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Grafik: VBB |
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An den Wochenenden und feiertags zwischen
9 und 11 Uhr wird es voll in den Zügen,
die von Berliner Bahnhöfen in den Spreewald,
in die Uckermark, an die Müritz und
und in Richtung Ostsee fahren: Zahlreiche
Ausflügler nehmen auch ihr Fahrrad mit, um
von einem der Bahnhöfe in Brandenburg
oder Mecklenburg-Vorpommern eine Radtour
zu starten. Trifft der Zug zur Abfahrt am
Bahnhof ein, bricht oft Hektik aus: Wo ist die
richtige Tür zum Fahrradbereich? Komme
ich mit dem Rad hinein? Ist genug Platz da
für alle? Es gibt Gedrängel, die Aufenthaltszeit
der Züge verlängert sich und vereinzelt
herrscht schlechte Stimmung: „Können Sie
mal aufstehen?!“, „Bis wohin fahren Sie?“,
„Können Sie sich nicht woanders hinsetzen?!“,
diskutieren die Fahrgäste untereinander.
Schnell kommt die Frage auf: „Warum können
die nicht einfach einen Waggon mehr
anhängen?“
Zusätzliche Kapazitäten
Um mehr Platzkapazitäten auf den stark
frequentierten Linien zu schaffen, hat der
VBB im Auftrag der Länder Berlin und Brandenburg
bereits einige Zusatzzüge bestellt:
Zusätzlich zum normalen Taktfahrplan fährt
ab Berlin Hbf: 8.14 Uhr ein Zug nach Warnemünde;
10.00 Uhr ein Zug nach Prenzlau;
10.17 Uhr ein Zug nach Neustrelitz und jeweils
nachmittags wieder zurück nach Berlin.
Auf den regulären Linien RE 3 und RE 5
befindet sich in der Saison zudem ein spezieller
Fahrradwagen als fünfter Wagen, der
die Fahrradstellplätze je Zug von 36 auf 72
verdoppelt.
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Oben: RE 2 mit Verteilung der Radfahrer auf die Zugenden, Rollstuhlfahrer auf die Mitte. Unten: Wagenreihung RB 10 mit Darstellung unterschiedlicher Zuglängen. Grafik: VBB |
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Darüber hinaus hat sich der VBB für die
diesjährige Sommersaison mit dem Pilotprojet
„Rad im Regio“ ein ganzes Bündel
an weiteren Maßnahmen für die ausflugsstarken
Linien RE 2, RE 3 und RE 5 überlegt
(umlaufbedingt auch RE 4), die die Fahrradmitnahme
vereinfachen und lenken
sollen.
Verteilung im Zug
Das Hauptaugenmerk von Rad im Regio
liegt darauf, Stress und unnötige Verzögerungen
bei der Einstiegssituation zu vermeiden
und im Zug klarere Zuordnungen zu
schaffen. Die Mitte des Zuges ist bereits für
Rollstuhlfahrer vorgesehen. Hier befinden
sich der besondere Mittelwagen mit mobiler
Einstiegshilfe und ein barrierefreies WC.
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Im Fahrradwagen der Linien RE 3 und RE 5 bietet das Unterdeck Platz für 36 Fahrräder. Foto: VBB |
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Es bietet sich daher an, am Anfang und
am Ende eines Zuges spezielle Bereiche zu
schaffen, die für die Fahrradmitnahme ausgelegt
sind. Dadurch bleibt auch bei umgekehrter
Reihung des Zuges die Position der
Fahrradbereiche erhalten. Bei den Linien
RE 3 und RE 5 befindet sich zudem an einem
Ende bereits der zusätzliche Fahrradwagen,
in dem das komplette Untergeschoss leergeräumt
ist und sich nur an einer Fensterseite
Klappsitze befinden.
