An vielen Punkten in Berlin gibt es Defizite beim Umsteigen innerhalb
des Nahverkehrsnetzes.
Zu lange Fußwege, falsche bzw. unzureichende
Beschilderungen oder fehlende Anschlußsicherung
sind nur einige der Kritikpunkte, die
immer wieder zu Unmut unter den Fahrgästen
führen. Die Gesamtreisezeit wird dadurch
teilweise erheblich verlängert, die Attraktivität
des Nahverkehrs sinkt. Die IGEB
forderte deshalb in der Vergangenheit immer
wieder Verbesserungen der Umsteigebeziehungen
und unterbreitete den Senats-Verkehrsverwaltungen,
BVG und Bezirksämtern
konkrete Vorschläge.
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Bahnhof Friedrichstraße während des Umbaus im September 1995. Heller und freundlicher ist es hier heute. Die Ausschilderung und Fahrgastinformation läßt dennoch leider immer noch zu wünschen übrig. Foto: Marc Heller |
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Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
hat nun endlich das Problem erkannt und
eine „Plattform Umsteigen in Berlin" eingerichtet,
an der nicht nur die Verkehrsunternehmen
(BVG, S-Bahn, DB AG), Senatsverwaltung
und Bezirke (in der Regel die Tiefbauämter)
vertreten sind, sondern auch Interessenverbände
wie IGEB, BUND, Fuss e.V. usw.
Die Behörde will 50 Umsteigepunkte auf
Mängel untersuchen und Verbesserungsvorschläge
erarbeiten. Im Mittelpunkt sollen
dabei kleine, preiswerte Verbesserungsmaßnahmen
an Umsteigepunkten stehen, durch
die kurzfristig die Gesamtreisezeiten für die
Fahrgäste gesenkt werden können. Noch im
Jahr 2000 sollen 20 Knotenpunkte betrachtet
und mögliche Verbesserungen kurzfristig
umgesetzt werden. Dabei geht es um die Umsteigebeziehungen
zwischen allen Verkehrsträgern
(Regionalbahn, S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn
und Bus).
Folgende Kriterien spielen bei der Betrachtung
eine Rolle:
- Erreichbarkeit (Wie lang sind die Umsteigewege?);
- Anschlußsicherung (Ist der Zug bei Ankunft
gerade weg?);
- Umsteigequalität und Zugangsqualität
(Sind Rolltreppen, Wetterschutz, etc. vorhanden?
Wie attraktiv ist das Umfeld?);
- Behindertenfreundlichkeit
(Sind Aufzüge usw. vorhanden?);
- Erkennbarkeit des Verkehrssystems
(Wegeleiteinrichtungen, Auskunft, Fahrpläne);
- Mitnahme- bzw. Abstellmöglichkeiten für
Fahrräder.
Die Untersuchungen selbst werden von einem
externen Ingenieurbüro durchgeführt.
Bahnhof Friedrichstraße:
Auch ohne Mauer ein Labyrinth
Die Auftaktveranstaltung fand am 12. September
2000 statt. Hier wurde als Beispiel der
Bahnhof Friedrichstraße vorgestellt. Mängel
bestehen unter anderem bei der Weg Weisung
(fehlende Hinweisschilder). So ist es für Umsteiger
von der Nord-Süd-S-Bahn schwer, die
Fahrtreppe von der Nullebene zur Stadtbahn
zu finden. Das wird sich laut Auskunft der
Deutschen Bahn, Station und Service erst ändern,
wenn die neuen Treppen eingebaut
wurden. Doch bis dahin sollten wenigstens
Hinweisschilder die Wegfindung erleichtern.
Auch die mangelhafte Beleuchtung im Verbindungstunnel
zwischen Nord-Süd-S-Bahn
und U-Bahn wurde angesprochen, hier ist
ebenfalls Besserung in Sicht.
Ein weiterer Kritikpunkt war die Lage und
Ausstattung der Bushaltestellen am Bahnhof
Friedrichstraße. Bei den Messungen der Umsteigewege
wurden hier die längsten Umsteigezeiten
ermittelt. Die Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung plant, die Bushaltestellen
auf die Südseite des Bahnhofs zu verlegen.
Eine auch von BVG und IGEB geforderte Zusammenlegung
von Bus- und Straßenbahnhaltestelle
sei allerdings sehr aufwendig. Der
wahre Grund ist wohl eher, daß man sich
nicht wagt, die erst vor wenigen Jahren gebaute
Haltestelle der Straßenbahn-Linien 1
und 50 so umzugestalten, daß dort auch Busse
halten können.
