Im Dezember 2016 wurde der Abschlussbericht
der Bundesanstalt für Straßenwesen
(BASt) zu dem 5-jährigen Feldtest mit
Lang-Lkw veröffentlicht. Als Lang-Lkw werden
dabei Fahrzeuge bzw. Fahrzeugkombinationen
mit bis 25,25 m Länge bezeichnet, die
wiederum in fünf verschiedene Untergruppen
unterteilt sind (Typ 1 bis Typ 5). Wie
nicht anders zu erwarten war, bescheinigte
die BASt als technisch-wissenschaftliches
Forschungsinstitut des Bundesverkehrsministeriums
die Praxistauglichkeit dieser
Fahrzeuge. Das zulässige Gesamtgewicht
beträgt jedoch unverändert 40 t bzw. 44 t
im Vor- und Nachlauf im Kombinierten Verkehr
(KV). Als wesentliche Ergebnisse bzw.
Vorteile wurden seitens der BASt genannt:
|
Lang-Lkw in Schweden – jetzt auch in Deutschland zugelassen. Foto: Wikipedia/Wusel007 |
|
- Zwei Lang-Lkw-Fahrten ersetzen drei
Fahrten mit herkömmlichen Lkw,
- Effizienzgewinne und Kraftstoffersparnisse
zwischen 15 und 25 Prozent,
- kein erhöhter Erhaltungsaufwand für die
Infrastruktur,
- keine Verlagerungseffekte von der Schiene
auf die Straße.
Das Bundesministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur (BMVI) hat am 27. Dezember
2016 daraufhin eine Änderungs-Verordnung
zur Überführung des Lang-Lkw in
den streckenbezogenen Regelbetrieb verkündet.
Seit dem 1. Januar 2017 erlaubt diese
Verordnung nunmehr den unbefristeten
Regelbetrieb auf einem Netz von fast 11 600
km. Dieses sogenannte „Positivnetz“ kann
seitens des BMVI aktualisiert und erweitert
werden. In der Pressemitteilung des BMVI
war dagegen nicht von einer Reduzierung
des „Positivnetzes“ die Rede, z. B. auf Grund
geänderter Rahmenbedingungen.
Kritik kam auch aus der Bundesregierung.
Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium,
Jochen Flasbarth, beklagte, dass die
von Dobrindt eiligst erlassene Rechtsverordnung
innerhalb der Bundesregierung völlig
unzureichend abgestimmt war!
Doch Bundesverkehrsminister Alexander
Dobrindt schreibt zur Regelzulassung für
Lang-Lkw: „Das ist gut für die Umwelt und
den Logistikstandort Deutschland.“
Das ist zynisch. Denn „gut für die Umwelt“
sind Lang-Lkw ebenso wie konventionelle
Lkw überhaupt nicht. Sie sind im Vergleich
zur Schiene ausgesprochen umweltschädlich!
Schlimmer noch: Die durch den Einsatz
von Lang-Lkw erreichbare Effizienzsteigerung
bedeutet eine Verbilligung des Straßengüterverkehrs
um rund 26 Prozent und
ist letztlich ein Mittel, um Transportpreise
weiter zu drücken.
Im Gegensatz dazu: Staatlich induzierte
Kostenbelastungen, u. a. durch die Novellierung
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
(EEG), sorgen ausgerechnet beim ressourcenschonenden
Schienenverkehr für spürbare
Steigerungen der Transportkosten.
Während die Trassenpreise im Schienenverkehr
kontinuierlich angehoben wurden –
und zwar seit Jahren deutlich über dem Anstieg
des Verbraucherpreisindexes, profitiert
der Straßengüterverkehr von sinkenden
Mautsätzen. So lag der Durchschnittsmautsatz
im Jahr 2010 bei 17,42 Cent/Kilometer,
2015 dagegen bei rund 14,7 Cent/Kilometer.
|
Rangierbahnhof Maschen bei Hamburg. Die desaströsen Rahmenbedingungen für den Schienengüterverkehr, z. B. zu hohe Trassenpreise, bleiben nicht ohne Folgen: Während die Verkehrsleistung auf der Straße 2016 um 2,8 Prozent stieg, sank sie auf der Schiene um 0,5 Prozent. Foto: Christian Schultz |
|
Der Schienenverkehr gerät mit diesen
Maßnahmen immer mehr unter wirtschaftlichen
Druck. Zwar lassen sich Ganzzüge vom
Quell- zum Zielort wirtschaftlich betreiben,
Zubringerdienste im Einzelwagenladungsverkehr
jedoch, die Voraussetzung für das
Zustandekommen vieler Güterzugverbindungen
sind, werden immer teurer und sind
deshalb seit Jahren rückläufig. Dem könnte
man beispielsweise durch eine gezielte Förderung
des Einzelwagenladungsverkehrs
entgegenwirken, wie sie im Nachbarland
Österreich praktiziert wird. Doch statt einer
Korrektur der Fehlentwicklung hat Minister
Dobrindt diese nun noch verstärkt.
