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Seit Jahren wird in Berlin darüber gestritten, wie die Fahrgäste bei
zeitweiligen Umleitungen, Linienverkürzungen, SEV, Pendel verkehren etc. am
besten zu informieren sind, denn nicht-fahrplanmäßige Veränderungen mit ihren
oft zusätzlichen Umsteigezwängen und z.T. spürbaren Reisezeitverlängerungen
haben einen erheblichen abschreckungseffekt, insbesondere auf
Gelegenheitsfahrgäste. Das Ziel ist klar: Die Information soll vollständig
und verständlich sein, alle erreichen und dabei zugleich um Verständnis werben.
Doch wie ist das erreichbar? Genau das ist der Streitpunkt. Unstrittig
ist nur,
- daß die Belastung der Fahrgäste bei nicht-fahrplanmäßigen
Verkehrsangeboten durch gute Information bestenfalls gemildert,
aber nicht auf gehoben werden,
- daß jedes noch so gute Informationssystem in einigen Sondersituationen
problematisch oder gar unbrauchbar ist,
- daß man sich dennoch dringend für ein System entscheiden muß, damit im
VBB-Bereich endlich alle Verkehrsmittel und -unternehmen eine einheitliche
Fahrgastinformation und Fahrzeugbeschilderung bieten.
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Unzureichende Fahrgastinformation bei der BVG: Es ist nicht zu erkennen, daß von dieser SEV-Haltestelle nur Ersatzbusse für die Tram-Linie 20 verkehren, während die Tram-Linie 23 planmäßig von der Mittelinsel abfuhr. Foto: I. Schmidt |
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Vorbildliches Dresden: Weil die planmäßigen Endstellen benannt sind, läßt kein Fahrgast den Zug aus Unkenntnis durchfahren. Gleichzeitig wird er aber über den SEV auf einem Teilabschnitt informiert. Foto: I. Schmidt |
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Hätten Sie es gewußt? Der Bus auf dem oberen Bild ersetzte als SEV die Straßenbahnlinien 5 und 15 in Richtung Zingster Straße bzw. Falkenberg. Das Bild zeigt die Haltestelle am S-Bf Landsberger Allee, an der im Sommer 1995 die SEV-Linien 5,6,7,15, N55 und N93 hielten. Foto: I. Schmidt |
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Positiv! Eine derartige Beschilderung mit leuchtend roter Hervorhebung der abweichend von der normalen Linienführung angefahrenen Haltestellen stellt eine einfache und gleichzeitig umfassende Fahrgastinformation dar Foto: I. Schmidt |
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Gelungene Überraschung. Mit dieser von einem BVG-Mitarbeiter entworfenen Zusatzinformation wurden die Fahrgäste im November auf dem U-Bf Paracelsus-Bad auf den richtigen Weg geleitet. Doch die BVG sollte sich nicht darauf verlassen, daß kreative Mitarbeiter fehlende Info-Tafeln ersetzen. Foto: I. Schmidt |
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Foto: Marc Heller |
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S- und U-Bf Alexanderplatz an einem Abend im Februar: Die von häufigem Pendelverkehr geplagten Berliner Fahrgäste werden zusätzlich durch unzureichende und uneinheitliche Information belastet. Während bei der S-Bahn an den Zügen und auf den Bahnsteigen der Zielbahnhof des Pendelzuges anzeigt wird, ist bei der U-Bahn der Zug als Pendelzug gekennzeichnet, während das Zielschild auf dem Bahnsteig das planmäßige Ziel “Leinestraße” zeigt. Foto: Marc Heller |
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Aber weil umstritten ist, wer sich wem anpassen muß, damit die
Einheitlichkeit erreicht wird, scheint dieses Ziel noch in weiter Ferne
zu liegen.
Wegen der bei der Straßenbahn oft besonders gravierenden Auswirkungen für die
Fahrgäste, z.B. durch veränderte Endstellen oder grundlegend vom normalen
Linienverlauf abweichende Wegführungen, hält es der Berliner Fahrgastverband
für geboten, den Qualitätsstandard für die Fahrgastinformation über das
Verkehrsmittel Straßenbahn zu definieren.
