|
Mit einem neunwöchigen Sonderfahrten-Marathon
hat der Fahrgastverband PRO BAHN zwischen
August und Oktober des Jahres den südlichen
Abschnitt der als Heidekrautbahn bekannten
Strecke zwischen Berlin-Wilhelmsruh und
Liebenwalde bzw. Groß Schönebeck mit Personenzugfahrten
wiederbelebt. Jeden Sonnabend
ging es mit zwei Zügen nach Liebenwalde, der
Endstation auf dem westlichen Streckenast.
Sonntags konnte ein Ausflug in die Schorfheide
vorgenommen werden, denn es wurden zwei
Zugpaare nach Groß Schönebeck eingerichtet.
Abfahrtspunkt war, wie schon in den vergangenen
Jahren, der Bahnübergang am Wilhelmsruher
Damm, so daß sich viele Bewohner aus dem
benachbarten Märkischen Viertel auch ganz
spontan für eine Spritztour per "Ferkeltaxe" entschieden.
Die Fahrt auf dem südlichen Abschnitt vom
Märkischen Viertel bis Schönwalde, der regulär
nur noch mit Güterzügen befahren wird, führte
vorbei an den verträumten Bahnhöfen Berlin-Blankenfelde,
Schildow, Schildow-Mönchmühle,
Mühlenbeck und Schönwalde (Kr. Bernau).
Nach einer gewissen Anlaufzeit entdeckten auch
die Bewohner dieser Umlandgemeinden die Heidekrautbahn
wieder und stiegen unterwegs zu.
Die Fahrtenteilnehmer staunten auch über die
ungewohnten Betriebsabläufe. So ist das Einfädeln
der vom Märkischen Viertel kommenden
Sonderzüge in die Strecke Berlin-Karow - Basdorf
an der Ausweichanschlußstelle Asw mit einem
Rangieraufwand verbunden, der einige Minuten
in Anspruch nimmt, denn der den Triebfahrzeugführer
begleitende Rangierer muß per
Schlüssel zwei Weichen umstellen, bevor die
Fahrt fortgesetzt werden kann.
|
Ausfahrt aus dem Wriezener Bf. in Richtung Lichtenberg. Was hier als Sonderfahrt während der Schienenverkehrs-Wochen möglich war, soll nach den Vorstellen von PRO BAHN und IGEB schon bald wieder fahrplanmäßig erfolgen: Fern- und Regionalverkehr zum direkt neben dem Hauptbahnhof gelegenen Wriezener Bahnhof. Foto: Hinrich Brümmer |
|
Das ursprüngliche Fahrtenprogramm sah nur
Fahrten nach Groß Schönebeck vor, da es zunächst
nur darum ging, die Forderung nach Wiederaufnahme
des Personenverkehrs auf dem südlichen
Abschnitt zu untermauern. Doch schon
während der ersten Sonderfahrten gab es Gerüchte
über eine zum "kleinen Fahrplanwechsel" Ende
September vorgesehene Betriebseinstellung auf
dem Abschnitt Basdorf - Liebenwalde. Den erstaunten
PRO BAHNern wurde die Ernsthaftigkeit
dieses Gerüchts durch Nachfragen bei der
Hauptabteilung Nahverkehr der Rbd Berlin bestätigt.
Die Reichsbahndirektion hatte zuvor
weder die Öffentlichkeit noch PRO BAHN über
diesen Schritt unterrichtet. Selbst die Eisenbahner
vor Ort wußten nichts Genaues.
Daraufhin wurde eine sofortige Erweiterung des
Sonderfahrtenprogramms beantragt, und ab dem
11. September konnte sonnabends auch der akut
bedrohte Ast nach Liebenwalde befahren werden.
Gleichzeitig intervenierte PRO BAHN bei Bahnchef
Dürr gegen diese Stillegung. Darauf folgte
die Entscheidung, daß der Bahnverkehr nach
Liebenwalde nicht eingestellt werden darf, bis
eine Lösung für den künftigen Betrieb der Strecke
gefunden ist. Der Fahrgastverband kündigte
an, die Heidekrautbahn notfalls in eigener Regie
zu betreiben und verwies auf seinen Selbsthilfebeschluß
des Hauptverbandstages vom 18. Januar
1992.
|
Im Konzept Berlin 94 verkehren auf der Heidekrautbahn die Regionalbahnlinien 8 und 18. Verkleinerter Ausschnitt aus dem Linienkonzept für den Regionalverkehr. |
|
Die Heidekrautbahn ist seitdem zu einem populären
Thema in den Medien geworden. In Presse,
Funk und Fernsehen wurde häufig berichtet.
