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Pop-up Fahrradspur in der Charlottenburger Kantstraße mit Mittel-Parken. Foto: Florian Müller |
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Was aber ist „Pop-up“? Es ließe sich übersetzen
mit „plötzlich auftauchen“ oder „aus
dem Boden schießen“. Bei den Stores, also
Läden, handelt(e) es sich um provisorisch
anmutende Geschäfte, regelmäßig in Szenebezirken,
die oft nur für eine überschaubare
Zeit eingerichtet werden beziehungsweise
wurden.
Nun haben wir äußere Umstände, die in
manchen Berliner Innenstadtbezirken die
Verwaltung so auf Trab bringen, dass auf
Hauptstraßen der bisherige Park- in einen
Fahrradstreifen umgewidmet wird. Gelbe
Klebefolien zum Markieren, links elegante
rot-weiße Baustellenbaken – fertig ist der
Radweg. „Pop-up“ eben. Da staunt der Laie
und der Fachmann wundert sich, zu welchen
Leistungen die Berliner Verwaltung
fähig ist. Und offenbar ist beabsichtigt, im
Zuge des Mobilitätsgesetzes einen Großteil
dieser Radwege beizubehalten. Dies kann
man begrüßen und hoffen, dass dann auch
zügig eine stadträumliche Gestaltung erfolgt,
die die rot-weißen Baustellenbaken
nicht zum Dauerzustand werden lässt. Man
staunt aber auch, wie es, wenn wir das Wort
gebrauchen dürfen, der Radverkehrslobby
dieses Mal gelungen ist, ihre Interessen
durchzusetzen. Offenbar ist der Gralshüter
der Autofahrenden, der ADAC, selber überrascht,
denn den großen Aufschrei über
wegfallende Parkplätze und/oder Fahrspuren,
und nur so können diese Radwege ja
eingerichtet werden, haben wir nicht vernommen.
Wo aber bleibt der „Pop-up“-Gedanke
beim ÖPNV, namentlich der BVG? Es soll ja
nicht-autofahrende Menschen geben, die
ihre Wege aus den verschiedensten Gründen
nicht mit dem Fahrrad machen können
oder wollen. Oder diejenigen, die mal das
Fahrrad, mal den ÖPNV und vielleicht sogar
auch mal ein Auto benutzen.
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Pop-up Fahrradspur am Schöneberger Ufer in Tiergarten. Foto: Florian Müller |
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Hier hat sich die politische Führung
scheinbar verabschiedet und ihre Anstalt
öffentlichen Rechts gewähren lassen: Abgeklebte
Busfahrpläne, die Kundinnen und
Kunden ohne Smartphone ratlos zurücklassen
oder stark ausgedünnte U-Bahn-Fahrpläne,
die genau das verursachen, was wir
gerade vermeiden sollen: Nähe.
Zugegeben: es braucht gegenwärtig womöglich
keinen 5-Minuten-Takt auf der U 3
nach Krumme Lanke oder der U 8 nach Wittenau.
Vielleicht auch nicht auf der U 7 nach
Spandau, weil da eine für viele schnellere
Alternative in Form des Regionalverkehrs
und der S-Bahn besteht. Aber warum gab es
auf den zentralen Abschnitten der U-Bahn-
Linien keine regelmäßig verkehrenden
„Einsetzer“, die den 5-Minuten-Takt in den
auch in der Krise relativ stark nachgefragten
Innenstadtbereichen sicher stellten? Logistisch
zu aufwendig? Jedenfalls nicht „Popup“,
sondern eher „Schema F“. So wirkte es
jedenfalls für den Außenstehenden.
Und nachdem
man sich in der politischen
Führung in
bezug auf den Radverkehr
auf das Mobilitätsgesetz
beruft,
wird es hohe Zeit,
dass Gleiches auch
für die Nutzerinnen
und Nutzer des
ÖPNV gilt! Sicher, es
kann keine „Pop-up
i2030“- oder „Popup-
Straßenbahn“-
Projekte geben –
leider. Aber schnell
umzusetzende Maßnahmen
wie Ampelvorrangschaltungen
für Bus und Straßenbahn
oder, noch einfacher, die Einrichtung
neuer Busspuren sollten jetzt möglich sein.
Damit die nach wie vor dringend notwendige
Verkehrswende vorankommt. Zum einen,
um den knappen Platz in den Ballungszentren
intelligenter zu nutzen als in den
vergangenen sechzig Jahren. Zum anderen,
und das ist noch wichtiger, der durch die
Menschheit im wahrsten Sinne des Wortes
befeuerte Klimawandel, der uns nach Lage
der Dinge vor ganz andere Herausforderungen
stellen wird als die derzeitige Krise.
Möchten wir uns ausmalen, was passiert,
wenn, um nur einen Aspekt zu nennen, nicht
nur das Hygienepapier knapp wird, sondern
infolge der Trockenheit das Trinkwasser?
Lieber nicht.
[Anmerkung IGEB] Am 27. April 2020 forderte der
Berliner Fahrgastverband IGEB in einer
Pressemitteilung „Pop-up-Busspuren“.
Über die IGEB-Forderung berichtete am
nächsten Tag auch „Neues Deutschland“
und schrieb dann: „Die Senatsverkehrsverwaltung
reagiert äußerst zurückhaltend
und spät auf nd-Anfrage. ‚Im
Gegensatz zur Einrichtung von Radfahrstreifen,
die überall eingerichtet werden
können, ist eine logische Voraussetzung
für die Anordnung von Bussonderfahrstreifen
immer eine Mindestbusfrequenz
pro Stunde – bei Radfahrstreifen
steht dagegen der Schutz schwächerer
Verkehrsteilnehmer im Vordergrund‘,
heißt es. Allein deswegen sei ein ‚Pop-
Up-Verfahren‘ wie bei den pandemieresilienten
Radfahrstreifen bei Busspuren
nicht in gleicher Weise möglich.“
Wie gut, dass die Senatsverkehrsverwaltung
immer eine rechtliche Begründung
findet, warum sie für die Berliner Fahrgäste
leider nichts tun kann. Michael Rothe, VIV – Verkehrspolitischer Informationsverein e. V. – Die Verkehrserklärer!
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