Wer schon einmal im Rheintal war, besonders im schönsten Abschnitt zwischen Koblenz und Bingen, weiß, dass Bahnlärm eine wirkliche Belastung für die Anwohner sein kann. 400 000 Menschen haben sich dort in verschiedenen Bürgerinitiativen zusammengeschlossen, um mehr Lärmschutz zu erreichen. Es reicht nicht aus, diesen Menschen zu sagen, dass der Schienenverkehr umwelt- und vor allem klimafreundlicher ist als Lkw und Flugzeuge, sondern es muss dafür gesorgt werden, dass diese Menschen nachts wieder ruhig schlafen können. Sonst sagen Sie irgendwann – einige
tun das leider schon heute: Weg mit dem Schienenverkehr!
Dies bestätigte eine Fachtagung zum Thema Schienenlärm in Bingen am Rhein am 2. April, bei der selbst Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Bahnchef Hartmut Mehdorn persönlich Rede und Antwort standen.
Vertreter der Bürgerinitiativen hatten sogar gefordert, die Bahnhöfe außerhalb der Wohnbereiche
zu verlegen, Güterzüge auf 30 km/h zu begrenzen und den Einsatz ausländischer Dieselloks auf der Rheinstrecke zu verbieten, obwohl letztere dort nicht präsent sind. Eine weitere Forderung war, den Verkehr auf andere
Strecken oder von der Schiene weg zu verlagern.
Das aber ist angesichts des Klimawandels definitiv die falsche Lösung, zumal der Lärm dann nur an die Straßen, andere Bahnstrecken oder die Flughäfen verlagert werden würde. Vertreter der Bahn und Landes- und Kommunalpolitiker
aus Rheinland-Pfalz und Hessen verwiesen darauf, dass solche Schritte nicht möglich wären. Der Rheinland-pfälzische Verkehrsminister Hendrik Hering (FDP) betonte, dass in der Kulturlandschaft Rheintal Bürger ein Recht auf Lärmschutz hätten. Andererseits sprach er sich gegen Lärmmauern aus, die das Landschaftsbild verschandeln würden.
Rheintal ohne Lärmschutz?
Während es für neue Strecken immerhin Lärmschutzanforderungen
gibt, gilt dies nicht für bestehende Strecken – wie die im Rheintal, wo schon seit 1859 Züge rollen.
Seit 1999 gibt es ein Lärmsanierungsprogramm
des Bundes, das anfangs mit gut 50 Millionen Euro allerdings eher bescheiden ausgestattet war. Dazu kam das altbekannte Problem, dass die Bahn erst einmal entsprechende
Planungskapazitäten aufbauen und dann Planungen für die zu sanierenden Strecken
erstellen musste. Deswegen dauerte es ein paar Jahre, bis das Programm ins Rollen kam, und deshalb sind erst 115 Kilometer Schienenstrecken
mit Lärmschutzwänden ausgestattet worden – darunter auch Strecken im Rheintal. Außerdem wurden in 30 000 Wohnungen Lärmschutzfenster eingebaut und insgesamt 360 Kilometer Schienenstrecken lärmsaniert. Das entspricht allerdings nur zehn Prozent der gesamten Strecken, die lärmsaniert werden sollen. Auch wegen dieses langsamen Voranschreitens
ist der Unmut bei den Anwohnern nicht weniger geworden.
Ein anderer Grund für anhaltenden Unmut ist, dass die sogenannten passiven Lärmschutzmaßnahmen
den Lärm zwar um einige Dezibel mindern, aber die Lärmschutzfenster nur wirken, wenn sie geschlossen sind. Doch wer will schon den gesamten Sommer bei geschlossenen
Fenstern verbringen?
Zudem können und werden Lärmschutzwände
nicht lückenlos gebaut. Wer das Rheintal
kennt, weiß, wie eng es dort ist. Und Lärmschutzwände
verschandeln auch Landschaften
und Orte.
Leiser mit Kunststoffbremssohlen
Eine Lösung könnte die Ausrüstung von Güterwagen
mit Kunststoffbremssohlen sein, die den Lärm erheblich verringern. Die Umrüstung
von Güterwagen mit der sogenannten K-Bremssohle reduziert den entstehenden Lärm deutlich um etwa 10 dB(A), das ist teilweise mehr, als mit Lärmschutzwänden möglich ist.
