Berlin

U-Bahnhof Gesundbrunnen: Zerstörung historisch wertvoller Bausubstanz geplant

Als ob Krieg und Wiederaufbau nicht schon genug wertvolle Bausubstanz in Berlin vernichtet haben, hat die Bezirksverordneten-Versammlung (BVV) des Bezirks Berlin-Mitte beschlossen, das denkmalgeschützte nördliche Zugangsbauwerk des U-Bahnhofs Gesundbrunnen abzureißen um einen attraktiven Stadtplatz gestalten zu können.

Mal abgesehen davon, daß das, was man unter einem „attraktiven Stadtplatz” versteht, durchaus kontrovers diskutiert werden kann - machen Baudenkmale eine Stadt nicht attraktiv? - wieso fällt Berliner Politikern immer nur Sprengkasten und Abrißbirne ein, wenn sie an Stadtplanung denken? Das muß in Berlin anscheinend ein genetischer Defekt unter Politikern sein.

Bahnhofseingang
Bereits sanierter östlicher Zugang zum U-Bahnhof. Foto: Alexander Frenzel, Februar 2001

Von einem Kommunalpolitiker kann außerdem wohl ein Minimum an denkmalpflegerischer Kenntnis erwarten, zumal es sich bei dem Bauwerk um einen Teil der von Alfred Grenander in seiner Spätzeit geplanten und ausgeführten Gesundbrunnen-Neukölln-Linie der Berliner U-Bahn handelt, die den krönenden Abschluß seiner Arbeit bildet. Ohne Grenander hätte Berlin eine x-beliebige U-Bahn wie viele andere Städte. Grenander entwickelte eine Formensprache, die zum (fast immer unerreichten) Vorbild zur Gestaltung von städtischen Verkehrsbauten wurde.

Darüber hinaus gibt es kaum einen Architekten des 20. Jahrhundert in Berlin, bei dem man die Architekturentwicklung zwischen 1900 und 1930 so klar und deutlich ablesen kann. Man vergleiche nur Gesundbrunnen mit dem U-Bahnhof Wittenbergplatz, ebenfalls von Grenander, allerdings 25 Jahr früher geplant. Hier scheute sich die BVG übrigens nicht, den Bahnhof nach Kriegszerstörung fast bis auf die Reklametafel genau wiederherzustellen. Ein Abrißverlangen war bis jetzt aus Schöneberg nicht zu hören ...

Bahnhofsgebäude
Empfangsgebäude des U-Bahnhofs Gesundbrunnen aus dem Jahre 1930 (im Vordergrund). Die Abrißwünsche der BVV Mitte dokumentieren in erschreckender Weise den hilf- und geschichtslosen Umgang der Bezirkspolitik mit Bauwerken. Foto: Alexander Frenzel, Februar 2001

Stattdessen kommt wieder die bekannte Berliner Variante der Vergangenheitsbewältigung zum Zuge: abreißen statt weiterentwickeln. Richtig ist, daß das Gebäude heruntergekommen ist. Doch die Bausubstanz ist in Ordnung, und ein wenig mehr Pflege und „Entrümpelung“ kann die BVG schon vor der umfassenden Sanierung leisten. Und so könnte der U-Bahnhof Gesundbrunnen das werden, was Wittenbergplatz schon lange ist: der repräsentative Eingang zur Stadt. Denn in ein paar Jahren, wenn der Fern- und Regionalbahnhof Gesundbrunnen in Betrieb ist, werden hier Gäste Berlins aus- und umsteigen.

Und man könnte nach der Sanierung eine Ahnung davon bekommen, daß Bahnhöfe früher mehr waren als „Kaufhäuser mit Gleisanschluß"

Was man als schön empfindet unterliegt sowieso ständigen Schwankungen.

IGEB, Abteilung Stadtverkehr

aus SIGNAL 1-02/2001 (März 2001), Seite 21

 

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