste reisen im
Nahverkehr.
Land Brandenburg und VBB wünschen
sich, dass angesichts dieser Zahlen Bund
und DB AG einen höheren Anteil der Investitionen
für die Nahverkehrsinfrastruktur
bereitstellen. Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg
Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH
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