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Eigentlich sollte die S-Bahn schon jetzt zwischen Westend und Jungfernheide
fahren. Beim Baubeginn im Sommer 1995 war es jedenfalls so geplant. Doch nun
verzögert sich die Eröffnung der nur 2,1 Kilometer langen Strecke
voraussichtlich bis zum Fahrplanwechsel am 1. Juni 1997. Zudem ist zu
fürchten, daß das kurze Nordring-Teilstück im kommenden Jahr die einzige
Wiederinbetriebnahme ist. Denn alle anderen angekündigten, aber bereits
mehrfach verschobenen Termine - das gilt für die Verlängerungen bis
Hennigsdorf, Pichelsberg und Lichterfelde Süd ebenso wie für den Lückenschluß
zwischen Neukölln und Treptower Park - sind fragwürdig. Zwar gibt es Hinweise,
daß der überfällige Südring-Lückenschluß ebenso wie die Anbindung nach
Lichterfelde Süd doch noch "Ende 1997" gelingen, doch bekanntlich erwarten
die Meteorologen erneut einen strengen Winter...
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So wird's nie wieder sein: Ein S-Bahn-Zug der Bauart Peenemünde rollt im Bf Jungfernheide an den Spandauer Bahnsteig. Foto: Konrad Koschinski (5/80) |
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Jungfernheide wurde als Umsteigebahnhof zwischen S- und U-Bahn konzipert, wegen des erwarteten Fahrgastandranges sogar mit drei Fahrtreppen. Doch die rechte ist schon lange außer Betrieb, denn wenige Tage vor Inbetriebnahme der U7-Verlängerung war 1980 die S-Bahn auf dem Ring stillgelegt worden. Foto: Marc Heller |
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Foto: Konrad Koschinski |
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Foto: Marc Heller |
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Der von Tegel kommende „Franzosenzug“ unterfährt die Ringbahnbrücke nördlich des Güterbahnhofs Charlottenburg (Bild oben im Sommer 1983). Hier ist ein völlig neues Überführungsbauwerk für die S-Bahn entstanden, der genietete Stahl mußte einer Betonkonstruktion weichen (Bilder Mitte und unten im Dezember 1996). Das untere Foto wurde von der Spandauer-Damm-Brücke am S-Bf Westend aufgenommen und zeigt die wiederhergestellte Ringbahn zum S-Bf Jungfernheide mit Kehrzug. Foto: Marc Heller |
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Ringbahnzug der Zuggrupppe „Anton“ nach Sonnenallee fährt über die Fachwerkbrücke, die die Hamburg und Lehrter Bahn überspannt. Im Hintergrund ist die Brücke über die Siemensbahn zu sehen. Foto: Konrad Koschinski (1979) |
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Ausfahrt aus Jungfernheide (Signalbild Hf 2) für das „Peenemünder Viertel“ nach Spandau West Ebenfalls nur noch Geschichte ist das im Hintergrund sichtbare, inzwischen abgerissene Stellwerk. Foto: Konrad Koschinski (5/80) |
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Foto: Marc Heller |
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Der S-Bf Jungfernheide im November 1996. Nach langer Verzögerung des Baubeginns kommen die Arbeiten derzeit gut voran. Die Bilder zeigen den Zugang von der Max-Dohrn-Straße zum östlichen Bahnsteigende. Es ist schwer zu verstehen, warum hier erst im Juni 1997 Züge ankommen sollen. Doch derzeit gibt es begründete Hoffnung auf eine frühere Wiederinbetriebnahme. Foto: Marc Heller |
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Südlich des S-Bfs Westend verkehrt die Ringbahn seit drei Jahren wieder und ist eine attraktive Alternative zur oft verstopften Stadtautobahn. Ärgerlich ist nur, daß es vormittags über viele Stunden noch immer keinen 5-Minuten-Takt gibt. Foto: Marc Heller |
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Foto: Marc Heller |
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Vom S-Bf Warschauer Straße zum Bf Zoo. Nachdem die Honoratioren der Stadt entgegen allen (Wahlkampf-)Versprechungen 1996 nicht eine einzige S-Bahn-Wiederinbetriebnahme feiern konnten, kam zur Präsentation der neuen S-Bahn-Baureihe 481 am 11. Dezember sogar der Regierende Bürgermeister Eberhard Diegen. Anlaß der erneuten Präsentation des Fahrzeugs war der Start zum Einsatz im Fahrgastverkehr. In den Wochen zuvor hatte ein Teil der Fahrgäste unter Testfahrten allerdings erheblich zu leiden. Diese Fahrten fanden (natürlich ohne Fahrgäste) auf der S10 im Bereich des Berliner Außenringes statt, so daß Regelverkehr auf einen 40-Minuten-Takt reduziert wurde. Foto: Marc Heller |
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Fast zwei Jahre für zwei Kilometer - wieder so ein Beispiel für das
Schneckentempo beim Berliner S-Bahn-Bau, sind wir versucht zu sagen. Jedoch
gilt auch hier: Zum sogenannten Baubeginn rückten erst einmal die Abbautrupps
an. Gleise und Bahnsteige samt Dächern wurden abgetragen, mehrere alte
Stahlbrücken beseitigt. Verschwunden ist auch die markante Fachwerkbrücke am
ebenfalls abgebrochenen Stellwerk
"Chag" nördlich des Charlottenburger Güterbahnhofs. An dieser Stelle zeigt
sich das Ausmaß der geleisteten Arbeiten heute besonders deutlich: Die
Nordring-Gütergleise unterqueren die auf einem Dammkörper verlaufende
S-Bahn-Trasse jetzt im Tunnel.
