Besondere Widrigkeiten finden sich im Bereich
des Fernbahn-Betriebes auf der Stadtbahn und
bei deren Weiterführung in Richtung Hamburg/Hannover/Schwerin.
Betriebshemmend wirkt sich der eingleisige
Streckenabschnitt der Fernzüge auf der
Stadtbahn zwischen den Bahnhöfen Friedrichstraße
und Hauptbahnhof aus. Bedingt
ist dieser durch die notwendige eingleisige
Streckenführung im Bereich des S-Bahnhofs
Alexanderplatz, da nach dem Mauerbau bis
heute (!) ein Ferngleis (Gleis 2) als S-Bahn-Gleis
dient, weil der Bahnhof Alexanderplatz
Kehrbahnhof für Züge aus und nach
den östlichen Regionen ist. Nachdem auf
der Stadtbahn der durchgehende S-Bahn-Verkehr
praktiziert wird, sollte man der
Fernbahn Gleis 2 eigentlich "wiedergeben".
Ein weiteres Betriebshemmnis in Form einer
eingleisigen Fernbahnstrecke findet sich
zwischen Charlottenburg und Spandau
(Hauptbahnhof). Reichte die Eingleisigkeit
dieser Strecke im Zeitalter des Transitverkehrs
aus, so ergeben sich hier heute Probleme
dadurch, daß die Fernzüge sich die
Strecke mit den Nahverkehrszügen der Relation
Nauen - Charlottenburg teilen müssen.
Die Folge dieses S-Bahn-“Ersatzverkehrs"
ist, daß der Stundentakt nur zwischen
Nauen und Spandau gewährleistet ist,
während zwischen Spandau und Charlottenburg
durch die Durchschleusung der Fernzüge
erhebliche Fahrplanlücken existieren.
Für die osthavelländische Bevölkerung, die
erst am S-Bahnhof Charlottenburg die S-Bahn
auf der Stadtbahn erreicht, ist das
nicht attraktiv.
Selbstredend, daß die S-Bahn zwischen
Westkreuz und Spandau und weiter in das
Osthavelland nach Beseitigung von Mauer
und Stacheldraht besonders vermißt wird
und objektiv fehlt. Dabei könnte die Wiederinbetriebnahme
der S-Bahn-Strecke
nach Spandau viele Probleme, die sich im S- und
Fernbahnverkehr auf der Stadtbahn
derzeit ergeben, lösen helfen und in der
Zukunftsregion Spandau/Osthavelland ein
sehr attraktives ÖPNV-Angebot schaffen.
Beim Kostenaspekt der Wiederinbetriebnahme
und des späteren Betriebes ist daher
zu berücksichtigen, daß es an anderer Stelle
entweder zur Kostenminderung oder zur
Effozienzerhöhung des Betriebes oder zur
Steigerung der Attraktivität für den Fahrgast
und damit des Gesamtsystems kommt.
Bei den großen Problemen des Berliner
Verkehrs sollte ohnehin nicht über die hohen
Kosten lamentiert werden, sondern es
sollten Überlegungen angestellt werden,
vorhandene Finanzressourcen sinnvoll und
effektiv einzusetzen.
Unter diesem Aspekt erscheint die Wiederinbetriebnahme
der S-Bahn-Strecke Westkreuz - Spandau - Osthavelland geboten.
Warum? Um auf der Stadtbahn zu einem
effizienteren Betrieb der Fernbahn zu kommen,
ist gerade unter dem Gesichtspunkt,
daß ab Fahrplanjahr 1992 die Stadtbahn
von drei im Zweistunden-Takt verkehrenden
EC/IC-Linien nebst anderen Verbindungen,
etwa nach Dessau - Aschersleben
oder Schwerin - Kiel, belegt sein wird, ein
zweigleisiger Betrieb im Bereich Alexanderplatz
unbedingt erforderlich. Dies bedingt
eine Verlängerung der jetzt im Bahnhof
Alexanderplatz endenden Züge (S5-Verstärker und S75-Züge)
zu weiter westlich
gelegenen Endpunkten unter der Berücksichtigung,
daß die Endstelle Friedrichstraße (S3-Verstärker,
S7 tagsüber, S9 abends) beibehalten wird.
