|
Es bleibt dann also die Kernfrage: Wie kann
das Verhältnis 80 : 20 [80% ÖPNV-Anteil. 20%
MIV-Anteil] erreichen? Und besonders: In welchem
Zeitraum ist das möglich? Erfolgt also diese
Entwicklung parallel zu den Investitionen im
privaten Bereich? Wenn man sich die Finanzierungsmöglichkeiten
ansieht, die das Land Berlin
hat, dann muß man feststellen, daß neben den
unbedingt erforderlichen Sanierungsarbeiten an
Straßenbahn, U-Bahn und S-Bahn mit Sicherheit
bis zum Jahre 2000 - Stichpunkt Regierungsumzug
und Olympiade - nur hergestellt werden können:
- der S-Bahn-Ring.
- die S-Bahn-Umland-Verbindungen.
- die Lückenschlüsse im Stadtgebiet, hier für uns
von besonderem Interesse die U2 zwischen Mohrenstraße
und Wittenbergplatz
- sowie die Schließung der Lücke zwischen Schlesischem
Tor und Warschauer Straße auf der U1.
Damit stehen alle anderen geplanten Verkehrsverbindungen
- das muß man hier ganz besonders
deutlich machen für den U-Bahn-Bau - nicht zur
Verfügung, weder die U5 zwischen
Alexanderplatz und Lehrter Bahnhof als zusätzliche
Ost-West-Verbindung noch die S21 von Yorckstraße
über Gleisdreieck, Potsdamer Platz, Reichstag,
Lehrter Bahnhof bis zum Nordring oder zum
Flughafen Tegel als zusätzliche Nord-Süd-Verbindung.
Ich setze mal in Klammem: Das schließt
nicht aus, daß die Rohbauarbeiten Für den Tunnel
im Bereich des Potsdamer Platzes und des
Reichstages/Spreebogens erfolgt sind. Aber zwischen
Rohbauarbeiten und Verkehrsaufnahme ist
noch ein erheblicher Zeitraum.
Wenn zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt
werden, sind sie daher aus wirtschaftlichen und
betrieblichen Gründen vorrangig in die Sanierung
der Straßenbahn hineinzustecken. Bei dieser Situation
insbesondere der fehlenden Ost-West-Verbindungen
mit öffentlichen Verkehrsmitteln,
aber auch der fehlenden Nord-Süd-Verbindungcn
in dem Bereich Nikolaiviertel/Rathaus sollte
zwingend geprüft werden, ob es nicht zweckmäßig
wäre, mindestens eine der Ost-West-Straßenbahnlinien
im Zuge der Leipziger Straße und eine
der Nord-Süd-Straßenbahnlinien im Zuge der
Spandauer Straße zu bauen, wobei aus betrieblichen
Gründen ein Stadtbahnquerschnitt mit gesondertem
Gleiskörper vorzusehen wäre. Ich mache aber hier
eine Anmerkung dazu: Ein Stadtbahnquerschnitt
ist etwas sehr schönes, aber in
Geschäftsstraßen unterbindet er das Queren der
Straße durch diesen gesonderten Gleiskörper, weil
ja die Straßenbahn da mit hoher Geschwindigkeit
fährt. Man muß also hier genau abwägen, was man
will. Will man die Stadtbahn oder will man die
Straßenbahn? Das ist ein großer Unterschied. Daß
heißt, in der Diskussion "Straßenbahn - ja oder
nein?" wäre auch die Frage zu stellen, welche Art
diese Straßenbahn haben soll. Wenn es gelingen
sollte, zumindest diese beiden Straßenbahnlinien
und die übrigen, von mir vorhin genannten U- und
S-Bahn-Linien zu bauen, dann dürfte es möglich
sein, den Verkehr in etwa 80 : 20 abwickeln zu
können, wenn ich mal bestimmte Spitzenzeiten
auslasse.
Auszug aus dem Referat "Erforderliche Infrastruktur
in der Berliner Innenstadt", gehalten auf
der 25. Sitzung des Stadtforums am 12.12.1992.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung und Umweltschutz.
****
(IGEB) Warum dieses alte Referat eines pensionierten
Beamten? Herbert Liman, bis 1991 Leiter
der Abteilung Verkehrswegebau bei der Berliner
Senatsbauverwaltung, war in den letzten
Jahrzehnten einer der wichtigsten "Umsetzer".
Ohne ihn hätte der Senat so manches Straßen-,
Autobahn- oder U-Bahn-Projekt nicht oder nur
langsamer durchsetzen können. Wenn nun ein
solcher Mann vor Illusionen warnt und für die
Straßenbahn (!) plädiert, so hat dies erhebliche
Bedeutung und sollte ßir alle "Betonköpfe " Anlaß
zum Nachdenken sein. Und daß Herbert Limans
Äußerungen fundiert waren, bestätigten
inzwischen Mitarbeiter verschiedener Senatsverwaltungen:
Wenn im Jahr 2000 der Lehrter Bahnhof stehen
sollte, dann gebe es zwar einen U- und
S-Bahn-Tunnel. Aber bis eine U-Bahn zum
Alexanderplatz oder eine S-Bahn zum Flughafen
Tegel fahren kann, würden noch viele Jahre vergehen.
Vor allem die S-Bahn zum Flughafen, ein
Bonner Wunsch, wolle in Berlin gar keiner haben.
Ein Geheimnis? Mitnichten, im ausgestellten
Flächennutzungsplanentwurf fährt nicht die
S21, sondern die U5 zum Flughafen Tegel! Herbert Liman
|