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Man steigt einfach ein. Dann kommt jemand, man sagt ihm, wohin
man will, er verkauft einem das günstigste Billet, steht auch noch
für Auskünfte bereit, hilft einem vielleicht wieder aus dem Wagen,
und am Ende der Tour guckt er, ob alles im Fahrzeug in Ordnung ist
und beseitigt gegebenenfalls den gröbsten Dreck.
So müßte es in der vielbeschworenen
Dienstleistungsgesellschaft zugehen.
Doch noch bevor deren Zeitalter so richtig
anbrach, verschwand der Beruf, der all
dies umschloß: Am 1. Oktober 1960 begann
bei der BVG (West) mit der Umstellung
der ersten beiden Buslinien auf Einmannbetrieb
der langsame Abschied vom
Schaffner, der sich bis zum 1. Mai 1981
hinziehen sollte, als es freilich lange schon
nur noch „Sitzschaffner" gab, an denen
die Fahrgäste vorbeizudefilieren hatten
(im Osten ging es etwas später los, dafür
war man viel schneller mit der Umstellung
fertig).
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Die Zugestiegenen bitte... Im Unterdeck eines Doppeldeck-Autobus der BVG (West) um 1963. Foto: BVG-Archiv, Repro aus: 150 Jahre Berliner Omnibus |
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Dabei war am Personal zu sparen
nichts Neues, vielmehr handelt es sich um
einen Trend, der sich durch das gesamte
zwanzigste Jahrhundert zieht: Wer beispielsweise
vor neunzig Jahren einen U-Bahnhof
betrat, traf dort auf - mindestens!
- einen Mann, der Fahrkarten verkaufte,
einen, der sie entwertete oder
kontrollierte, einen, der den Bahnsteig
beaufsichtigte und die Züge abfertigte,
die wiederum neben dem Fahrer noch
einen Zugbegleiter besaßen.
Schon in den zwanziger Jahren begann
man, erst einmal den Fahrkartenverkauf
zu rationalisieren, indem man die „Passimeter"
aufstellte, jene bis vor einigen Jahren
auf jedem U-Bahnhof vertretenen
Häuschen, an denen ursprünglich Billetts
gleichzeitig verkauft und kontrolliert wurden.
Inzwischen sind die Passimeter praktisch
vollständig verschwunden, und mit
ihnen die meisten Leute für den Verkauf
von Fahrkarten oder Infomaterial, ebenso
wie die Zugbegleiter und das Aufsichtspersonal
auf den Bahnsteigen. Übriggeblieben
ist, neben einigen Kontrolleuren
(zu welchen die Deutsche Bahn ihre
Schaffner am liebsten auch degradieren
möchte, indem sie den Fahrkartenverkauf
in den Zügen abschafft), bloß der Fahrer,
dessen Arbeitsplatz ein einsamer geworden
ist, ähnlich dem des Busfahrers, dem
man nach Fortfall des Schaffners weitere
Aufgaben aufgebürdet hat.
Doch während sich die Leute am Lenkrad
wohl leider, leider nicht wegrationalisieren
lassen, möchte man jene in den
Führerständen der U-Bahnen so bald wie
möglich einsparen.
Noch heißt es: Dann gibt es wieder
Zugbegleiter oder Schaffner oder womöglich
„Train Assistants" oder welch
schwachsinnigen Schwafelausdruck man
für jemanden finden wird, der im Zug
präsent ist, aufpaßt, helfen und Informationen
geben kann. Aber, so ist inoffiziell
bereits zu hören, in jedem Zug müßten
die ja nun auch nicht unbedingt mitfahren.
Wobei uns einfällt: Haben Sie eigentlich
schon viel davon bemerkt, daß seit einigen
Wochen wieder auf jedem U-Bahnsteig
Personal stationiert sein soll? Endlich
nicht mehr im Kabäuschen, sondern dauerpräsent
und stets ansprechbar? Eben.
Und so steht denn zumal der gelegentliche
Kunde, der doch gerade zur häufigen
Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs
animiert werden soll, einsam und ratlos
vor einem komplizierten Automaten, der
die Fahrscheine eines noch komplizierteren
Verbundtarifs verkauft (so er denn
funktioniert und man das passende Geld
hat). Hilfe gibt's, wenn nicht gerade Kontrolleure
in der Nähe sind (wohl die einzigen
krisensicheren Arbeitsplätze), bestenfalls
noch per Gegensprechverkehr von
einer quäkenden „Notruf- und Infosäule"
aus, die freilich auf dem Bahnsteig steht
- auf dem man ohne gültigen Fahrausweis
gar nicht herumlaufen dürfte.
Und wieder einmal wird man mit dem
Grundwiderspruch der Dienstleistungs- und
Wohlstandsgesellschaft konfrontiert:
Zwar kann nur der individuelle Service,
die persönliche Ansprache, durch keine
Maschine ersetzt werden. Doch da die
menschliche Arbeitskraft immer teurer
wird, ist die einzige Dienstleistung, die
man sich am Ende noch leisten kann,
jene, die man selbst erbringt. Jan Gympel
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