Nun wird sich die IGEB auf keinen Fall um
die Inhalte von Werbung kümmern. Die
unterliegen Moden und den Veränderungen,
die die Gesellschaft insgesamt betreffen.
Sicherlich wäre vor 20 Jahren eine
Kondom-Werbung an einem Doppeldecker
eine Sensation gewesen. Die Zeiten
ändern sich, Werbung auch. Obwohl, haben
es die Verkehrsunternehmen wirklich
nötig, Werbung für Autos zu machen ...?
"Ganzkörperwerbung" für die Busse
Mit der veränderten Situation Berlins in
den neunziger Jahren hat auch die Werbewirtschaft
die alte, neue Hauptstadt entdeckt.
Das kann man am besten in den
Werbespots im Fernsehen sehen, bei denen
inzwischen Berlin eine beliebte Kulisse
darstellt.
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Zerkratze Scheiben sind im Moment das größte Ärgernis für Fahrgäste. Foto: Alexander Frenzel, Mail 2000 |
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Eine Besonderheit Berlins bilden die
Doppeldecker im Busverkehr. Schon auf
historischen Fotos ist erkennbar, daß Omnibusse
und insbesondere Doppeldecker
ein beliebter Werbeträger waren. Seit einiger
Zeit beginnt ein richtiger Run auf die
Doppeldecker. Der Name „Großer Gelber"
wird zunehmend in den Hintergrund gedrängt,
denn immer mehr Busse sind über
und über mit Werbung versehen.
Doch seit etwa einem Jahr wächst die
Zahl der Busse, bei denen auch die Fenster
als Teil der Werbeflächen genutzt werden.
Was auf den ersten Blick für den Betrachter
originell und weltstädtisch wirkt,
hat für den Fahrgast fatale Folgen. Denn
die Sicht aus d em Bus hinter einer solchen
Werbefläche ist miserabel und teilweise
völlig unmöglich. Es mag ja sein, daß die
Einnahmen aus dieser Werbung so hoch
sind, daß die Abschreibung für diese Fahrzeuge
zu einem großen Teil gedeckt ist.
Allerdings sinkt erheblich die Attraktivität
für die OPNV-Benutzer. Und daß die
Fahrpreise auf Grund der besseren Werbeerlöse
sinken, diese Hoffnung ist wohl zu
optimistisch.
Die Zwangsinfantilisierung der Fahrgäste
Die elektronischen Medien haben auch in
Berlin immer wieder versucht, Busse und
Bahnen zu erobern. Viele erinnern sich
noch mit Grausen an die Zwangsbeschallung
in S-Bahn-Wagen auf der S3 mit
einem stadtbekannten Radiosender. Nun
war der besagte Radiosender sicherlich
Geschmackssache, viele Fahrgäste wollen
auf dem Weg zu oder von der Arbeit
schlicht und einfach ihre Ruhe. Und so
hatte die S-Bahn ein Einsehen und stellte
den Radiosender wieder ab.
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Endhaltestelle am Flughafen Tempelhof 1962. Repro aus: 150 Jahre Berliner OmnibusFotograf |
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Seit einiger Zeit gibt es aber einen neuen
Angriff auf die Nerven der Fahrgäste. Auf
dem Südring verkehrt ein Halbzug der
Baureihe 485, in dem in den Abteilen Bildschirme
angebracht sind, die die Fahrgäste
mit einem „Bunten Programm" berieseln.
Die IGEB kann und wird nicht über den
ästhetischen Wert eines Mordillo-Sketches
richten. Da aber das System sich durch
Werbung finanzieren soll, steht diese natürlich
immer im Vordergrund und nimmt
einen wesentlichen Teil ein. Es stellt sich
die Frage: „Muß das wirklich sein?"
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Bus oder Werbetafel? Die Unterschiede verschwimmen zusehends. Foto: Marc Heller, Juni 2000 |
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U-Bahnhof Zoologischer Garten (U9): Die einzige betriebliche Information besteht in dem Hinweis Bitte zurücktreten, Zug fährt ein! Foto: Alexander Frenzel, Mai 2000 |
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Anscheinend doch. Denn während die
S-Bahn sagt, das betreibende Unternehmen
sei noch in der Testphase, will die
BVG bei der U-Bahn sofort nachrüsten. Sicherlich
wird in beiden Fällen den „Opfern"
die Zwangsberieselung dadurch
schmackhaft gemacht, daß neben der
Werbung auch Informationen mitgeteilt
werden. Mit allem gebührenden Respekt:
Im Störfall wird der Fahrgast Informationen
über Zahnpasta erhalten. Ob
ihm aber im selben Störungsfall Informationen
erreichen, die ihm weiterhelfen,
ist nach den Berliner Erfahrungen aber
stark zu bezweifeln.
Dabei wäre gegen einen (aber wirklich
nur einen) Info-Bildschirm pro Wagen
nichts zu sagen. Aber ein Bildschirm ist natürlich
viel zu wenig, denn letztendlich
dient er dem Kommerz. Und so wird wie der
ein Stück Umwelt mit Datenmüll zugepflastert.
Übrigens, wird dann jeder Bildschirm
mit einer Kamera wegen möglicher Vandalismusschäden
überwacht? Genau da
war eine der Visionen aus George Orwell
„1984": Ständig mit Informationen überflutet und
ständig beobachtet sein. Schöne
neue Welt! IGEB,
Abteilung Stadtverkehr
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