Planung

Vorentwurfsplanung für Verkehrsanlagen im Zentralen Bereich abgeschlossen

"Die Vorentwurfsplanung für die Verkehrsanlagen im Zentralen Bereich zwischen dem Spreebogen am Reichstag und dem Gleisdreieck ist abgeschlossen. Damit sind in Rekordzeit die Voraussetzungen für das im Spätsommer dieses Jahres beginnende Planfeststellungsverfahren geschaffen worden." Dies erklärte Bausenator Wolfgang Nagel zur Eröffnung einer Ausstellung über die jetzt vorliegenden konkreten Pläne. Der Bausenator betonte, daß mit dem Beschluß der Bundesregierung zum Bundesverkehrswegeplan vom Juli 1992 die Grundlage für eine neue Nord-Süd-Durchquerung Berlins durch die Eisenbahn geschaffen wurde, die nun nicht mehr in Frage gestellt wird. Das Vorhaben soll durch den Bau einer neuen S- und U-Bahn-Linie sowie eines Straßentunnels ergänzt werden. Diese vier Verkehrswege stellen insgesamt die Verkehrsanlagen im Zentralen Bereich Berlins dar.

Die Vorentwurfsplanung bezieht sich konkret auf

  • die Fernbahn zwischen dem nördlichen Berliner Innenring und dem Verzweigungspunkt der Anhalter und Dresdner Bahn im Süden,
  • die neue S 21 zwischen dem nördlichen Innenring und dem Gleisdreieck.
  • die U 5 zwischen Lehrter Bahnhof und dem S-Bahnhof Unter den Linden.
  • den Straßentunnel zwischen Heidestraße und Reichpietschufer.

Weiter führte der Bausenator aus: "Wir haben den ersten wichtigen Schritt hinter uns. der mit der Bestätigung der Vorentwurfsplanung endet. Nun ist es Aufgabe der beiden Bauherren. Deutsche Reichsbahn und Senat, genau festzulegen, was der Entwurfsplanung zugrundezulegen ist. Wir wollen im Frühjahr 1995 mit ersten Bauarbeiten beginnen. Diese Terminkette stellt unter anderem die Fertigstellung der Tunnelanlagen im Spreebogenbereich bis Ende 1997 sicher."

Als "Wermutstropfen" in diesem Zusammenhang bezeichnete Senator Nagel die Notwendigkeit des Abrisses des alten Lehrter Stadtbahnhofes. Dieser Entscheidung vorangegangen waren intensive Untersuchungen der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen unter Beteiligung auch der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Diese Untersuchungen haben ergeben, daß der S-Bahnhof selbst bei einer Verschiebung des neuen Lehrter Bahnhofs zu 60% abgerissen werden müßte. Darüber hinaus wären bei einer Verschiebung nach Westen die unter Denkmalschutz stehenden Reste des Zellengefängnisses, die Moltkebrücke. die Schweizer Botschaft, der Reichstag und die Bebauung der Lehrter Straße betroffen. Außerdem würde sich, auch zur Vermeidung sehr ungünstiger Betriebsbedingungen für die Bahn, eine weitreichende Umplanung für den Lehrter Bahnhof mit einer Terminverschiebung von mindestens einem halben Jahr ergeben. Sie würde sich zwangsläufig auf den Baubeginn für die Regierungsbauten im Spreebogen sowie die Privatinvestitionen am Potsdamer Platz auswirken.
Landespressedienst, 12. Mai 1993

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(IGEB) "Wir haben den ersten wichtigen Schritt hinter uns. der mit der Bestätigung der Vorentwurfsplanung endet", behauptete also Bausenator Nagel. Doch die Realität sieht anders aus: Die Vorentwurfsplanung wurde zwar am 31. März abgeschlossen, aber eine Bestätigung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Ende Mai wurde bekannt,
  • daß die DR den Fernbahnhof Gesundbrunnen gestrichen hat,
  • daß die in der Vorentwurfsplanung enthaltene S21 (Yorckstraße - Lehrter Bahnhof - Westhafen - Flughafen Tegel) bei der sogenannten "Standardisierten Bewertung"den erforderlichen Nutzen-Kosten-Wert von 1 nicht annähernd erreicht hat und
  • daß die Straßenplanung am nördlichen Ende des geplanten Tunnels noch vollkommen ungeklärt ist (denn der derzeit ausgestellte Flächennutzungsplanentwurf sieht anders aus, als die gleichzeitig gezeigten Trassenpläne der Verkehrsverwaltung),
  • daß zur Senkung der Kosten wahrscheinlich auch auf den Bau des Fernbahnhofes Spandau, auf die Realisierung des (in SIGNAL 3/93 vorgestellten) Architekturentwurfes für den Lehrter Bahnhof sowie auf den Ausbau der Dresdener und der Nordbahn verzichtet werden soll.
  • Am gravierendsten ist der Wegfall von Fernbahnhöfen. Selbst leidenschaftliche Anhänger des Pilzkonzeptes werden zugeben müssen, daß damit die Fundamente der auf Dezentralität ausgerichteten Berliner Stadt- und Verkehrsplanung zerstört werden. Diese Dezentralität ist allerdings zwingend, denn der Lehrter Bahnhof wird sonst doch zum Zentralbahnhof gemacht, ohne aber aufgrund seiner Größe und Lage diese Rolle übernehmen zu können. "Pfifferling oder Fliegenpilz? " dürfte damit selbst für die Befürworter des Pilzkonzeptes keine Frage mehr sein. Von Anfang an war das Pilzkonzept der Eisenhahn durch einen an die Bahnplanung angehängten Straßentunnel belastet, dessen Realisierung im Großen Tiergarten ohne den Bahntunnel niemals durchsetzbar wäre und dessen Finanzierung bis heute ungeklärt ist. Mit dem Streichen von Fernbahnhöfen ist das Pilzkonzept nun endgültig ungenießbar geworden.

    Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen

    aus SIGNAL 5/1993 (Juli 1993), Seite 8

     

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