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Foto: BfVst |
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Seit der Wende ist die einst recht umfangreiche
Eisenbahninfrastruktur der eingleisigen
Strecke regelrecht eingestampft worden.
„Bloß keine Weiche zu viel, die Unterhalt kostet!“,
war anscheinend die Devise. Die Folgen
sind am deutlichsten im Bahnhof Kremmen
zu sehen, der früher ein Kreuzungsbahnhof
mit vier Bahnsteiggleisen war und heute nur
noch ein(!) durchgehendes Gleis und eine
Weiche mit einem Stumpfgleis zum Enden
eines Regionalbahntriebwagens hat. Eine
Begegnung zweier Züge von und nach Neuruppin
ist hier nicht mehr möglich.
Das rächt sich immer wieder, denn schon
kleine Verspätungen eines Zuges werden
mangels Ausweichmöglichkeiten an der
Strecke zwangsläufig an alle Züge weitergegeben.
Davon ist nicht nur der RE 6
Wittenberge—Neuruppin—Kremmen—Velten—Hennigsdorf—Spandau—Gesundbrunnen
betroffen, sondern auch die verstärkende
RB 55 Kremmen—Velten—Hennigsdorf.
Zwischen Wittenberge und Neuruppin
verkehrt der Regionalexpress alle zwei Stunden,
was nicht attraktiv ist, aber angesichts
der Fahrgastnachfrage in der recht dünn
besiedelten Prignitz derzeit ausreichend
erscheint. Ab Neuruppin mit seinen durchschnittlich
1500 Fahrgästen täglich in Richtung
Berlin wird es dann langsam eng. Die
hier stündlich verkehrenden Dieseltriebwagen
in Doppeltraktion (falls DB Regio nicht
gerade wieder Fahrzeuge fehlen) reichen im
Berufsverkehr nicht mehr aus. Und spätestens
ab Velten wird es richtig kuschelig. Darum
verstärkt zwischen Kremmen und Hennigsdorf
ein Triebwagen als RB 55 das Angebot
zu einem ungefähren Halbstundentakt
und sammelt die Fahrgäste von den Unterwegshalten
ein, die der RE 6 durchfährt. Im
morgendlichen Berufsverkehr werden die
RB 55-Züge noch durch Zusatzfahrten Velten—Hennigsdorf ergänzt.
Kommt nun die große Wende?
„Unser Projekt i2030 ist auf einem guten Weg.
Der Untersuchungsauftrag ist abgestimmt.
Auf der Strecke des RE 6 fangen wir mit Kreuzungsbahnhöfen
und Begegnungsabschnitten
zwischen Neuruppin und Kremmen an,
um schneller zwei Züge pro Stunde auf
die Strecke zu bringen“, verkündete Brandenburgs
Infrastrukturministerin Kathrin
Schneider nach der Lenkungskreis-Sitzung
im Juni. Inzwischen ist auch die Finanzierung
der Vorplanung Velten—Neuruppin
sichergestellt.
Das ist ein guter Anfang, aber der Kreistag
in Neuruppin fordert zurecht ein durchgehendes
zweites Gleis auf der gesamten Strecke
von Neuruppin bis nach Hennigsdorf.
Denn das ist unabdingbar für einen stabilen
Betrieb auf der Strecke und somit Grundlage
für ein verbessertes Verkehrsangebot. Dann
könnte beispielsweise der RE 6 zwischen
Velten und Neuruppin beschleunigt werden,
während die bis Neuruppin verlängerte
RB 55 alle Zwischenhalte bedient.
S-Bahn nach Velten
Die Nachfrage ist auch im nordwestlichen
Umland von Berlin in den letzten Jahren
gestiegen. Das Verkehrsaufkommen insbesondere
im Berufsverkehr zeigt allemal
die Notwendigkeit einer Verlängerung der
S-Bahn von Hennigsdorf nach Velten. Bereits
vor der deutschen Teilung existierte
eine durchgehende Verbindung mit der
Berliner S-Bahn, die sogar noch nach dem
Mauerbau zeitweise im Inselbetrieb Velten—
Hennigsdorf fortgeführt wurde. Aber
nach der Wende wurde die Berliner S-Bahn
1998 nur bis Hennigsdorf, also nur bis kurz
hinter die Stadtgrenze wieder in Betrieb
genommen, da im Land Brandenburg eine
weitere S-Bahn-Verlängerung abgelehnt
wurde. Dass inzwischen die S-Bahn nach
Velten eine realistische Chance hat, ist u. a.
das Verdienst von Veltens Bürgermeisterin
Ines Hübner, die sich immer wieder für dieses
lange Zeit aussichtslose Projekt eingesetzt
hat (siehe u. a. SIGNAL 2/2010).
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Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Eine Jahreszahl für die S-Bahn-Eröffnung ist auf dem Banner am Bahnhof Velten vorsorglich nicht angegeben. Foto: BfVst |
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In den Voruntersuchungen zu i2030 wurde
errechnet, dass eine S-Bahn-Anbindung
Veltens nach Hennigsdorf und Berlin im
20-Minuten-Takt eine Nachfrage von 5400
Fahrten täglich generieren würde. Die RB 55
könnte auf dem Abschnitt entfallen, und
der RE 6 würde um 1300 Fahrten entlastet.
dazu sollte die S 25 unbedingt zweigleisig
ausgebaut werden, um einen stabilen Fahrplan
und perspektivisch auch eine Taktverdichtung
auf 10 Minuten bis Hennigsdorf
zu ermöglichen. Das sollte unbedingt in Betracht
gezogen werden, wenn nun zwar ein
zweigleiger Ausbau Tegel—Hennigsdorf—Velten
untersucht wird, aber aufgrund der
beengten Platzverhältnisse im Gemeinschaftsbetrieb
S-Bahn/Regionalzug.