Anpassung bei Klappsitzen
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Mit Riegeln versperrte Klappsitze auf den Linien RE 3 und RE 5 Foto: VBB |
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Mehrzweckabteil RE 2 und RE 4 mit ausgebauten Sitzen und Bodenmarkierung. Foto: ODEG |
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Das Prinzip, eine Fensterseite ohne Sitzmöglichkeit
zu gestalten, wurde im Pilotprojekt
nun auf die übrigen „Enden“ der Züge auf
den Linien RE 2, RE 3, RE 4 und RE 5 übertragen.
Dazu wurden im Steuerwagen des RE 3
und RE 5 die Klappsitze durch übergestülpte
Bügel versperrt, so dass sie sich nicht öffnen
lassen. In den Zügen der Bauart KISS, auf
den Linien RE 2 und RE 4, werden die Klappsitze
an beiden Steuerwagen halbseitig ausgebaut.
Dadurch wird mehr Stellplatzkapazität
für die Fahrräder geschaffen. Auf den
RE 5-Zügen von und nach Stralsund können
diese Maßnahmen leider jedoch nicht in
allen Zügen umgesetzt werden. Bedingt
durch die noch fehlenden Steuerwagen
vom Typ „Twindex“ stehen hier auf Grund
der Lieferverzögerung des Herstellers Bombardier
noch nicht ausreichend Waggons zur
Verfügung.
In den übrigen Zügen der Linien RE 3 und
RE 5 werden insgesamt sieben Sitzplätze
durch das Versperren mittels Bügel unbenutzbar
gemacht. Das entspricht 1,4 Prozent
der Gesamtsitzplatzanzahl.
In den Zügen des RE 2 und RE 4 werden
18 Sitzplätze ausgebaut. Das entspricht 4,2
Prozent der Sitzplätze. Gerade auf der Linie
RE 2, die zu einigen Zeiten sehr stark
nachgefragt ist, kann diese Maßnahme zur
Verärgerung von Fahrgästen führen. Aus
diesem Grund wird der VBB diese Maßnahme
aufmerksam beobachten. Ziel ist, dass
sich die Gesamtsituation im Zug verbessert.
Nehmen die Fahrgäste nun bevorzugt ihr
Fahrrad in den dafür vorgesehenen Bereich
mit, so kann in den übrigen Bereichen wiederum
eine Verbesserung der Sitzplatzwahl
stattfinden. Ob dies in der Praxis
tatsächlich so funktioniert, wird sich in der
Pilotphase herausstellen. Der Ursprungszustand
kann im Anschluss relativ unkompliziert
wiederhergestellt werden.
Zugleich wird getestet, welche Methode
– Versperren oder Ausbau von Klappsitzen
– praktikabler ist. Der Vorteil der Sperre
besteht vor allem darin, dass diese relativ
einfach in der Werkstatt zu demontieren ist.
Allerdings können vorhandene aber nicht
nutzbare Klappsitze zu Unverständnis bei
den Fahrgästen beitragen. Der Klappsitzausbau
hat den Nachteil, dass er nicht beliebig
oft wiederholbar ist, da bei mehrmaligen
Aus- und Einbau die Bolzen verschleißen
würden.
Kommunikation des
Vorne/Hinten-Prinzips
Dieses Prinzip: spezielle Fahrradbereiche
immer im ersten und im letzten Wagen und
in der Mitte der Wagen mit barrierefreiem
WC und mobiler Einstiegshilfe wird auf unterschiedlichen
Kanälen deutlich gemacht.
