Ja zur Fehmarnbeltquerung, Nein zum
Münchener Transrapid und versteckte Millionen
für „Stuttgart 21“: Ende November
hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für
die Verteilung von 5,1 Milliarden Euro für
Schienenprojekte, Straßen- und Wasserstraßen
bekannt gegeben. Viel Geld soll
an langwierige Großprojekte von zweifelhaftem
Nutzen gehen, etwa den Brenner-
Basis-Tunnel. Im Kampf gegen den
Klimawandel drohen diese EU-Milliarden
zu verpuffen.
Wer bekommt wie viel aus dem EU-Topf?
Diese Frage, die wie ein Damoklesschwert
über der Realisierungschance für so manches
Verkehrsprojekt in der EU lag, ist in einer
ersten großen Marge bis 2013 entschieden.
Für 5,1 Milliarden Euro hat die EU nun
konkrete Ankündigungen gemacht, welche
Maßnahmen sie in welcher Höhe fördern
will.
Mit vier Milliarden Euro erhält die Bahn bis
2013 – auf dem Papier – zwar einen Löwenanteil
der Mittel aus den Transeuropäischen
Netzen (TEN). Der Effekt für Umwelt- und
Klimaschutz dürfte aber dennoch verpuffen.
Denn zum einen gehen die größten Summen
dabei an Großprojekte wie den Brenner-Basis-
Tunnel oder die Alpenquerung Lyon—Turin,
die – wenn überhaupt – erst in Jahrzehnten
fertig sein werden. Gleichzeitig werden Projekte
wie die Fehmarnbeltbrücke, die in erster
Linie der Straße dienen, der Schiene zugeordnet.
Die Profiteure einer solchen Politik sind
die Banken und die Bauindustrie. Leidtragender
ist das Klima.
Fehmarnbeltbrücke –
eine Fehlentscheidung
Obwohl sie ein Projekt des Kalten Krieges
ist, wird die Fehmarnbeltbrücke zwischen
Deutschland und Dänemark mit 27,6 Prozent
und damit mit einem der Höchstsätze
unterstützt. Die Planungen gehen auf eine
Zeit zurück, als durch den Eisernen Vorhang
östlich von Schleswig-Holstein ein Nord-Süd-
Verkehr kaum möglich war.
Seitdem haben sich die Verkehrströme
gewaltig verändert, unter anderem dadurch,
dass die Häfen in Ost-Deutschland und Ost-
Europa mit Milliardenaufwand saniert wurden.
Diese Häfen geraten durch die Brücke
aufs Abstellgleis. Der Boom des Rostocker Hafens
– seit 1990 sind die Passagierzahlen dort
um fast das Dreißigfache und die Gütermengen
um mehr als das Hundertfache angestiegen
– wird nicht zur Kenntnis genommen.
Abgelehnt hat die EU-Kommission hingegen
das Ansinnen der Bahn, die Elektrifizierung
der eingleisigen Zulaufstrecke zu unterstützen.
Damit ist die Fehmarnbeltbrücke ein
reines Straßenprojekt!
Auch ein anderes Lieblingsprojekt von
deutschen Landes- und Lokalpolitikern findet
die finanzielle Unterstützung der EU,
wenn auch durch die Hintertür: das Bahnhofsprojekt
„Stuttgart 21“. Zwar wird der Bahnhof
nicht offiziell kofinanziert – dafür fließen
aber EU-Mittel in die Eisenbahnstrecken
Stuttgart—Wendlingen (12,8 Prozent) und
Wendlingen—Ulm (14 Prozent). Die Quersubventionierung
ist offensichtlich, wenn
man bedenkt, dass die Durchbindung von
Wien nur mit 3 Prozent kofinanziert wird und
Erfurt—Nürnberg nur mit 5 Prozent.
Richtig:
Keine Transrapid-Förderung
Positiv zu bewerten ist allerdings,
dass in den Transrapid vom Münchener
Flughafen zum Hauptbahnhof
keine TEN-Mittel fließen. Damit
dürfte Stoibers (Alb-)Traum wohl
gestorben sein. Die EU-Kommission
hat richtig erkannt, dass es
sich hier um ein landespolitisches
Prestigeobjekt handelt und nicht
um eine Maßnahme von europäischem
Interesse. Beim Versuch der
EU, den Systemflickenteppich im
Eisenbahnverkehr aus 20 Signalsystemen,
sechs Stromspannungen
und vier unterschiedlichen Spurweiten
aufzulösen, wäre der Transrapid
zudem kontraproduktiv, weil
nicht interoperabel.
Ein wichtiges Signal gibt die Kommission
auch mit der Zusage von
200 Mio. Euro für die „Rail Baltica“,
einer wichtigen Alternative zum Autobahn-
Projekt „Via Baltica“, das ein Naturschutzgebiet
zerstören würde. Diese Verbindung, die
Polen mit den baltischen Staaten verbinden
soll, wurde vor allem von der abgewählten
Regierung Kaczynski gegen alle Proteste der
EU vorangetrieben. Die neue polnische Regierung
sollte das Straßenprojekt zumindest
in dieser Form ad acta legen.
Verkehrspolitische Wende in Frankreich
Dass in den Mitgliedsstaaten kluge Weichenstellungen
möglich sind, beweist derzeit der
französische Präsident Nicolas Sarkozy. Was
seine konservative Regierung als Klimaschutz-
Programm vorgelegt hat, klingt in vielen
Punkten wie der Wunschkatalog von Umweltverbänden.
Neben dem Baustopp für neue Autobahnen
soll es eine CO2-Steuer geben, unterstützt
durch Ökolabels für Neuwagen, die zum
Beispiel Geländewagen staatlich verteuern.
Nach Schweizer Vorbild soll auf den Schwerlastverkehr
eine Abgabe erhoben werden,
um mit deren Einnahmen das Bahnnetz auszubauen.
Im Alpenstaat hat man durch eine
im Vergleich zu Deutschland viermal höhere
Lkw-Maut in vielen Bereichen eine Rückverlagerung
von der Straße auf die Schiene
geschafft und unnötigen Verkehr erheblich
reduziert, ohne dass die Verbraucherpreise
spürbar gestiegen sind. Sarkozy will bis 2020
mit diesen Einnahmen im Schienengüterverkehr
zwei neue Nord-Süd-Strecken bauen
und das TGV-Netz verdoppeln. Zudem soll
das Straßenbahnnetz vervierfacht werden.
Brenner:
Ausbau wäre sinnvoller
als Neubau
Die EU-Kommission wäre
gut beraten, bei der Vergabe
ihrer TEN-Mittel auf
eine bessere Kosten-Nutzen-
Effizienz zu setzen. So
sollte der Bau der Neubaustrecke
Brenner-Basis-Tunnels
– zwischen München
und Verona addieren sich
die Tunnelstrecken auf 250
Kilometer – zugunsten
der Modernisierung der
bestehenden Verbindung
aufgegeben werden. Zudem
sollten zunächst die
Auswirkungen der neuen
Schweizer Alpenquerungen
(Lötschberg- und Gotthardt-
Basis-Tunnel) beobachtet
werden. „Intelligenz statt
Beton“ sollte der Maßstab
sein, wenn die EU-Kommission voraussichtlich
2009/2010 über die Vergabe der übrigen
knapp drei Milliarden Euro aus dem TENHaushalt
entscheidet.
Weiter Infos der EU-Kommission im Internet:
ec.europa.eu/ten/transport/index_en.htm
Michael Cramer, MdEP
Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament
|