Die stählernen Ringbahn-Brücken über den Tegeler Weg und die Spree
ersetzte man durch
eine Stahlbeton-Verbundkonstruktion. Die Fachwerkbrücke über die
"Hamburg und Lehrter Bahn" brauchte dagegen nur saniert zu werden.
Hier rauscht irgendwann nach der Jahrtausendwende der ICE zum Lehrter
Bahnhof unter S-Bahn-Gleisen durch.
Zwei eingleisige Strecken
Wie Christian Morgenroth, Baubetriebsmanager der S-Bahn Berlin GmbH
erläutert, wird der Abschnitt Westend - Jungfernheide als zwei eingleisige
Strecken eröffnet. Im Grunde handelt es sich bloß um je zwei Kilometer
lange "vorgestreckte Bahnhofsgleise". Vom rechten aufs linke Gleis und
umgekehrt wechseln die Züge auf einem in Westend eingebauten Weichentrapez,
in Jungfernheide wenden sie generell direkt am Bahnsteig. Der Einbau einer
Kehranlage ist dort nur vorsorglich berücksichtigt, um nach Weiterführung
der Strecke beispielsweise Verstärkerzüge ein- und aussetzen zu können. In
Westend dagegen entsteht schon jetzt eine östlich der Streckengleise
angeordnete zweigleisige Kehr- und Abstellanlage.
Die Option für die Einfädelung der Siemensbahn am Bahnhof Jungfernheide
wird offengehalten. Ein zweiter Bahnsteig wäre dafür nicht unbedingt nötig.
Erinnert sei daran, daß hier schon 1976 bis 1980 die Züge von und nach
Gartenfeld gemeinsam mit den Ringbahnzügen nur noch einen Bahnsteig nutzen
konnten und mangels einer Kehrmöglichkeit erst in Beusselstraße wendeten.
Zuvor allerdings gab es in Jungfernheide eine geradezu raffiniert
ausgeklügelte Betriebssituation: Die von Gartenfeld kommenden Züge hielten
zunächst am Bahnsteig B und ermöglichten optimalen Anschluß an die ebenfalls
hier haltenden Züge nach Gesundbrunnen. Dann fuhren sie zum Kehren an den
Bahnsteig C, an dem auch die Züge nach Sonnenallee und Köllnische Heide
stoppten. Umsteiger zur Ringbahn in beiden Richtungen mußten somit keine
Treppen steigen.
Der südliche Bahnsteig A diente im übrigen den Zügen von und nach Spandau
West bzw. Staaken. Etwa in seiner Lage gibt es künftig einen
Regionalbahnsteig. S-Bahn-seitig ist - so Christian Morgenroth - bereits
1997 der Endzustand erreicht.
Ausstattung des Bfs Jungfernheide: Möglichst keine Provisorien
Der grunderneuerte Ringbahnsteig in Jungfernheide wird west- und ostseitig
sowohl von der Max-Dohm- wie der Olbersstraße erschlossen, ostseitig außerdem
von der U-Bahn-Linie 7. In beiden Zugängen werden Fahrtreppen installiert,
auf der Ostseite außerdem ein Aufzug bis zur Nullebene und ein zweiter
hinunter zum U-Bahnsteig. Provisorische Interimszustände, also unfertige
Treppen- und Aufzugsanlagen wie jetzt in den Stadtbahnhöfen, will die
S-Bahn GmbH vermeiden.
