BVG

Freybrücke gesperrt – für BVG-Fahrgäste

Die Senatsverkehrsverwaltung sorgt sich wieder einmal nur um die Autofahrer

Am 13. Januar 2014 hatten BVG und Fahrgäste im Westen Berlins einen schweren Schlag zu verkraften: Die Freybrücke wurde ohne Vorwarnung gesperrt. Sie überspannt die Havel bei Pichelsdorf im Zuge der Heerstraße (Bundesstraße 2/5) und wird von den bedeutenden Buslinien X 34, X 49 und M 49 befahren.

Die genannten drei Buslinien sind immerhin direkte Nachfolger der Straßenbahnlinie 75 und stellen die Hauptverbindung zwischen dem gesamten Südteil des Großbezirks Spandau und der City West dar. Dementsprechend umfangreich war das Angebot mit einem 10-Minuten-Takt pro Linie und dem Einsatz der größten verfügbaren Fahrzeuge (der X 49 fuhr allerdings nur im Berufsverkehr). Leider sind die dort eingesetzten Gelenk- und Doppeldeckbusse auch die schwersten. Daher führte die wegen Bauwerksmängeln verhängte Brückensperrung für Fahrzeuge über 10 Tonnen Gesamtgewicht zu einem mehrtägigen Verkehrs- und Informationskollaps auf dieser Hauptachse des ÖPNV.

Das Geschehen im Rückblick

Da die Sperrung sofort nach einer Brückenprüfung verhängt wurde, war der gesamte Straßenverkehr unmittelbar betroffen. Die BVG stellte den Busverkehr über die Brücke ein, nahm ihn aber auch in den folgenden Tagen, nach teilweiser Freigabe der Brücke, noch nicht wieder auf. Offiziell wurde der Abschnitt allerdings noch bedient: Die großen Busse fuhren zwischen Zoo und Olympiastadion sowie auf der Spandauer Seite ab Alt-Pichelsdorf umgeleitet zum Bahnhof Berlin-Spandau. Dazwischen pendelte über die Freybrücke ein Kleinbus, der aufgrund der völlig chaotischen Straßenverkehrsverhältnisse nur selten und unregelmäßig fuhr – also kein ernstzunehmender Ersatz für die ausgefallenen Leistungen.

In dieser Zeit versagten aber auch die die Informationen über die Verkehrsführung und Umfahrungsalternativen. Tagelang wurden am Linienendpunkt Zoologischer Garten und in der Kantstraße, dem Haupteinzugsgebiet der betroffenen Linien, nur unklare Hinweise auf unregelmäßigen Betrieb gegeben und damit die Vollsperrung Richtung Spandau verschleiert. Ein Hinweis auf die S 5 nach Spandau fehlte ebenfalls.

Die BVG zeigte auch keine Aktivitäten in Richtung des Senats für eine fahrgastfreundliche Lösung des Problems, und die zuständige Senatsverwaltung wurde auch nicht von sich aus aktiv. Im Gegenteil, der Polizeiposten, der die Einhaltung des Gewichtslimits auf der Brücke durchsetzen sollte, wurde nach wenigen Tagen abgezogen, und die Zeitungen der Stadt berichteten von ungehindert über die einsturzgefährdete Brücke fahrenden Groß-Lastwagen – nur die Fahrgäste waren die Leidtragenden.

Ab dem 20. Januar richtete die BVG einen Busnotdienst mit den einzig für die Brücke noch zugelassenen Fahrzeugen, den 12-Meter-Eindecker, ein. Die Linie X 34 fuhr nun (relativ stabil) umgeleitet zum Bahnhof Spandau statt direkt ins West-Berliner Zentrum, konnte dadurch aber weiterhin mit größeren Fahrzeugen bedient werden. Die Linie X 49 ist bis heute eingestellt, und die kleinen Busse fuhren nun alle 10 Minuten als M 49 dort, wo vorher große Busse durch Überlagerung von drei Linien alle 3 bis 4 Minuten verkehrten.

Brücke
Die Freybrücke ist nicht mehr tragfähig, deshalb darf sie nur noch von Fahrzeugen bis 18 Tonnen befahren werden – das gilt auch für Busse. Die plötzliche Einschränkung führte zu einem Verkehrschaos für die Busfahrgäste. Foto: Raul Stoll

Dieses Minimalangebot wurde natürlich von den vielen darauf angewiesenen Kunden überrannt und führte zu chaotischen Zuständen im Aufkommensschwerpunkt zwischen Zoo und Heerstraße. Öffentlich erklärte die BVG, dass sie nicht genug kurze Eindecker hätte, um das Angebot bedarfsgerecht zu verdichten. Dass sie laut Verkehrsvertrag in diesem Fall verpflichtet wäre, solche Wagen und eventuell Fahrer zu mieten, darauf kam auch der Aufgabenträger nicht. Ebenso wurden auch die Informationen über die Umfahrung mit der S-Bahn nur defensiv (aber immerhin) gegeben.

Schließlich schafften es die BVG-Einsatzplaner, ab dem 10. Februar, also einen Monat nach der Brückensperrung, den Takt auf dem Innenstadt-Abschnitt Bahnhof Zoo—Theodor-Heuss-Platz auf 7/7/6 Minuten zu verdichten. Doch auch das ist noch zu wenig. Wollen Senat und BVG die Fahrgäste mit diesem stark eingeschränkten Angebot bis zur Fertigstellung einer Behelfsbrücke im August hinhalten?

Was hätte die BVG besser machen müssen?