Vor allem die Berliner wurden so und durch die
PRO BAHN-Aktivitäten sensibilisiert. Dies führte
auch im Regelverkehr zu einem deutlichen
Fahrgastzuwachs, insbesondere auf dem Streckenast
nach Liebenwalde.
Dieser Erfolg darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen,
daß eine grundlegende Lösung für die
Heidekrautbahn gefunden werden muß. Die Verhältnisse
sind bei dieser Bahn nämlich äußerst
kompliziert, wie die Landeschefs der PRO
BAHN-Verbände Brandenburg und Berlin, Stefan
Müller und Gerhard J. Curth, in einem
Gespräch mit der Geschäftsführung der Niederbarnimer
Eisenbahn AG erfuhren: Die Strecken sind
Eigentum dieser NE-Bahn, die wiederum mehrheitlich
durch den Hauptaktionär, das Land Berlin,
getragen wird. Die Niederbarnimer Eisenbahn
AG betrachtet sich jedoch nur als Verwalter
der Liegenschaften und möchte Pacht- und
Mieteinnahmen kassieren. Einen Bahnbetrieb,
wie in den Vorkriegsjahren, möchte sie nicht
wieder durchfuhren.
|
Sonderverkehr auf der Heidekrautbahn vom Märkischen Viertel nach Groß Schönebeck anläßlich der 10. Schienenverkehrs-Wochen. Schon längst könnte hier am Wilhelmsruher Damm ein provisorischer Bahnsteig stehen, von dem aus regelmäßige Fahrten in die Schorfheide angeboten werden. Foto: Hinrich Brümmer |
|
Endstation Liebenwalde. Zum kleinen Fahrplanwechsel Ende September sollte der Westast der Heidekrautbahn, die Strecke zwischen Basdorf und Liebenwalde stillgelegt werden. Durch Proteste und eine breite Berichterstattung in den Medien konnte die Stillegung abgewendet werden - vorerst. Foto: Georg Radke |
|
Diesen führt die Deutsche Reichsbahn seit den
50er Jahren durch. Um die Ausgaben für den
Betrieb zurückzuschrauben, wurde schon in den
letzten DDR-Jahren Personal abgebaut. In jüngster
Zeit wurde mit dem Abzug von Stellwerkspersonal
und dem Schließen vieler Fahrkartenausgaben
der Personalabbau fortgesetzt. Schließlich
verzichtete die Reichsbahndirektion auch auf
die Zugbegleiter zwischen Basdorf und Liebenwalde,
so daß es auf diesem Abschnitt nicht mehr
möglich ist, das Fahrgeld zu entrichten und die
Fahrgäste zum Schwarzfahren regelrecht genötigt
werden! In einem Gespräch mit dem Präsidenten
der Reichsbahndirektion Berlin. Herrn
Remmert, wiesen die PRO BAHN-Vertreter
Müller und Curth auf diesen unhaltbaren Zustand
hin. Herr Remmert war überrascht und versprach,
der Sache umgehend nachzugehen.
Da es so nicht weiter gehen kann, muß schnellstens
eine grundlegende Lösung gefunden werden.
Hier ist vor allem die Frage nach einem allseits
akzeptierten Trägerschaftsmodells zu klären.
Es ist höchste Zeit, daß sich die beteiligten Länder
Berlin und Brandenburg sowie die Kreise und
Anliegergemeinden nicht nur verbal zur Heidekrautbahn
bekennen, sondern aktiv nach Lösungen
suchen, wie der Verkehr auch morgen noch
durchgeführt werden kann. Diesen Prozeß soll ein
in Basdorf gegründeter "Förderkreis Heidekrautbahn"
unterstützen. Sowohl die überaus erfolgreichen
Sonderfahrten als auch die gut besetzten
Regelzüge von Berlin-Karow nach Groß Schönebeck
zeigen, daß die Nachfrage nach einem
Regionalverkehrsangebot sehr groß ist und die
Berliner "ihre" Heidekrautbahn nicht missen
möchten. PRO BAHN
|