Fahrzeugbeschilderung
Um unnötige Irritationen bei Fahrgästen zu vermeiden. sollte - sofern
gleichzeitig bestimmte Zusatzinformationen gegeben werden - bei allen
Verkehrsmitteln das planmäßige Fahrtziel am Fahrzeug und bei S-
und U-Bahnhöfen außerdem auf den Zugzielanzeigern der Bahnsteige angezeigt
werden. (Hierbei setzen wir voraus, daß das planmäßige Ziel mit Umsteigen
bzw. auf Umwegen in zumutbarer Zeit erreichbar ist.) Auf das bisher
insbesondere bei der S-Bahn praktizierte Verfahren, das tatsächlich
angefahrene Fahrtziel anzuzeigen, sollte verzichtet werden. Erinnert sei
beispielsweise an das Schicksal zahlloser irritierter Berlin-Touristen, die
im Sommer auf Bahnhöfen der Stadtbahn vergeblich auf Züge zum Flughafen
Schönefeld warteten, weil die Züge der S9 als Zielschild "Grünau" führten
und Lautsprecherdurchsagen mal wieder ein reines Glücksspiel waren. Würde
grundsätzlich das planmäßig angefahrene Fahrtziel angezeigt werden, dann
würde kein Fahrgast seinen Zug aus Unkenntnis passieren lassen. Natürlich müßten den Fahrgästen gleichzeitig durch hinreichende Fahrzeugbeschildcrung (z.B. Zielschild "S9 Flughafen Schönefeld",
Zusatzschild: "Umsteigen in Grünau"), zusätzliche Lautsprecherdurchsagen und
schriftliche Informationsträger im Bahnsteig- bzw. Maltestellenbereich die
Abweichungen vom planmäßigen Betrieb verdeutlicht werden. Dazu gehören im
Bereich der S- und U-Bahn Aushänge auf allen Bahnhöfen, bei der Straßenbahn
an allen Haltestellen der betroffenen Linie(n). Selbstverständlich muß in
einem (künftigen) Verkehrsverbund ein Verkehrsmittel - bei räumlichem
Bezug - auch über die Veränderungen der anderen Verkehrsmittel informieren.
Bei der Straßenbahn ist eine von außen erkennbare Seitenbeschilderung
(mit Darstellung der abweichenden Linienführung in rot) unverzichtbar. Dies
gilt auch für die Innenseite der Seitenbeschilderung, die eine
Haltestellenauswahl mit Darstellung der abweichenden Linienführung in rot
zeigen soll - wie bisher üblich. Für diese notwendigen Informationen sind
keine teuren Hightech-Installationen erforderlich. Das konventionelle
Steckschild ist wegen seiner Mehrfarbigkeit ein hervorragend geeignetes
Medium. Erforderlich ist dafür bei modernisierten Tatra-Zügen aber eine
Anbringungsmöglichkeit für Seitenschilder (auch für Normalbeschilderung)
auf der rechten Fahrzeugseite (bisher nur links) und für die
Umleitungsschilder auch bei den Neubauzügen GT6.
An der letzten regulär angefahrenen Haltestelle bzw. der Umsteigehaltestelle
zum SEV sollte zusätzlich per Lautsprecherdurchsage auf die Linienabweichung
und auf die Lage der Abfahrthaltestelle des SEV hingewiesen werden. Eine
alleinige Information der Fahrgäste mittels Lautsprecherdurchsagen reicht
erfahrungsgemäß nicht (Gründe: technische oder akustische Mängel, Personal,
Verständlichkeit für fremdsprachige Fahrgäste etc.).
Haltestelleninformation
Bei S- und U-Bahn sollte durch weithin sichtbare und markante Aushänge
auf allen Bahnhöfen des jeweiligen Verkehrsmittels über die
Betriebseinschränkungen unterrichtet werden.