Da Charlottenburg (S6) und Westkreuz
(S9) belegt sind und nur eingeschränkte
Kehrkapazitäten besitzen, bietet sich verkehrsgeographisch
nur der S-Bahnhof Grunewald an. Das würde allerdings bedeuten,
daß spätestens westlich vom S-Bahnhof Zoo
die Züge schwach besetzt auf der Stadtbahn
fahren, da durch die bisher auf Alexanderplatz
endenden Züge kein neues Fahrgastpotential
erschlossen wird. Der Kosten-/Nutzen-Effekt wäre hierbei zweifelhaft.
Auf der anderen Seite behindern sich im
eingleisigen Fernbahnbereich zwischen
Charlottenburg und Spandau Fern- und
Nahverkehrszüge gegenseitig. Durch den
fehlenden S-Bahn-Anschluß in Spandau
müssen die Züge aus Nauen und Rathenow
eigentlich alle nach Charlottenburg geführt
werden. Andererseits verhindert schon der
Nahverkehr im jetzigen Umfang den weiteren
Ausbau des Fernverkehrs (IC-Zwei-Stunden-Takt
nach Hamburg, IR/EC Hannover - Amsterdam und IR Schwerin -
Kiel). Sowohl im Nah- wie auch im Fernverkehr
kann also ein “lupenreiner" Takt ohne
den zweigleisigen Ausbau des Abschnittes
Spandau - Charlottenburg nicht ermöglicht
werden. Ganz zu schweigen davon, welche
Probleme der Ausbau im Zuge der Neubaustrecke
Hannover - Berlin bringt, der jetzt
ins Haus steht.
Als erster Schritt sollten daher nach Meinung
des Pro Bahn-Regionalverbandes Osthavelland
die Regionalzüge der Linie R5
generell in Berlin-Spandau enden, um auf
der nachfolgenden eingleisigen Strecke nach
Charlottenburg nur Fernverkehrszüge verkehren
zu lassen. Somit ist ein 2-Stunden-Takt
von der Stadtbahn nach Hamburg/Kiel/Schwerin zu
gewährleisten. Voraussetzung dafür ist die Wiederinbetriebnahme
der S-Bahn-Strecke Westkreuz - Spandau
West, die vom Pro Bahn-Regionalverband
Osthavelland im November 1990 zum Dezember
1991 gefordert wurde. Der Anschlußpunkt
Regionalverkehr/S-Bahn wäre
der Bahnhof Berlin-Spandau.
Da die S-Bahn-Strecke bauwerksmäßig vollständig
erhalten ist und somit nur einer Sanierung
bedarf, ist ihre Wiederinbetriebnahme
kostengünstig machbar. Die Realisierung
dieser Maßnahme ist laut erstem Zwischenbericht
für die Verkehrsentwicklungsplanung in
der Region Berlin relativ kurzfristig durchführbar.
Außerdem hat die Bundesregierung für den Berliner Nahverkehr
Finanzmittel in großer Höhe zur Verfügung
gestellt. Diese wurden und werden jedoch
aufgrund einer Prioritätensetzung zugunsten
von Neubauten (insbesondere Westring
und U-Bahn) fälschlicherweise auch in der
neuen Hauptstadtsituation nicht effektiv
ausgenutzt.
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S-Bf. Pichelsberg an der Spandauer Vorortbahn, stillgelegt seit 1980. Solange hier nicht wieder S-Bahn-Züge fahren, wodurch die Regionalzüge aus dem Osthavelland in Spandau enden könnten, behindern sich die Regional- und Fernverkehrszüge auf den eingleisigen Abschnitten zwischen Spandau und Berlin Hbf gegenseitig. Das Resultat: beide Angebote können nicht mit attraktiven Takten gefahren werden. Foto: M. Heller |
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Für den Abschnitt Westkreuz - Spandau
plant der Senat die Verschiebung des Bahnhofes
Spandau West und die Errichtung eines weiteren
Zuganges am Südostende des
S-Bfs. Heerstraße. Auf diese Maßnahmen
sollte für den Einstieg in die S-Bahn verzichtet
werden, sie sollten erst unter Betrieb
erfolgen. Die Zugangsbauwerke der Spandauer
Vorortbahn befinden sich heute in
brauchbarem Zustand bzw. werden schon
saniert. Nach einer Kostenschätzung der
Senatsbauverwaltung von Ende 1989 ist ein
Großteil der Brücken (37 von 43) durch Sanierung
zu erhalten und muß nicht ersetzt
werden. Zugsicherung und Bahnstromversorgung
sind allerdings zerstört und müssen
neu aufgebaut werden. Die Gleisanlagen
sind so instand zu setzten, daß Pendelverkehre
weitgehend ausgeschlossen sind.