Daß gerade die für ältere oder körperlich behinderte Fahrgäste so wichtigen
Aufzüge höchste Priorität genießen, hat S-Bahn-Geschäftsführer Günter Ruppert
in einem Gespräch mit der IGEB erst jüngst wieder betont. Allerdings gehören
die S-Bahn-Stationen zum Geschäftsbereich Personenbahnhöfe der DB AG, und
deshalb ist die S- Bahn GmbH hier für viele Unzulänglichkeiten gar nicht
verantwortlich. Den Fahrgast freilich
interessiert das wenig. Bleibt zu hoffen, daß die Muttergesellschaft
Deutsche Bahn AG bzw. die Projektgesellschaft "Knoten Berlin" als Bauherr
für die Einhaltung der Terminzusagen sorgen und der Bahnhof Jungfernheide
schon am Eröffnungstag kundenffeundlich ausgestattet ist. Eines ist
jedenfalls versprochen: S-Bahn-Personal wird ständig präsent sein, die
Züge werden von Bahnsteigaufsichten abgefertigt.
Bedienung im Zehn-Minuten-Takt und Fahrzeitvorteile
Die jeweils alle 20 Minuten verkehrenden Züge der S 45 nach/von Flughafen
Schönefeld und S 46 nach/von Königs Wusterhausen werden die neue Endstation
Jungfernheide alle zehn Minuten bedienen. Wegen der kurzen Kehrzeit am
Bahnsteig ist das sogar ohne zusätzlichen Fahrzeugbedarf möglich. Die
Verstärkerzüge während der Hauptverkehrszeit beginnen und enden wie gehabt
in Westend, den Fünf-Minuten-Takt gibt es also nur bis dort. Durch eine
veränderte "Verkehrtechnologie der HVZ-Gruppe" können aber die derzeitigen,
ausgesprochen lästigen Standzeiten in Westkreuz generell verkürzt werden.
Insofern wirkt sich die Streckenverlängerung positiv auf die gesamte
Fahrplangestaltung auf dem Südring aus.
Angemerkt sei noch der direkte Fahrzeitvergleich mit der U7 zwischen den
Stationen Jungfernheide und Neukölln. Während die U-Bahn hier in der
werktäglichen Tagesverkehrszeit 32 Minuten benötigt, schafft es die S-Bahn,
vorausgesetzt der zweiminütige Aufenthalt in Westkreuz entfällt, künftig in
27 Minuten. Dabei hält die U-Bahn unterwegs 20 mal, die S-Bahn aber nur 12
mal an. Der konsequentere Zuschnitt des Fahrplans auf Neubaufahrzeuge -
gegenwärtig laufen neben der Baureihe 485 immer noch gelegentlich die
betagten 477er mit - könnte den Fahrzeitvorteil der S-Bahn noch etwas
ausbauen. Noch wichtiger wäre allerdings der 5-Minuten-Takt bis
Jungfernheide statt Westend.
Aktueller Baufortschritt
Nach den langwierigen Verzögerungen bis zum Baubeginn war während der
letzten Monate und gerade auch während der Arbeit an diesem Beitrag ein
beachtlicher Baufortschritt zu beobachten, so daß nicht verständlich ist,
warum hier erst ab Juni 1997 Züge im Fahrgastbetrieb verkehren sollen.
"Wenn die Strecke fertig ist, fahren wir auch und warten nicht bis zum
Fahrplanwechsel im Sommer", hatte die S-Bahn GmbH in einem Gespräch mit
dem Berliner Fahrgastverband IGEB zugesagt. Die Voraussetzungen, daß diesen
Worten bereits zu Beginn des neuen Jahres Taten folgen können, scheinen
baulicherseits gegeben zu sein.
Weitere Nordring-Etappen
Mit der Wiederinbetriebnahme der Strecke Westend - Jungfernheide ist, was
die S-Bahn betrifft, ein erstes Teilstück des Projekts "Berliner Innenring -
Nördlicher Abschnitt" bewältigt. Auch die weiteren Baumaßnahmen, das
Nordkreuz im Bereich Gesundbrunnen/Bornholmer Straße eingeschlossen, sind so
aufeinander abgestimmt, daß Teilstrecken bereits vor Abschluß des
Gesamtprojekts genutzt werden können. Als nächster Zwischenschritt ist die
Wiederinbetriebnahme bis Westhafen (Putlitzstraße) vorgesehen, wo dann
wieder auf die U9 umgestiegen werden kann. Als Termin dafür nennt der
Geschäftsbereich Netz der Deutschen Bahn AG immer noch das Jahr 1998,
gegen Ende 1998 soll dann noch der Abschnitt Westhafen - Gesundbrunnen
folgen und 1999 der Ring bis zur Schönhauser Allee geschlossen sein.
Was in Berlin von solchen Terminangaben zu halten ist - wir wissen's bis
zum Überdruß. Freuen wir uns nichtsdestotrotz auf die bevorstehende
Wiederinbetriebnahme. Möge die "Formel zwei Kilometer in zwei Jahren" kein
schlechtes Omen für den weiteren Baufortschritt sein, denn dann würde
es schier endlos dauern, bis der Innennng wieder eine
"Strecke ohne Ende" ist...
IGEB
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