Eine stadtverträgliche Verkehrsplanung
ist jedoch nur vorstellbar, wenn die Verkehrsplanung zukünftig als eine
Fachplanung neben anderen innerhalb der
Gesamtplanung für die Stadt eingeordnet wird. Deshalb fordert die IGEB
erneut, daß die Federführung für den
Stadtentwicklungsplan Verkehr an die
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
und Umweltschutz übertragen wird, was
bei allen anderen Stadtentwicklungsplänen bereits der Fall ist.
Zu den Einzelheiten der Koalitionsvereinbarung:
1. Maßnahmen zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs
1.1 S-Bahn-Ausbau
Die IGEB begrüßt es sehr, daß die Koalitionsparteien den in Bürgerbegehren
geforderten Strecken Priontät einräumen, und sie unterstützt die Absicht, die
Mittel für den Schnellbahnbau zu erhöhen, um die Wiederinbetriebnahme der
stilliegenden S-Bahn-Strecken erheblich
zu beschleunigen. In der Berücksichtigung des unter Mitwirkung der IGEB
erstellten BSVV-Konzeptes "S-Bahn
2000" bei den Koalitionsverhandlungen
sieht die IGEB eine Akzeptanz der
Fahrgastverbände.
Um den angestrebten Zeitplan realisieren zu können, hält die IGEB
jedoch zusätzlich folgende, in den Vereinbarungen nicht genannte
Maßnahmen für erforderlich:
- Die alten S-Bahn-Züge müssen im
Einsatz bleiben und mindestens eine
weitere Hauptuntersuchung (HU) erhalten. Diese kann ebenso wie später
die HU der neuen Züge bei der Berliner Industrie stattfinden. Dadurch
werden über 100 Mio DM an GVFG-Mitteln, die für die Hauptwerkstatt
Oderstraße benötigt würden, eingespart.
- Die vorhandene Zugsicherungstechnik auf den befahrenen Strecken muß
endlich instandgehalten und ggf. ausgebaut werden. Auch bei den
bevorsteenden Strecken-Wiederinbetriebnahmen ist die bewährte
Zugsicherungstechnik vorzusehen. Das Warten
auf die noch nicht erprobte neue Technik (EZS 800) würde zu unabsehbaren
Verzögerungen und erheblichen Verteuerungen führen, wodurch der in
Aussicht genommene Zeitplan auf keinen Fall eingehalten werden kann.
Die IGEB begrüßt den Verzicht auf
die Verschwenkung der S-Bahn-Linie
2 zur Wannseebain in Schöneberg,
und sie befürwortet die geplante
schnelle Realisierung des S-Bahnhofs
Dudenstraße auf der S2. Die IGEB kritisiert jedoch, daß bei der
Wiederinbetriebnahme der S-Bahn-Strecke nach
Spandau (S5) nur Rathaus Spandau,
nicht aber Staaken als Zielbahnhof genannt wird.
1.2 U-Bahn-Ausbau
Kaum ein Fortschritt gegenüber der
bisherigen Senatspolitik sind die Koalitionsvereinbarungen zum U-Bahn-Bau:
- Die IGEB begrüßt die Begrenzung
der Mittel für den U-Bahn-Bau auf 60
Mio. DM pro Jahr. Unverständlich ist
jedoch, das in den Koalitionsvereinbarungen schon zwei Sätze weiter diese
Begrenzung wieder aufgehoben wird,
um ab 1993/94 den U-Bahn-Bau nach
Lankwitz zu beschleunigen. Das widerspricht grundlegend dem zuvor
formulierten Ziel der “kontinuierlichen Inanspruchnahme" der U-Bahn-Baukapazitäten.
- Die IGEB kritisiert ferner, daß der U-Bahn-Bau nicht nur aus verkehrlichen,
sondern ausdrücklich aus wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Gründen fortgesetzt
werden soll.