Bei Straßenbahn und Bus sollten farbige Sonderaushänge in den
Fahrplankästen jeweils an allen Haltestellen im Linienverlauf erfolgen. An
allen nicht bedienten Haltestellen sind fest installierte Schilder mit den
entsprechenden Fahrgastinformationen, in der Regel ergänzt um eine graphische
Darstellung des Standortes der SEV-Haltestelle, anzubringen. Die Nummern
bzw. Linienreiter der nicht verkehrenden Linien sind an der Haltestellensäule
dauerhaft auszustreichen, aber
wegen des Informationsgehaltes nicht zu demontieren. Ggf. sollten nicht
bediente Haltestelleninseln durch Baustellengitter abgesperrt werden.
Die SEV-Haltestellen sind durch entsprechende Linienreiter und den
Zusatz "Straßenbahn- (bzw. S-/U-Bahn-)Ersatzverkehr" zu kennzeichnen.
Selbstverständlich ist auch ein Aushang des SEV-Fahrplanes erforderlich. Um
Fahrgästen an Umsteigepunkten zum Schnellbahnnetz Umwege zu ersparen,
sind ggf. bereits im Bereich von S- oder U-Bahnhofs-Zugängen Hinweistafeln
auf die veränderten Standorte der SEV-Haltestellen anzubringen.
Eine regelmäßige Überprüfung der ausgehängten Fahrgastinformationen ist
unverzichtbar. Darüber hinaus sollte in den ersten Tagen nach Einführung
des SEV an den Hauptumsteigepunkten geschultes Personal den Fahrgästen für
Auskünfte zur Verfügung stehen.
SEV
Eingesetzt werden sollten nur SEV-taugliche Busse. Wegen der langen
Haltestellenaufenthaltszeiten sind Doppeldeckerbusse dafür in der Regel
ungeeignet. Im Tagesverkehr ist möglichst der Einsatz von Gelenkbussen
vorzusehen, notfalls können zwei Zweiachser eingesetzt werden. Busse des
Typs "DenOudsten" sind wegen ihrer Innenraumaufteilung für den SEV
ungeeignet und sollten grundsätzlich nicht eingesetzt werden.
Im Zielschild sollten die SEV-Fahrzeuge primär nicht das Fahrtziel, sondern
auf jeden Fall das Wort Straßenbahn- (bzw. S- oder U-Bahn-)Ersatzverkehr
führen. Auf einem Zusatzschild könnte dann auch das Fahrtziel angezeigt
werden. Da nur bei den Steckschildern im Ikarus-Gelenkbus die Auflistung
mehrerer Liniennummem erfolgen kann, ist bei den anderen Bustypen in der
Frontscheibe ein Zusatzschild mit der Auflistung aller ersetzten Linien
zuführen.
Bei der Planung des Schienenersatzverkehrs ist selbstverständlich auf
eine genügende Leistungsfähigkeit (auch hinsichtlich des Sitzplatzangebotes),
auf optimale Haltestellenlagen sowie möglichst kurze Linienführungen
zu achten. Im Vorfeld sind alle sinnvollen Beschleunigungsmaßnahmen wie
Abmarkierungen, Sondersignalgeber usw. zu realisieren. Im täglichen Betrieb
muß das Gewähren von Umsteigeanschlüssen (im Zuge der betroffenen Linie)
Priorität haben, gegebenenfalls auch zu Lasten einer exakten
Fahrplaneinhaltung.
Sonstige Maßnahmen
Durch geeignete Fahrgastinformationen sind die Fahrgäste rechtzeitig über
Linieneinschränkungen, Umleitungen etc. zu informieren. Neben den bereits
praktizierten Informationen über die Presse und das BVG-Info-Telefon sollte
dies unbedingt auch durch die weit verbreitete Kundenzeitschrift VBB-aktuell
erfolgen. In den betroffenen Linien sollten rechtzeitig vor Beginn der
Verkehrseinschränkungen spezielle Informationsblätter ausgelegt werden.
Im übrigen ist gründlicher als bisher zu prüfen, ob nicht das Bauen
"unter dem rollenden Rad" möglich ist, so daß viele Probleme erst gar nicht
entstehen. Betriebseinschränkungen wie z.B. die im letzten Sommer
praktizierte unnötige Einstellung der Straßenbahnlinie 6 auf dem Abschnitt
zwischen Petersburger und Chausseestraße sind selbst bei optimaler
Fahrgastinformation nicht zu rechtfertigen.
IGEB
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