Fahrzeugskizzen in der VBB-App
In der VBB-App „Bus&Bahn“ sind bei der
Verbindungsabfrage Fahrzeugskizzen hinterlegt,
die die Position der Fahrradbereiche
im Zug anzeigen. Langer Doppelstockzug,
einzelner Dieseltriebwagen oder doch zwei
gekuppelte Elektrotriebzüge? Hier kann der
Fahrgast vorab sehen, wie der Zug aussehen
wird. Zunächst wird diese Anzeige nur
linienscharf ausgegeben. Dies führt dazu,
dass bei jeder Linie entschieden werden
musste, welche Zugzusammenstellung
kommuniziert wird. Beispielsweise wird auf
der RE 7-Linie überwiegend mit einem 5-teiligen
Elektrotriebzug gefahren. Lediglich die
Fahrten morgens ab Dessau Richtung Berlin
und nachmittags ab Berlin Richtung Belzig
werden als gekoppelte 5-Teiler + 3-Teiler
gefahren. Diese Abweichungen sind in einer
kleinen Grafik schwer darstellbar. Auf der Linie
der RB 14 werden dagegen in der Woche
5+3-Teiler gefahren, am Wochenende verkehrt
nur ein 5-Teiler. Dies ist relativ leicht
umsetzbar, wie die Abbildung auf Seite 13
verdeutlicht.
In zukünftigen Versionen der App soll der
Wagenstand auch fahrtenscharf angezeigt
werden können. Später sollen sogar Echtzeitdaten
eine exakte Zugdarstellung ermöglichen,
inklusive fehlender Wagen oder
umgekehrt gereihter Züge.
Wagenstandsanzeigen auf den
Bahnhöfen
Die für die digitale Kommunikation entwickelten
Fahrzeugskizzen werden ebenfalls
auf den Bahnhöfen der Pilotlinien ausgehangen.
Dort, wo eine Bahnsteigabschnittsmarkierung
existiert, mit Angabe des Haltebereiches;
an den übrigen Bahnhöfen mit
einem roten Punkt, der den Standort des
Betrachters zur Position des Zuges verdeutlicht.
Fahrgäste können sich so mit ihren
Fahrrädern bereits vor Einfahrt des Zuges
schon orientieren und so platzieren, dass ein
entspanntes Einsteigen möglich ist.
Zusätzlich wurde in den Vitrinen der Pilotbahnhöfe
Berlin-Gesundbrunnen und
Lübbenau eine Ausschilderung der speziellen
Fahrradbereiche aufgehängt. Es bestand
zunächst die Idee, auch die Bereiche,
an denen das Fahrradabteil hält, durch eine
Markierung auf dem Boden der Bahnsteige
zu kennzeichnen. Das wurde jedoch
verworfen, da ein stetiges Aufbringen
und Abtragen einer Bahnsteigmarkierung
zu Saisonbeginn und Saisonende seitens
des Stationsbetreibers als unpraktikabel
angesehen wurde. Zugleich hätte deutlich
gemacht werden müssen, dass sich dieser
markierte Fahrradbereich nur auf bestimmte
Linien bezieht. So halten beispielsweise
in Berlin-Gesundbrunnen ebenfalls die
Züge des Fernverkehrs sowie die Linien
RE 6, RB 27 und RB 66 an ein und denselben
Bahnsteigen.
Markierungen an und in den Zügen
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Kennzeichnung der ODEG-Mehrzweckabteile. Foto: ODEG |
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Ist der Zug eingefahren, sollen große Piktogramme
an den Zügen dem Fahrgast helfen,
schnell die Fahrradbereiche zu finden. Hierzu
werden ca. 4 Meter breite und 2 Meter
hohe Fahrradpiktogramme auf die Außenhaut
der Züge aufgebracht. Ebenfalls wird
auf dem Wagen, der die große barrierefreie
Toilette mitführt, ein großes Rollstuhlsymbol
aufgeklebt. Für die Umsetzung der Zugbeklebung
mussten einige Kompromisse
eingegangen werden:
Zum einen sollten die Piktogramme
möglichst gut erkennbar, also möglichst
groß sein, zum anderen sollten sie aber so
wenig wie möglich Fensterfläche verdecken.
Entschieden wurde, die Piktogramme
unten am Fahrzeug von der Aufschrift betrieblicher
Merkmale wie Wagennummer
und Fristablauf zu begrenzen und oben
durch die obere Fensterreihe, die im Sinne
eines freien Durchblicks nicht überklebt
werden soll. Nach rechts und links wird der
Platz durch die Fahrtzielanzeiger und die
Tür begrenzt.