In einigen Fällen würde dies den Bau von Lärmschutzwänden und anderen passiven Maßnahmen überflüssig machen – an besonders lauten Abschnitten sollte es aber dennoch zusätzliche Maßnahmen geben.
Diese Bremsen sind für neue Güterwagen zwar vorgeschrieben, – und die DB hat seit 2001 bereits 3000 neue Fahrzeuge angeschafft. Wegen der langen Lebensdauer von über 30 Jahren wird aber die natürliche Erneuerung der über 130 000 älteren Güterwagen sehr lange dauern – zu lange, für die Menschen im Rheintal
und anderswo.
Auf der Fachtagung in Bingen wurde deutlich, dass Politik und Bahn bemüht sind, die Ausstattung von Güterwagen mit der K-Bremssohle zu beschleunigen. Ein in Bingen zusammengestellter Vorführ-Güterzug mit Wagen, die ohne und mit der K-Bremssohle fuhren, demonstrierte den Teilnehmern eindrucksvoll,
welch erhebliche Lärmminderung sowohl bei der Vorbeifahrt eines Zuges als auch beim Bremsvorgang selbst dadurch erreicht
werden kann.
Mehr Mittel erforderlich
Deswegen begrüßt es der Deutsche Bahnkunden-
Verband, dass auch die Bundesregierung langsam erkennt, dass es eine bessere Lösung gibt, den Lärm zumindest deutlich zu senken. Es müssen die bestehenden Güterwagen aber erheblich schneller umgerüstet werden. Das ist sogar deutlich billiger, als überall Lärmschutzwände
zu bauen. So sind in das Lärmsanierungsprogramm
bislang etwa 3500 Kilometer
Schienenstrecken aufgenommen worden. Die Lärmschutzwände allein für diese nur etwa 10 % des gesamten DB-Schienennetzes betragen
etwa zwei Milliarden Euro. Selbst mit den nun 100 Millionen Euro, die dafür jährlich zur Verfügung stehen, würde es 20 Jahre dauern, bis alle Strecken saniert werden.
Daher sollten, wie es die Grünen und die Linken im Deutschen Bundestag fordern, bis zu 50 % der bisherigen Mittel für Lärmschutzwände für die Umrüstung von Güterwagen zur Verfügung gestellt werden. Dem wollten sich die Regierungsparteien im Bundestag allerdings (bisher?) nicht anschließen.
Die Kosten für die Umrüstung von etwa 130 000 Güterwagen würden etwa 600 Millionen
Euro, also etwa ein Viertel der Kosten für Lärmschutzwände, betragen. Die Umrüstung ließe sich in etwa 10 Jahren bewerkstelligen, ohne dass der Schienengüterverkehr zusammenbrechen
würde. Hiervon würden alle Anwohner von Schienenstrecken profitieren, nicht nur die, die an den besonders belasteten Strecken wohnen und die deswegen in das Lärmsanierungsprogramm aufgenommen wurden.
80 Prozent der in Deutschland verkehrenden
Güterwagen stammen aus Deutschland. Allerdings fahren gerade im Rheintal auch viele
ausländische Bahnen, deren Züge bei einem rein national ausgerichteten Programm nicht leiser werden würden. Deswegen muss dafür gesorgt worden, dass die Bundesregierung ein EU-weit abgestimmtes Vorgehen vereinbart.
Natürlich müssen auf diesem Weg EU-rechtliche Bestimmungen eingehalten werden. Das darf aber kein Vorwand zum Zögern sein. Der DBV glaubt auch nicht, dass die Förderung der Umrüstung den Beihilfetatbestand erfüllt. Denn die Eisenbahn-Unternehmen haben keinen eigenen wirtschaftlichen Vorteil davon, selbst bei einer 100 %-Förderung nicht. Denn nicht sie, sondern die Anwohner an hoch belasteten Eisenbahnstrecken profitieren von geringerem Lärm. (mkv)
Der Autor bedankt sich bei Gerrit Schrammen, Mitarbeiter
im MdB-Büro des Umweltpolitikers Lutz Heilmann,
für die fachliche Beratung. Südwestdeutscher Bahnkunden-Verband
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