Unzureichend war auf jeden Fall die Information für die (gut zahlenden) BVG-Kunden. Die modernen elektronischen Anzeiger an den Haltestellen (Daisy) sollten gerade im Störungsfall nicht nur die Echtzeit-Informationen (über die Abfahrtszeiten), sondern auch die Echtziel-Informationen (über das gefahrene Betriebsprogramm) geben. Die BVG machte es aber noch schlimmer und zeigte lediglich Sollfahrzeiten: Lustig blinkten die Warteminuten von Bussen, die niemals kamen, herunter bis auf Null – natürlich mit den nicht erreichbaren Zielen hinter der gesperrten Brücke.

Selbstverständlich gehören gerade an solch turbulenten Tagen wie unmittelbar nach der Sperrung auch mehrmals täglich aktualisierte Lauftexte über Umfahrungsalternativen und völlig gesperrte Abschnitte dazu; auch dazu brauchten die Verkehrsbetriebe Tage, bevor dann der Hinweis auf die S 5 nach Spandau gegeben wurde.

Für diese Aufgaben muss genug Personal in der Leitstelle sein, um auch neben dem Betrieb auf allen anderen Linien der Stadt einen extra für dieses Problem geschalteten Arbeitsplatz zu besetzen. Die auf den IGEB-Fahrgastsprechtagen gegebene Zusage, in der neuen Leitstelle Oberfläche extra einen (!) Arbeitsplatz für alle Daisys einzurichten, kann nicht die Lösung sein.

Für die Kernaufgabe eines Verkehrsbetriebes darf man mehr Einsatz erwarten als die wochenlange Sperrung ganzer Streckenabschnitte wegen höherer Gewalt. Beide Seiten hätten sich sofort lösungsorientiert zusammensetzen müssen, und Aufgabe der BVG wäre die Ausarbeitung von Verkehrsvorschlägen gewesen. Statt dessen versendete sie Pressemeldungen über ein angeblich gutes Angebot (so geschehen am 27. März 2014), weil nach Monaten der Geduld von Kundenseite nun das Fahrpersonal den wachsenden Unmut über das schlechte Management ausbaden musste.

Was hätte die Verkehrsverwaltung des Senats besser machen müssen?

Die Senatsverwaltung hätte auf jeden Fall die BVG gegenüber dem sonstigen Straßenverkehr bevorrechtigen müssen. Die Autofahrer sitzen systembedingt warm und trocken und sind daher leicht weiträumig umleitbar. Man muss der Senatsbehörde allerdings zugute halten, dass sie für das Fahrplanangebot der BVG sogar ein „Schlupfloch“ in ihren Brückenbenutzungsauflagen ließ: Das Verbot für Fahrzeuge über 18 Tonnen gilt nur bei Entfall aller weiteren Einschränkungen. Doppeldecker und Gelenkbusse dürften die Freybrücke passieren, wenn zur selben Zeit alle anderen Fahrzeuge von ihr ferngehalten würden.

Da wie oben geschildert sowieso dauerhafte Präsenz der Verkehrspolizei nötig war, um die Benutzungsbeschränkungen für Lkw durchzusetzen, hätte diese auch die „Passier-Zeitfenster“ für die planmäßigen Busse vom übrigen Autoverkehr freihalten können. Selbst bei Abstellung der Linie X 49 wäre die so verbliebene Kapazität immer noch doppelt so groß wie bei der heute praktizierten Lösung. Alternativ wäre auch die Beibehaltung der X 34-Umleitung und die Wiedereinführung der Linie X 49 denkbar: In diesem Fall sollten die bis jetzt entfallenen Kilometer den Kunden durch eine Verlängerung des X 49 bis Zoologischer Garten zurückgegeben werden.

Zusammen mit einer weiträumigen Umleitung des Autoverkehrs über die drei weiter nördlich gelegenen Brücken und einer ebenfalls im Aufgabengebiet des Senats liegenden Einrichtung einer Busspur jeweils im Zulauf auf den Engpass hätte schon nach einer Woche der Regelfahrplan für die meisten BVG-Kunden wieder hergestellt werden können.

Besonders ärgerlich ist diese „amtliche Faulheit“ vor dem Hintergrund, dass gerade den West-Berlinern jahrelang der Bus als das flexibelste Verkehrsmittel gepriesen wurde. Und nun zeigt sich bei allen größeren Baustellen (U 8 Hermannstraße, Umbau Invalidenstraße, Freybrücke), dass Senat und BVG auf gesperrten Abschnitten keine flexiblen Bedienformen (auf Kosten des Autoverkehrs) durchsetzen und damit nicht nur den Vorrang des ÖPNV zur Lachnummer machen, sondern die BVG-Fahrgäste zu Verkehrsteilnehmern zweiter Klasse degradieren. Außerdem müssen die Fahrgäste befürchten, dass die auf diesen Baustellen entfallenen Leistungskilometer nicht an anderer Stelle bzw. zu anderer Zeit zurückgegeben werden.

Fazit

Sowohl das Betriebsmanagement als auch die Fahrgastinformation sind bei Störungen noch nicht auf Hauptstadtniveau. Die BVG wird hier auch von anderen Senatsdienststellen zu sehr im Stich gelassen. Bei einer bis mindestens August 2014 andauernden Betriebssituation ist es aber noch nicht zu spät für Nachbesserungen im oben beschriebenen Sinn. Die IGEB fordert daher die schnellstmögliche Einrichtung einer LSA-Busschleuse auf der Freybrücke und die dadurch mögliche Kapazitätsausweitung und Wiederherstellung des Regelfahrplans mindestens für zwei der drei betroffenen Linien! (af)

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 2/2014 (April/Mai 2014), Seite 16-17

 

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