Die Einführung des Verbundtarifes war
entsprechend früheren Aussagen des ehemaligen
Verbundgeschäftsführer Lorenzen
bereits für Juni 1997 vorgesehen. Seitdem
kam es immer wieder zu Terminverschiebungen.
Von Anfang an wird von der Verbundgesellschaft
ein sehr kompliziertes
Tarifsystem mit einer sehr kleinteiligen
Wabenstruktur favorisiert. Diese Tarifstruktur
hebt sich damit negativ vom
Trend in anderen Verkehrsverbünden ab,
wo häufig die ehemals verwirrenden
Wabenstrukturen radikal zugunsten einfacher
Tarifsysteme verändert wurden. Trotz
langer Vorbereitungszeit und heftiger Kritik
von vielen Seiten hat sich das Grundprinzip
des VBB-Tarifschemas jedoch nicht
verändert. Vorgesehen ist - allerdings nur
für die Einzelfahrscheine und die Tageskarten
- die Aufteilung des Verbundgebietes
in ca. 1 400 Waben mit jeweils ca. 5 km
Durchmesser. Für die Zeitkarten soll ein
gänzlich anderes, einfacheres räumliches
Bezugssystem gelten. Unter Berücksichtigung
von Einzelfahrscheinen, Tageskarten,
Wochen- und Monatskarten, entsprechenden
Ermäßigungstarifen sowie Standard- oder
Premiumkarten umfaßt der Tarif
nicht weniger als 500 (!) verschiedene
Tarifstufen. BahnCard-Tarife sollen in den
neuen Verbundtarif nicht integriert werden.
Und so werden nicht nur die Vertriebskosten
enorm steigen, sondern es ist
vor allem zu befürchten, daß dieses Tarifwirrwarr
mehr Fahrgäste abschreckt als
neue durch den Verbundtarif gewonnen
werden können.
Technisch alles geklärt?
Für die Berliner Fahrgäste bleibt jedoch der
Trost, daß für das Berliner Stadtgebiet das
mit der Tarifreform im März 1997 eingeführte
AB(C)-Schema im wesentlichen erhalten
bleibt - maßgeblich verkleinert werden
soll allerdings das Tarifgebiet C.
Die technischen Rahmenbedingungen
sind inzwischen weitgehend geklärt. Das
"Herzstück" dieses nicht gerade einfachen
Tarifsystems, die sogenannte Tarifmatrix
ist nach Angaben des VBB einsatzbereit
und kann von den Verkehrsbetrieben in
die Verkaufstechnik integriert werden. Das
Land Brandenburg, das in den letzten
Jahren in erheblichen Umfang Zuschüsse für
den öffentlichen Verkehr gestrichen hat,
hat die Anschaffung dieser neuen
Verkaufstechnik mit Fördermitteln von ca.
20 Mio. DM großzügig unterstützt.
In Berlin wird dem verbundwilligen Fahrgast
der Fahrscheinerwerb für einen Großteil
der außerhalb des ABC-Bereichs liegenden
Fahrtziele jedoch schwerfallen, weil
fast keiner der bei der BVG vorhandenen
Fahrscheinautomaten über die für die
komplizierten VBB-Tarife erforderliche
(und besonders teure) Dialogtechnik verfügt.
Aber für die VBB-Tarifexperten ist das
kein wesentlicher Nachteil, weil ohnehin
fast 90 Prozent der Fahrgäste Zeitkarten
(für die ja ein sehr viel einfacheres Tarifschema
gelten soll) nutzen würden. Bleibt
die Frage, warum für die restlichen 10 Prozent
dieses hochkomplizierte Wabentarifschema
mit den daraus resultierenden Kosten
nötig ist. Verantwortlich für dieses
Tarifsystem sind aber in gleicher Weise die
politisch Verantwortlichen in den beiden
Bundesländern und den Kreisen, denn ihre
Vertreter haben im Aufsichtsrat des VBB
genau dieses Wirrwarr gutgeheißen.
Das heikelste Verbundthema, die Einnahmeaufteilung
zwischen den Verkehrsunternehmen,
ist dagegen noch nicht gelöst.
Nach Angaben des VBB scheint die
Einnahmeaufteilung zumindest zwischen
den Brandenburger Verkehrsunternehmen
und der DB AG unter Dach und Fach.
Völlig offen ist jedoch eine Lösung bezüglich
der Einnahmeaufteilung für den
Berliner Verkehrsbereich - insbesondere
zwischen BVG und S-Bahn GmbH. Diese
beiden Verkehrsunternehmen streiten ja
bereits seit geraumer Jahren über eine gerechte
Aufteilung der Einnahmen. Die alte
Einnahmeaufteilungsregelung, die sich
ausschließlich nach den beförderten Personenkilometern
richtete, wurde zum 30.
Juni 1997 von der BVG gekündigt. Ein solches
Abrechnungsverfahren, welches in
dieser Form auch in anderen Verkehrsverbünden
unüblich ist, ist naturgemäß für
das städtische Verkehrsunternehmen
nachteilig , weil dessen Fahrgäste kürzere
Distanzen zurücklegen. Die BVG favorisiert
dagegen das - zwar nachvollziehbare, aber
ebenfalls unübliche - sogenannte Binnenverkehrs-/Übersteigermodell,
wonach nur
die Leistungen für zwischen den Verkehrsunternehmen
umsteigende Fahrgäste verrechnet
werden. Die Differenz zwischen
diesen beiden Verrechnungsmodellen beläuft
sich auf jährlich etwa 140 Mio. DM!
Voraussetzung für die Einführung des
Verbundtarifs zum 1. April 1999 ist jedoch
eine Einigung über die Einnahmenaufteilung.
Berlins Verkehrsstaatssekretär
Schmitt strebt nach eigenen Worten eine
politische Lösung dieses Problems an. Damit
man sich politisch nach den inzwischen
wohl gescheiterten Holding-Phantasien
nicht erneut blamiert, läuft wohl alles
darauf hinaus, daß der Berliner Senat die
landeseigene BVG zum Einlenken bewegen
wird. So wird seitens des Berliner Senats
über einen Kompromißbetrag in
Höhe von 80 Mio. DM nachgedacht. Daß
dieser Betrag im Wirtschaftsplan der BVG
nicht vorgesehen ist, weiß natürlich auch
der Senat. Es ist nicht schwer zu erraten,
daß diese Kosten bei der nächsten Gelegenheit
auf die Fahrpreise aufgeschlagen
werden.
Also lieber Fahrgast, wenn zum 1. April
tatsächlich der Verbundtarif eingeführt
wird, seien Sie sicher: Soviel Weitblick haben
selbst die Berliner Politiker, daß die
nächste Tariferhöhung erst nach den Wahlen
am 10. Oktober 1999 verkündet wird! IGEB
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