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Der nach den Prognosen für die Reisendenzahlen künftig zweitwichtigste
Berliner Fernbahnhof soll zugleich Berlins erster "Autofahrerbahnhof" werden.
Gemeint ist der geplante Fernbahnhof "Papestraße", künftig wahrscheinlich
"Südbahnhof" genannt.
Während die Parkhausplanungen für den neuen Fernbahnhof immer gigantischer
werden, will die Deutsche Bahn AG die nach dem Hannoverschen Vorbild
"Passerelle" genannte Fußgängerverbindung zwischen den Bezirken Schöneberg und
Tempelhof unter dem Bahnhof hindurch nicht mehr realisieren, obwohl diese aus
einem städtebaulichen Wettbewerb als Bedingung für den Bahnhof hervorgegangen
war und für die städtebauliche Entwicklung des Bahnhofsumfeldes sehr
wichtig ist.
Offenbar hat die Bahn AG den Blick für ihre Kunden und zugleich jegliches
Gespür für eine zeitgemäße Verkehrs- und Umweltpolitik verloren. Während sie
bereits ist, 120 Mio DM für zwei Parkhäuser mit insgesamt 2.400 Stellplätzen
(also 50.000 DM je Stellplatz!) zu investieren, sind ihr 50 Mio DM für eine
70 m lange Fußgängerunterführung zur Verknüpfung von zwei Stadtteilen und
damit zur besseren Erschließung des Bahnhofsumfeldes zu viel. Hinzu kommt,
daß der von der Bahn genannte Preis von 50 Mio DM offensichtlich mit
Absicht zu hoch angesetzt wurde, denn dafür könnten selbst im extrem
teueren Berliner U-Bahn-Bau immerhin 250 m U-Bahn-Tunnelstrecke realisiert
werden.
Glaubt die Bahn allen Ernstes, daß sie mit dem Angebot von 2.400 Stellplätzen
auch nur einen zusätzlichen Autofahrer auf die Schiene bringt? Ist nicht diese
Zahl, die aus völlig überzogenen Verkehrsprognosen von 1991 abgeleitet ist,
der tatsächlichen Situation, gekennzeichnet durch Bevölkerungsstagnation,
einem Beitritt Berlins zum "Netzwerk Gesunde Städte" und den Bemühungen zum
Energiesparen und Schadstoffabbau, diametral entgegengesetzt? Glaubt die Bahn
AG tatsächlich, daß ihre Stellplätze kostendeckend vermietet werden können,
wenn die "Mantelflächen" (Büros, Hotel, Gewerbe, Einkaufszentrum u.ä.)
weitgehend entfallen? Werden dann nicht die Kosten für die Stellplätze auf
alle Reisenden (also auch die ohne Auto) umgelegt? Sind den Autofahrer die
besseren Bahnkunden, obwohl über 50% der Berliner Haushalte über kein Auto
verfügen und somit auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen sind? Sind
also Stadtbewohner ohne Auto für die Bahn AG jetzt Menschen zweiter Klasse,
denen man künftig einen Bahnhof in einer Autolandschaft mit Nebeneingang
für Menschen ohne Auto zumuten darf?
Hier werden von der Bahn AG als Investor die Ressourcen der Stadt, also die
Lagegunst des Bahnhofs, hemmungslos abgeschöpft, ohne die Stadtentwicklung
durch eine Infrastrukturmaßnahme, von der sie selbst profitieren würde, zu
unterstützen. Im Gegenteil: Es werden durch die gigantischen Parkhäuser neue
Probleme geschaffen. Die Bahn AG ist ein Dienstleistungsunternehmen. Sie lebt
nicht nur von den Stadtbewohnern, sondern ist ihnen auch verpflichtet. Und
der Senat sollte der DB AG deutlich zeigen, daß die städtische Planungshoheit
nicht nur ein Papiertiger ist und auch für das Unternehmen Bahn gilt.
Bürgerinitiative Westtangente
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