Neue Sachzwänge: Anpassung der
Infrastruktur für Lang-Lkw-Fahrten
In dem offiziellen Abschlussbericht der BASt
werden zudem infrastrukturelle Probleme
und Sicherheitsrisiken als Folge des Einsatzes
von Lang-Lkw explizit genannt:
- Die Brandlast in Tunneln erhöht sich durch
das größere Volumen der Fahrzeugeinheiten,
- Nothaltebuchten in Tunneln sind zu kurz,
- geeignete Parkplätze auf Rastplätzen fehlen,
- höhere Gefährdung für Fußgänger und
Radfahrer,
- psychologische Aspekte anderer Verkehrsteilnehmer
sowie deren mögliche
Sichtbeschränkungen in einigen Verkehrssituationen
durch Lang-Lkw (diese
wurden im Test nicht behandelt).
Es ist unverantwortlich, dass unter derartigen
Rahmenbedingungen nun eine Regelzulassung ohne weitere Sicherheitsdiskussion
erfolgt ist. Die benannten infrastrukturellen
Probleme schaffen Sachzwänge, die
letztlich hohe Folgekosten auf Kosten des
Steuerzahlers verursachen.
Von der Verkehrspolitik ignoriert:
Fast drei Viertel der Bürger sind gegen
Lang-Lkw
Insgesamt 72 Prozent der Bürger sprachen
sich im Rahmen einer repräsentativen Umfrage,
die durch das Meinungsforschungsinstitut
Forsa im Auftrag der Allianz pro
Schiene, des Automobil-Clubs Verkehr
(ACV) und des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen
(VDV) durchgeführt
wurde, gegen den Einsatz von Lang-Lkw
auf deutschen Straßen aus. Insbesondere
das erhöhte Unfallrisiko, die Schädigung
der Umwelt durch die Gefahr der Verlagerung
von Transporten von der Schiene auf
die Straße, gefolgt von zusätzlichen Kosten
für die Anpassung der Straßeninfrastruktur
wurden im Rahmen der Befragung als
Hauptgründe genannt.
Die Kritik besteht zu Recht: Auf den angeblich
so sicheren Autobahnen waren
2016 allein im Bundesland Brandenburg insgesamt
2499 Verkehrsunfälle unter Beteiligung
von Güterfahrzeugen zu verzeichnen
mit 391 Verletzten und 13 Toten.
Doch weder solche Umfrageergebnisse
noch solche erschreckenden Unfallzahlen
haben erkennbare Auswirkungen auf die
Verkehrspolitik der Bundesregierung, denn
die Bedienung der Interessen der Autolobby
ist offensichtlich das Maß aller Entscheidungen.
Die einseitige Förderung des Straßengüterverkehrs
geht einher mit einer unkritischen
Haltung gegenüber dessen
vollkommen ungebremstem Wachstum
auf Kosten der Umwelt und von Sozialstandards.
Durch Einbindung osteuropäischer
Subunternehmen umgehen auch
große deutsche Speditionen das Mindestlohngesetz
oder die Einhaltung von Ruhezeiten.
Kontrollen der Subunternehmen
erfolgen kaum.
Kontrollen des Schwerverkehrs insgesamt
erfolgen zu selten und sind oft ineffizient, da
die Zuständigkeit auf zahlreiche Behörden (Polizei,
Zoll, Bundesamt für Güterverkehr, Gewerbeaufsichtsamt)
verteilt ist. Wenn Bußgelder
verhängt werden, sind sie zu niedrig und entfalten
keine Abschreckungswirkung. Effektive
Kontrollen mit angemessenen Bußgeldern
führen hingegen in Belgien und Österreich
dazu, dass Gesetze besser eingehalten werden.
Durch permanente Überbelastung zahlreicher
Straßen leidet auch die Zuverlässigkeit
der Transporte für die verladende
Wirtschaft. Durch niedrige Transportpreise
wird Lagerhaltung auf die Straße verlegt,
wiederum auf Kosten der Umwelt und des
Steuerzahlers.
Subvention des Straßengüterverkehrs
Im Gegensatz zur Kostenentwicklung bezüglich
der elektrischen Traktion auf der
Schiene wird Dieselkraftstoff gegenüber
Benzin noch immer gezielt subventioniert.