Die „unvoreingenommene Herangehensweise"
des mit der Untersuchung beauftragen
Ingenieurbüros ist beim Aufdecken von
Mängeln sehr hilfreich, da man dies allein
wegen der „Befangenheit" von Senatsverkehrsverwaltung,
Bezirksämtern, BVG, S-Bahn
oder Deutsche Bahn, von denen ja im Zweifel
der eine oder andere für die häufig unbefriedigenden
Situationen mitverantwortlich
ist, sicher nicht so erwarten kann. Kurzfristig
machbare Verbesserungen (beispielsweise
das Umsetzen von Bushaltestellen oder Anbringen
von Hinweisschildern) will man bei
diesen und den anderen Knotenpunkten
schnell in die Praxis umsetzen.
Zusage für Anbindung am S-Bahnhof
Tegel nicht eingehalten
Wie der tatsächliche „Gang der Dinge" bezüglich
der Verbesserung von Umsteigesituationen
in Berlin aussieht, wird an den bekannten
Beispielen S-Bahnhof Tegel und S-Bahnhof
Lichterfelde-West aber deutlich: Seit über
einem halben Jahrzehnt fahren die Busse am
S-Bahnhof Tegel vorbei und auch zum Fahrplanwechsel
am 5. November ist entgegen
den im Frühjahr getroffenen vollmundigen Erklärungen
aller Beteiligten mal wieder nichts
geschehen.
Am S-Bahnhof Lichterfelde West haben
die Bemühungen der IGEB aber nun zum Erfolg
geführt. Seit dem 5. November halten
die Busse der Linien X 11 und 111 nun endlich
in akzeptabler Entfernung zum S-Bahnhof.
Die IGEB-Vorschläge für die jetzt realisierten
Haltestellenstandorte sind schon im
SIGNAL 10/1987 nachzulesen!
Verbesserungen für Umsteiger?
Im Zweifelsfall eher 1 : 0 für den
Autoverkehr
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Was lange währt! Nach fünfzehn Jahren halten endlich die Busse näher am S-Bahnhof Lichterfelde West. Foto: Alexander Frenzel, November 2000 |
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Umsteigen am S-Bahnhof Baumschulenweg. Unnötige lange Umsteigewege vom und zum Bus 265. Foto: Alexander Frenzel, November 2000 |
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Nach der dritten Sitzung der „Umsteige-Plattform"
gibt die Zwischenbilanz nicht gerade
Anlaß für Euphorie: Wenn es um ÖPNV-Verbesserungen
geht, spielen sich auch am Plattformtisch
die üblichen Berliner Bedenkenträger
gegenseitig die Bälle zu, so daß sich an
vielen Umsteigepunkten wohl wenig verbessern
wird. Man kann es kaum glauben, aber
im Zweifel wird in Berlin auch weiterhin zugunsten
der Ladezone eines Döner-Ladens
und gegen die Verbesserung einer Umsteigebeziehung
entschieden.
An anderen Orten, wie zum Beispiel am S-Bahnhof
Friedrichshagen, wird zwar von allen
Beteiligten eingeräumt, daß das Umsteigen
zwischen S-Bahn und Straßenbahn-Linie
88 mangels Schutzwegen sehr gefährlich
ist. Es wird jedoch auf die Zukunft verwiesen,
in der dieser Knotenpunkt mit Lichtsignalanlagen
neu gestaltet werden soll. Wie aber bis
dahin die Umsteigesituation und die Sicherheit
der Umsteigenden verbessert werden
kann - auf diese Frage haben die Bedenkenträger
keine Antwort. Dieses Verhalten ist unverantwortlich.
BVG reiht sich in die Reihe der
Bedenkenträger ein
Deprimierend ist es, wenn die Verkehrsunternehmen
jegliche Verbesserungen ablehnen.
So kann die BVG zum Beispiel am Knoten
Allee der Kosmonauten/Rhinstraße nicht akzeptieren,
die Haltestellen hinter die Kreuzung
zu legen, damit die Fahrgäste alle in die jeweilige
Fahrtrichtung verkehrenden Züge auch
nutzen können. Und am Frankfurter Tor kann
sich die BVG nicht mit einer kleinen und
schnellen Verschiebung der bestehenden
Haltestellen an die Kreuzung anfreunden,
sondern denkt doch tatsächlich an eine aufwendige
Verlegung der Straßenbahntrasse in
die Mittelpromenade der Warschauer Straße.
Eine unsinnige und teure Idee, die noch aus
den Zeiten der Straßenbahn-Blockade unter
Ingo Schmitt stammt. Der Bezirk gestaltet
gerade diese Promenade für Fußgänger neu
und wird wohl kaum mit dem Verlust der Mittelpromenade
einverstanden sein. Und für die
Durchführung dieser Idee benötigt man dann
noch ein eigenständiges Planfeststellungsverfahren
- frühestens ab 2005. IGEB,
Abteilung Stadtverkehr
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