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Beschilderung des Halteplatz des Fahrradbereiches. VBB |
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Zur guten Erkennbarkeit gehört aber
nicht nur die Größe, sondern auch der
Farbkontrast zur Fahrzeuglackierung. Was
bei den roten DB-Zügen mit weißen Absetzungen
gut funktioniert, ist bei den ODEG-Farben
etwas aufwändiger. Es musste ein
Kontrast zu Weiß und Opal-Grün gefunden
werden, der gleichzeitig das bestehende
Farbschema des Zuges nicht beeinträchtigt,
d. h. keine neue dritte Farbe sollte das
Farbspiel stören. Dies wird nun erreicht,
indem das Fahrradpiktogramm die beiden
bestehenden Farben aufgreift. Dabei
bestand die Wahl, einerseits eine Lochfolie
zu verwenden, die dann allerdings das
komplette Fenster überkleben würde, oder
eine undurchsichtige Folie zu verwenden,
die nur dort die Glasscheibe überdeckt, wo
tatsächlich etwas abgebildet wird (zum
Beispiel Reifen des Rades). Gemeinsam mit
der ODEG fiel die Entscheidung gegen die
Lochfolie, da dies im Gesamteindruck den
Ausblick weniger beeinträchtigt bzw. ein
großflächiges Lochmuster eher unangenehm
ist.
Fahrradleihstationen in Berlin und
Brandenburg
Es muss nicht immer das eigene Rad sein!
Im Land Brandenburg gibt es an zahlreichen
Bahnhöfen im Umkreis von 1000-Metern –
und damit in weniger als 10 Minuten erreichbar
– regionale Fahrradverleiher, die auch
am Wochenende geöffnet haben. Der VBB
hat für das Pilotprojekt mehr als 250 Verleihstationen
in einer zentralen Datei zusammengeführt
und diese auf der VBB-Livekarte
(www.VBB.de/livekarte) dargestellt. Die
Komplettliste ist zusätzlich nach Ortsnamen
sortiert auf der VBB-Webseite zum Download
abrufbar. Zu Beginn der Saison wurde
jeder Verleiher im Einzelnen nochmals auf
Aktualität des Datenbestandes überprüft.
Im Berliner Stadtgebiet werden die Verleiher
DB Rent (Call a Bike) und Nextbike angezeigt.
Eine derartige Zusammenstellung
dürfte für Berlin und Brandenburg derzeit
einmalig sein.
Zusätzlich wurden in einem speziellen Liniennetz
alle Bahnhöfe mit einem Fahrradsymbol
gekennzeichnet, die im 1000-Meter-Umkreis einen Fahrradverleiher ausweisen.
Der Flyer liegt in den Zügen auf den Pilotlinien
aus und kann ebenfalls auf der VBB-Homepage
(VBB.de) heruntergeladen werden.
…und nach dem Pilotversuch?
Die Maßnahmen auf den Stationen sowie die
Beklebungen am und im Zug einschließlich
Ausbau/ Versperrung der Klappsitze bleiben
zunächst bis zum Ende der Herbstferien
2016 bestehen. Das Projekt wird von einer
umfassenden Evaluation mit Befragung der
Fahrgäste, der Kundenbetreuer sowie des
Stationspersonals begleitet. Hierfür werden
vom VBB unabhängige Marktforschungsinstitute
beauftragt. Wenn das Projekt Rad
im Regio bei den Fahrgästen gut ankommt,
ist geplant, bei künftigen Ausschreibungen
diese Maßnahmen zur Verbesserung der
Fahrradmitnahme als Anforderungen in die
Vergabeunterlagen mit aufzunehmen.
Weitere Informationen zum Pilotprojekt unter:
VBB.de/RadimRegio
Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg VBB
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