Wie das Umweltbundesamt in seiner Broschüre
„Umweltschädliche Subventionen
in Deutschland, aktualisierte Ausgabe 2016“
ausführt, liegt der Energiesteuersatz mit
47,04 Cent/Liter für Dieselkraftstoff um 18,41
Cent/Liter unter dem Steuersatz von Benzin.
Bei Berücksichtigung der Umsatzsteuer sind
es sogar 21,9 Cent/Liter.
Der damit verbundene Steuerausfall für
Dieselkraftstoff betrug nach Angaben des
Umweltbundesamtes im Jahr 2010 bereits
7,050 Milliarden Euro, 2012 schon 7,353 Milliarden
Euro und 2014 sogar 7,757 Milliarden
Euro – allerdings bezogen auf den gesamten
jährlichen Verbrauch in Deutschland.
Auch damit wird die Wettbewerbsfähigkeit
des Straßengüterverkehrs erhöht.
Derartige, allein schon aus klimapolitischer
Sicht nicht zu rechtfertigende Subventionen schaffen darüber hinaus unnötige
Anreize zur Steigerung des Verkehrsaufkommens,
indem die Kosten des Verkehrs
insgesamt gesenkt werden. Verkehrspolitisch
sind derartige Subventionen ein völlig
falsches Signal und müssen schrittweise
abgebaut werden!
Verlagerungsziele sind kein Bestandteil
der Nachhaltigkeitsstrategie 2016 mehr
Eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf
die Schiene war seinerzeit Bestandteil der
deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2002.
Als Ziel wurde für das Jahr 2015 ein Anteil
des Schienenverkehrs von 25 Prozent bzw.
der Binnenschifffahrt von 14 Prozent formuliert.
Diese Werte wurden jedoch deutlich
verfehlt!
Während es in den Jahren 2003 bis 2008
noch kontinuierliche Steigerungen des
Marktanteils der Schiene von 15,7 auf 17,7
Prozent gab, lag der Wert 2015 nach Einbrüchen
in den Jahren 2009 und 2010 bei gerade
einmal 18,0 Prozent. Im Jahr 2016 ist der
Marktanteil der Güterbahn sogar auf 17,6
Prozent geschrumpft! Das zeigt das Scheitern
der Verkehrspolitik der vergangenen
Jahre.
In der kürzlich vom Bundeskabinett beschlossenen
Neuauflage der Nachhaltigkeitsstrategie
wurden nunmehr jegliche
aussagekräftige Zielwerte gestrichen.
|
Das LOHR-System ist eines der Umschlagsysteme des Kombinierten Verkehrs, das es ermöglicht, auch die vielen nicht-kranbaren Sattelauflieger auf die Schiene zu bringen und so zum Ausbau der Elektromobilität beizutragen. Es fehlt jedoch am politischen Willen zum forcierten Ausbau der notwendigen Verlagerungsinfrastruktur. Foto: Christian Schultz |
|
Ignoriert werden seitens der Verkehrspolitik
auch die im EU-Weißbuch Verkehr formulierten
Ziele für den Klimaschutz: 30 Prozent
des Straßengüterverkehrs über 300 km
sollten bis 2030 auf andere Verkehrsträger
wie Eisenbahn- oder Schiffsverkehr verlagert
werden, mehr als 50 Prozent bis 2050.
Eine Veränderung des Modal Splits zugunsten
energieeffizienter, klimaschonender
Verkehrsträger und zur Straßenentlastung
wäre demgegenüber überfällig. Doch die
aktuelle Verkehrspolitik der Bundesregierung
ignoriert das. Dort gilt: Weiter machen,
wie bisher.
Dass es bei entsprechendem politischen
Interesse auch anders geht, beweisen unsere
Nachbarländer Österreich und Schweiz,
wo die Marktanteilswerte der Schiene bei
rund 30 bzw. 40 Prozent liegen und damit
sogar den Zielwert aus der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie
2002 deutlich übertreffen.
740-m-Netz für Güterzüge:
Realisierung noch immer offen
Während Bundesverkehrsminister Alexander
Dobrindt einerseits die Regelzulassung
für Lang-Lkw in einer eiligen Aktion im Alleingang
durchgesetzt hat, blockiert er andererseits
Effizienzgewinne auf der Schiene!
So sind im Bundesschienenwegeausbaugesetz
mit Stand vom 23. Dezember 2016
insgesamt 46 Projekte des „Potenziellen Bedarfs“
gelistet, für die bislang noch immer
keine Bewertung bzw. Einstufung in den
Vordringlichen Bedarf (VB) bzw. Vordringlichen
Bedarf Engpassbeseitigung (VB-E)
erfolgt ist. Darunter befindet sich auch das
Projekt „740-m-Netz für Güterzüge“.