All diese Überlegungen gehen von einem S-Bahn-Betrieb
zum heutigen S-Bf, Spandau
West - ohne Halt am Rathaus - aus, Der
Bahnhof wird von den Buslinien 130, 133,
237 sowie verschiedenen Einsetzwagen anderer
Linien angefahren. Außerdem können
die z.Zt. am Rathaus Spandau endenden
Linien 132 und 135 hier ihre Endstelle erhalten.
Stärkerer Umsteigeverkehr zwischen
S- und U-Bahn ist erst mit Anbindung der
Ziele Staaken und Falkensee zu erwarten.
Zurück zum S-Bahn-Verkehr auf der Stadtbahn.
Da eine Endstelle Grunewald für die
derzeit am Bahnhof Alexanderplatz endenden
Züge aus ökonomischen Gründen, wie
dargelegt, nicht sinnvoll ist, bietet sich die
Führung nach Spandau West an, wodurch
die Züge unter anderem das Fahrgastpotential
Berlin - Spandau - Osthavelland erschließen
würden und somit nicht "leer"
und damit “nutzlos" auf der westlichen
Stadtbahn verkehren würden.
Bei einem zugrundegelegten 10-Minuten-Takt
wären insgesamt acht Umläufe (= acht
Vollzüge) notwendig. Züge sind in Berlin
derzeit genug vorhanden. Den jetzt gültigen
Fahrplan auf der Stadtbahn zugrunde gelegt
und einen 10-Minuten-Takt beachtend,
wäre eine direkte Führung der S5-Verstärkerzüge
und der S75 nicht sinnvoll und würde nur die
Relation Spandau - Lichtenberg
bedienen. Diese Züge stattdessen in Charlottenburg
(S75) und Westkreuz (S5-Verstärker) enden zu
lassen und dafür die S9 von Westkreuz und die S6
von Charlottenburg nach Spandau verkehren zu lassen,
brächte zwar einen lupenreinen 10-Minuten-Takt,
andererseits stünde nur die Relation
Spandau - Adlershof ohne Umsteigen
zur Verfügung.
Den derzeit gültigen Fahrplan zugrundegelegt,
schlägt der Pro Bahn-Regionalverband
daher folgendes vor:
- S5-Verstärkerzüge verlängert von Alexanderplatz bis Westkreuz,
- S6 unverändert bis Charlottenburg,
- S75 verlängert von Alexanderplatz bis Spandau West,
- S9 verlängert von Westkreuz bis Spandau West,
Damit wären von Spandau aus u.a. die
Fernbahnhöfe der Stadtbahn und die Fernbahnhöfe
Lichtenberg, Schöneweide und
Schönefeld direkt erreichbar. Zwischen
Westkreuz und Spandau West stünde den
Fahrgästen ein 8/12-Minuten-Takt zur Verfügung,
der praktisch aber ein l0-Minuten-Takt wäre.
Als ersten Einstieg in die S-Bahn-Osthavelland
fordert der Pro Bahn-Regionalverband
Osthavelland die sofortige Betriebsaufnahme
des S-Bahn-Verkehrs auf den Betriebsgleisen
bis zum S-Bahnhof Heerstraße spätestens zum
Ende der Berliner Sommerferien 1991 und die
unverzügliche Weiterführung bis Spandau West
und weiter nach Staaken und Falkensee.
Fazit: Die sofortige Aufnahme des S-Bahn
Verkehrs auf der amtlich nicht stillgelegt
S-Bahn-Strecke zwischen Westkreuz und
Spandau West bringt über den Spandauer
Bereich hinaus mehr Effizienz und
Attraktivität im gesamten Verkehr auf
der Stadtbahn (S-Bahn und Fernverkehr) bis weit
nach Hamburg, Kiel und Hannover:
- Beseitigung der zur Zeit notwendigen Eingleisigkeit
im Bereich Alexanderplatz/Fernbahn.
- Erhöhung der Zugfrequenz im Fernverkehr nach
Nord- und Westdeutschland trotz Eingleisigkeit
zwischen Spandau und Charlottenburg.
- Durchgreifende Attraktivitätssteigerung
der Relation Nauen/Rathenow - Berlin im
Verbund S-Bahn/Regionalverkehr.
- Bessere Ausnutzung der Kapazität der S-Bahn-Züge
westlich vom Bahnhof Zoo und dadurch ökonomisch
besserer Betriebseinsatz.
PRO BAHN
Regionalverband Osthavelland
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