RE 6 direkt nach Gesundbrunnen
Eine Durchbindung des RE 6 über Berlin-Tegel
nach Berlin Gesundbrunnen steht schon
lange auf so manchem Weihnachtswunschzettel
Prignitzer Fahrgäste. Bisher ist ein Umsteigen
in Hennigsdorf in die S 25 erforderlich,
was das Pendeln in die Innenstadt z. B.
nach Gesundbrunnen unendlich lang erscheinen
lässt. Noch länger ist die alternative
umsteigefreie Anreise nach Gesundbrunnen,
wenn man im Zug sitzen bleibt und erst
einmal eine gefühlte Weltumsegelung über
Falkensee und Berlin-Spandau macht, um
dann die Fahrgäste wiederzusehen, die man
in Hennigsdorf in die S 25 verabschiedet hat.
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Der Bahnhof Velten wird zurzeit umfangreich umgebaut – aber noch ohne S-Bahn. Links ist die Fläche für einen späteren S-Bahnsteig freigehalten. Foto: BfVst |
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Bahnhof Hennigsdorf: Ein kurzes Stück fehlenden Gleises, das Welten trennt. Aber einfach nur verbinden und eine Stromschiene ans Gleis nach Velten reicht nicht aus. So muss der Abschnitt Schönholz—Tegel—Hennigsdorf zweigleisig ausgebaut werden, damit die S-Bahn ein stabiles leistungsfähiges Angebot zwischen Berlin und Velten fahren kann. Foto: BfVst |
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Der Bahnübergang Gorkistraße stellt eine besondere Herausforderung dar. Die Gleise zu überbrücken. wird mangels Platz schwer, eine Dammvariante der der Bahn könnte statische Probleme mit dem parallel laufenden Autobahn-Tunnel mit sich bringen. Foto: BfVst |
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Die Durchbindung des RE 6 über die
Kremmener Bahn parallel zur S 25 bis nach
Berlin Gesundbrunnen würde dank verkürzter
Fahrzeit so manchem Prignitzer
Pendler ermöglichen, morgens länger zu
schlafen, insbesondere wenn die Durchbindung
im Halbstundentakt erfolgen würde.
Das würde aber den Verkehr in Tegel erheblich
beeinträchtigen, insbesondere den
BVG-Busverkehr, wenn die Schranken der
Gorkistraße tagsüber länger geschlossen
als geöffnet wären. Um das zu vermeiden,
müssten die Gleise sowohl für Regio als auch
S-Bahn vermutlich auf einen Damm gelegt
werden, um für eine niveaufreie Kreuzung
zu sorgen, da für eine Straßenbrücke beiderseits
der Gleise der Platz fehlt. Mit der
Beseitigung der Schranke würde außerdem
eine verkehrliche Gefahrenquelle beseitigt.
Aber ein solches Projekt würde einen mehrjährigen
Planungsvorlauf und anschließend
eine mehrjährige Unterbrechung der S 25
erfordern und einen dreistelligen Millionenbetrag
kosten.
Auch der Abschnitt zwischen Gesundbrunnen
und Tegel ist nicht unproblematisch.
Immerhin gibt es vom Bahnhof
Gesundbrunnen bis Eichborndamm eine
eingleisige Güterbahn, die auch zweigleisig
ausgebaut werden könnte. Ab dort wird es
jedoch stellenweise eng, so dass wohl eine
seitliche Verschiebung der S-Bahn unabdingbar
wäre. Alternativen wären zwei autarke
eingleisige Regio- und S-Bahn-Strecken
oder eine gemeinsam in Mischnutzung betriebene
zweigleisige Strecke – mit all den
Risiken für die Fahrplanstabilität.
Die Durchbindung des Prignitz-Expresses
von Hennigsdorf über Tegel nach Gesundbrunnen
ist also mit Sicherheit kein schnelles
Projekt. Vor diesem Hintergrund sollte
– als Zwischenlösung – die Führung des
RE 6 von Hennigsdorf über den Berliner Außenring
zum Karower Kreuz und dann über
die Stettiner Bahn nach Gesundbrunnen
geprüft werden. Für Fahrten in die Berliner
Innenstadt wäre das auf jeden Fall attraktiver
als die heutige „Schlangenlinie“ über
Falkensee und Spandau. Aber aufgrund des
auch auf der Stettiner Bahn wachsenden
Verkehrs ist für ein langfristig leistungsfähiges
Bahnangebot die Führung des Prignitz-Expresses
über Hennigsdorf und Tegel nach
Gesundbrunnen bei allen Planungen und
Baumaßnahmen stets zu berücksichtigen
bzw. vorzubereiten.
Die Kehrseite von i2030
Es ist richtig, jetzt zu untersuchen, welche
Infrastruktur benötigt wird, um langfristig
leistungsfähige Bahnangebote auf der
Kremmener Bahn fahren zu können. Das
hat jedoch Auswirkungen auf die dringend
erforderliche Instandsetzung und Modernisierung
der in den 1990er Jahren mit relativ
wenig Aufwand wieder in Betrieb genommenen
S-Bahn-Strecke. Das war damals richtig,
um überhaupt wieder fahren zu können.
Jedoch wurde angenommen, dass nach 10
bis 20 Jahren ein grundhafter Ausbau folgt.
Inzwischen sind mehr als 20 Jahre vergangen,
ohne dass die praktisch fertigen, aber
möglicherweise zu überarbeitenden Planungen
für den Abschnitt Schönholz—Tegel
umgesetzt werden können. Umso wichtiger
ist es, dass das gesamte i2030-Teilprojekt
„Korridor Prignitz-Express/Velten“ mit
hoher Priorität weiterbearbeitet wird.
Berliner Fahrgastverband IGEB
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