Im Vergleich zur derzeitigen Situation ermöglicht
eine größere Zuglänge einerseits
einen deutlichen bzw. auch dringend notwendigen
Effizienzsprung, andererseits eine
höhere Kapazität des bestehenden Netzes.
Diese bislang ungenutzten Kapazitäten ermöglichen
dabei sowohl Verkehrsverlagerungen
als auch eine verbesserte Wirtschaftlichkeit
des Schienengüterverkehrs.
Nach Angaben der Deutschen Bahn verkehren
derzeit (oft wegen nur geringfügiger
Netzbeschränkungen) gerade einmal
11 Prozent der Züge mit der europäischen
Standard-Zuglänge. Dabei liegen die Investitionskosten
für die nach Angaben der DB
Netz AG erforderlichen 66 Einzelmaßnahmen
nur bei 200 bis 300 Millionen Euro. Wo
bleiben die überfälligen Entscheidungen
bezüglich dieses Projektes?
Lang-Lkw: Eingeschränkte Kompatibilität
zum Kombinierten Verkehr
In der Ausnahme-Verordnung, die den Einsatz
von Lang-Lkw regelt, wurde festgelegt,
dass die Fahrzeuge und Ladungsträger im
Kombinierten Verkehr (KV) einsetzbar sein
müssen. Unverständlich dabei: Eine Kompatibilität
dieser Fahrzeuge zum Kombinierten
Verkehr ist in der Realität leider nur eingeschränkt
gegeben und tendenziell theoretischer
Natur. Dies gilt insbesondere für
Lang-Lkw vom Typ 1, d. h. mit überlangen
Sattelanhängern. Diese Fahrzeuge dürfen
insgesamt eine maximale Länge von 17,80
Meter haben und damit 1,30 Meter mehr als
bislang.
Wie die BASt in ihrem Abschlussbericht
schreibt, wird dieses Fahrzeug grundsätzlich
als Eins-zu-Eins-Ersatz des Fuhrparkbestandes
von konventionellen Sattelkraftfahrzeugen
gesehen. Der Test dieser Fahrzeuge
wurde daher um sieben Jahre verlängert.
Weiterhin unterliegen Lkw vom Typ 1 in vielen
Bundesländern nicht den Einschränkungen
des sogenannten „Positivnetzes“.
|
Preisentwicklung Güterverkehr in Deutschland. Grafik: Allianz pro Schiene, auf Basis des Statistischen Bundesamtes, 2016=1. Quartal |
|
Bei den heute im Kombinierten Verkehr
eingesetzten Sattelanhängern handelt es
sich dagegen um Europa-weit einheitliche
Fahrzeuge mit einer Länge von 13,60
Metern. Für dieses Maß sind auch die entsprechenden
Taschenwagen des Schienenverkehrs
dimensioniert. Für den Transport
überlanger Sattelanhänger sind nunmehr
also viele moderne Taschenwagen zu kurz!
Die überfällige Verlagerung von Verkehren
auf die Schiene wird durch den deutschen
Alleingang somit deutlich erschwert
und schafft unnötige bzw. vermeidbare
logistische Probleme. Neben der eingeschränkten
Fahrzeugverfügbarkeit bestehen
auch konstruktive Anforderungen an
überlange Sattelanhänger bei Einsatz im
Kombinierten Verkehr:
-
reduzierte Innenraumhöhe,
- klappbarer Unterfahrschutz,
- angepasster Fahrzeugrahmen am Heck,
- Greifkanten.
Derartige Sonderkonstruktionen sorgen für
zusätzliche Kosten – angesichts des Drucks
auf die Transportpreise ein fragwürdiges
Unterfangen! In der Praxis wird das im Fall
der massenhaften Einführung von Fahrzeugen
mit verlängerten Sattelaufliegern zum
ausschließlichen Straßentransport führen.
Um die Klimaschutzziele zu erreichen,
kommt demgegenüber dem Ausbau des
Kombinierten Verkehrs erhebliche Bedeutung
zu. Deshalb ist eine Regelzulassung für
derartige Fahrzeuge abzulehnen. Erforderlich
sind ein deutlich forcierter Ausbau der
Verlagerungsinfrastruktur, so zum Beispiel
der KV-Umschlaganlagen, und der zügige
Ausbau der Schienengüterverkehrsachsen.
Eine zweckgebundene Mauterhöhung
würde hierfür die notwendigen finanziellen
Spielräume schaffen.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und IGEB Fernverkehr
|