Zwar sichert der U-Bahn-Bau einige
hochqualifizierte, aber insgesamt doch
nur wenige Arbeitsplätze. Außerdem
müßte das konsequenterweise bedeuten, den inzwischen extrem teuren
Tunnelbau in Berlin (West) unbegrenzt
fortzusetzen. Dies wäre jedoch eine unverantwortliche Geldverschwendung, da
nur noch wenige U-Bahn-Verlängerungen verkehrlich vertretbar sind.
1.3 Bus
Die Attraktivierung des Busverkehrs
wird von der IGEB begrüßt. Die dafür
in den Koalitionsvereinbarungen genannten Maßnahmen müssen jedoch
ergänzt werden um die Einführung eines rechnergestützten Betriebsleitsystemes.
Die geplanten Busspuren sind optisch und baulich von den übrigen
Fahrspuren deutlich zu trennen, um den in Berlin üblichen Mißbrauch einzuschränken.
1.4 M-Bahn
Die von der IGEB geforderte Einstellung der öffentlichen Fördern der
M-Bahn wird begrüßt. Dies muß konsequenterweise auch für die indirekte
Förderung durch BVG-Personal, durch
BVG-Gelder sowie durch die Belastung
des BVG-Haushaltes mit den Abschreibungskosten gelten.
1.5 Fahrplan und Tarif
Die Verdichtung der Takte von Bahnen
und Bussen auf ein attraktives Mindestangebot wird von der IGEB
unterstützt. Solche Verbesserungen sind
nicht nur wünschenswert, sondem als
begleitende Maßnahmen zu der ebenfalls zu begrüßenden Einführung einer
"BVG-Umweltkarte" auch
erforderlich. Denn von der - notwendigen - Eeinführung
attraktiver Tarife allein erwartet die IGEB noch nicht
den "Durchbruch" für die
Akzeptanz der BVG.
1.6 Straßenbau und Stellplätze
Eine Förderung des öffentlichen Nahverkehrs sowie
von Fußgängern und Fahrradfahrern ist nicht ohne
Einschränkungen des Autoverkehrs möglich. Die
IGEB begrüßt deshalb sehr
den Verzicht auf neue Straßen- und Autobahnbauten
und die Einrichtung von
Tempo-30-Zonen. Darüber
hinaus müssen Straßen- und
Stellplatzflächen für die
umweltfreundlichen Verkehrsteilnehmer, aber auch
für den Wohnungsbau, zurückgewonnen werden. Bei
der geplanten Änderung der
Bauordnung sind unbedingt
die Anforderungen an die
Zahl der erforderlichen
Stellplätze zu reduzieren
und (wie in einigen Städten
der Schweiz) in der Nähe
von S- und U-Bf. ganz
aufzugeben.
1.7 Smog
Die IGEB fordert im Rahmen der geplanten Verschärfung der Smog-Verordnung,
die BVG-Mitarbeiter aus dem
Kreis derer, die bei Smog-Alarm eine
Ausnahmegenehmigung erhalten, herauszunehmen.
2. Maßnahmen zur Förderung des Eisenhahnverkehrs
2.1 Elektrifizierung der Südstrecken
Zur Elektrifizierung "der Südstrecke"
fordert die IGEB nachdrücklich, beide
bestehenden Südstrecken zu elektrifizieren. Mit Fahrdraht ausgerüstet
werden müssen die Streckenabschnitte
Camburg (Saale) - Probstzella, Reichenbach (Vogtland) - Regensburg sowie
Berlin - Meinsdorf. Dabei gebietet
der Strecke über Hof - Regensburg der
Vorrang, da diese nicht in Konkurrenz
zur Neubaustrecke Hannover - Würzburg der Bundesbahn tritt und
tendenziell wieder Bestandteil der über Berlin
führenden Nord-Süd-Achse Skandinavien - Bayern werden muß.
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Wer laut hupt, muß auch Gas geben Foto: Paul Glaser, aus: die Tageszeitung, 14. März 1989 |
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2.2 Neu- und Ausbaustrecken
Sehr mit Genugtuung hat die IGEB zur
Kenntnis genommen, daß die Koalition
die IGEB-Forderung nach Ausbau der
Strecke Stendal - Uelzen in die Eisenbahnverhandlungen einfließen lassen
will. Ein klares Votum für die Beibehaltung des Fernbahnhaltes in Spandau
vermißt die IGEB jedoch.
2.3 Güterverkehr
Der Eisenbahn-Güterverkehr wird nach
Meinung der IGEB in den Koalitionsvereinbarungen etwas halbherzig
abgehandelt. Der hastige Bau von Güterverkehrszentren und Ortsgüterbahnhöfen
kann den Eisenbahn-Güterverkehr sicher nicht nachhaltig verbessern. Hierzu
wird sich die IGEB noch näher äußern, da ein Konzept in Erstellung ist,
das in Kürze vorgestellt wird.
2.4 Eisenbahnflächen
Vor der lnanspruchnahme ehemaliger
und heutiger Eisenbahnflächen ist ein
Gesamtkonzept für den
Bahnverkehr zu erstellen.
Nach Vorliegen dieses Konzeptes ist der Flächennutzungsplan entsprechend zu
ändern.
2.5 Abfallwirtschaft
Betreffend den Bereich Abfallwirtschaft fordert die
IGEB, die Mülltransporte
aus Ruhleben und Britz in
die DDR künftig mit der
Bahn durchzühren statt
alle fünf Minuten oder öfter
einen LKW fahren zu lassen.
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Am 14. März, zwei Tage vor
seiner Wahl zum Regierenden Bürgermeister von BerIn,
sprach "die Tageszeitung” (taz) mit Walter
Momper (SPD):
taz: Kann denn der IG MetaII-Chef eine Philosophie in
der Verkehrspolitik betreiben,
die dem Fußgänger den Vorrang einräumen soll? Ist das
überhaupt möglich?
Momper: Warum denn
nicht? Wieso kommen Sie
darauf?
taz: Weil der IG Metall-Chef mit Sicherheit dem Autoverkehr, dem ADAC mehr
verpflichtet ist, als den Fußgängern.
Momper: Wieso denn. Er ist als Senator Politiker wie jeder andere auch. So
ein Vorurteil ist mir schlicht unbegreiflich. Erstmal ist ein sozialdemokratischer Senator, wie
jeder AL-Senator auch, dem Koalitionspapier verpflichtet.
Im übrigen kann ich nur sagen: Von der Notwendigkeit der Veränderung der
Verkehrspolitik wird weder Herr Köppl noch ich den 40jährigen Facharbeiter, der sein
Auto über alles liebt, überzeugen, sondern, wenn überhaupt, dann schafft das jemand
wie Horst Wagner. Kein Ideologe der autofreien Stadt eben.
taz: Die politische Kultur der zahlreichen
Verkehrsinitiativen hier - von denen so
ein Verkehrsressort abhängt - hat doch
wenig mit der Gewerkschaftskultur zu
tun. Ich habe eher den Eindruck daß
das eine taktische Ressort-Besetzung ist,
um die SPD-Rechte einzubinden?
Momper: Das versteh ich erst mal
nicht. Ich will eins noch mal ganz deutlich machen: Wenn Sie sagen, es kann
ja nicht gegen die Verkehrsinitiativen
regiert werden, ist das richtig?. Soll es ja
auch nicht. Natürlich muß man die
Kreativität vielfältiger Initiativen einbeziehen. Wir waren vor 10 Jahren auch
noch für die Westtangente gewesen.
Aber die SPD hat daraus gelernt. Das
ist ja gerade das Kreative, was wir auch
einfangen wollen. Aber: Es kann auch
nicht gegen die Gewerkschaften regiert
werden. Ob Kernkraft oder sonst etwas,
hier in diesem Lande wird ein politisches Reformbündnis nur laufen mit
den Gewerkschaften oder gar nicht.
Das ist der gemeinsame Lernprozeß,
der von Gewerkschaften, Gesellschaft
und SPD durchgemacht werden muß.
Bei der AL sieht das etwas anders aus. IGEB
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