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ÖPNV mit Fahrradtransport in Rheinsberg. Foto: Volkmar Wagner |
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Die drohende drastische Einschränkung des
Zugangebotes nach Rheinsberg hatte im
Herbst 2006 Verantwortliche und Betroffene
der Region aufgeschreckt. Dennoch
konnten die Abbestellungen des Landes
zum 10. Dezember nicht mehr verhindert
werden. Aber auf Vorschlag des Berlin-Brandenburgischen
Bahnkunden-Verbandes
gab es einen „Runden Tisch“ zur Zukunft
des Bahnanschlusses von Rheinsberg, der
zur Gründung der Initiative „Rheinsberg
mobil“ führte.
Weil die Auslastung der Züge zu gering
gewesen sei, hatte das Land Brandenburg
die Fahrten des RE 6 von Neuruppin nach
Rheinsberg abbestellt. Seit dem 10. Dezember
2006 gibt es nur noch Regionalbahnverkehr
von Rheinsberg nach Löwenberg
(RB 54) mit Anschluss zur RB 12 Templin—
Löwenberg—Berlin-Lichtenberg. Lediglich
früh und abends gibt eine durchgehende
Verbindung nach Berlin-Lichtenberg über
Berlin-Gesundbrunnen.
Dieser Fahrplan gilt allerdings täglich nur
im Saisonverkehr, das ist in diesem Jahr der
Zeitraum vom 27. April bis 30. September.
Im Winterhalbjahr verkehren die Züge von
und nach Rheinberg nur freitags bis sonntags.
Wochentags gibt es Schienenersatzverkehr
mit der neu eingerichtete Buslinie
784 Rheinsberg—Lindow—Gransee des in
der Region agierenden Regionalbusunternehmens
Ostprignitz-Ruppiner Personenverkehrsgesellschaft
mbH (ORP). Eine weitere
Änderung betraf den Fahrzeugeinsatz:
Nach dem bisherigen RE 6-Angebot mit
modernen Niederflur-Triebwagen (BR 246)
kommen nunmehr Triebwagen der BR 628
zum Einsatz, weil nur diese aufgrund ihrer
geringen Achslast noch zwei marode Brücken
in Lindow befahren dürfen.
Proteste, Briefaktionen und Unterschriftensammlungen
hatten zwar die vollständige
Einstellung des Bahnverkehrs nach
Rheinsberg verhindern können, aber das
Ergebnis ist dennoch unbefriedigend. Beim
Runden Tisch (s. SIGNAL 6/2006) kritisierten
Schülervertreter die teilweise schon länger
bestehenden chaotischen Verhältnisse im
Busverkehr. Hoteliers und Betreiber touristischer
Einrichtungen sehen die Gefahr eines
unumkehrbaren Attraktivitätsverlustes,
besonders für ihre spezielle Klientel – vom
Rolli-Fahrer bis zur Schülergruppe. So ist
zum Beispiel Europas größte barrierefreie
Ferieneinrichtung, das Rheinsberger „Haus
am See“, auf eine Mobilitätskette ohne Zugangshemmnisse
zwingend angewiesen!
Der Parallelverkehr Bahn/Bus auf weiten
Abschnitten verbessert scheinbar das Verkehrsangebot,
bedeutet aber mittelfristig
den „Tod auf Raten“ für die Bahn. Allerdings
ist die Erreichbarkeit
des Bahnangebotes
gerade an dieser Regionalstrecke
derzeit
schwierig. Die Zugangsstellen
an den
Zwischenstationen
liegen historisch bedingt
in zu großer Entfernung
zur Bebauung, Zwischenhalte sind
abbestellt. Regionalbusse kommen näher
zum Kunden.
Obwohl die Busgesellschaft ORP moderne,
größtenteils rollstuhltaugliche Fahrzeuge
einsetzt, ist das Angebot unzureichend: Pro
Fahrt können maximal zwei Rolli-Fahrer mitgenommen
werden. Außerdem sind sind für
Rollstuhlfahrer geeignete Haltestellen in der
Region Mangelware.
Bemängelt wurde am Runden Tisch auch
das unzureichende Fahrplan- und Linienangebot
im Regionalbusverkehr. Hier ist allerdings
die Erschließung der Region nicht besser
oder schlechter als in anderen Gebiete
im Land Brandenburg. Erschwerend kommt
für den Regionalbusbetrieb noch hinzu, dass
sich der Landkreis Ostprignitz-Ruppin bereits
seit Jahren komplett aus der Finanzierung des
ÖPNV über das gesetzlich vorgeschriebene
Maß hinaus verabschiedet hat!
So stellten die sehr engagierten Teilnehmer
der am 15. November gestarteten Treffen
schnell fest, dass eine Zukunft für die
Bahnanbindung Rheinsbergs nur in einer
komplexen Verkehrslösung für die Region
liegen kann. Die Stärkung des Bahnverkehrs
ist nur mit einer umfassenden Ausrichtung
des gesamten ÖV auf diese Strecke möglich.
Dazu bedarf es zuerst einer ungeschönten,
verkehrsmittelübergreifenden Analyse der
bestehenden Verhältnisse: Vom Abbau von
Parallelverkehren, den Möglichkeiten der Erschließung
neuer Fahrgastpotenziale durch
den attraktiven ÖV-Anschluss von weiteren
touristischen Zielen und Einrichtungen
rund um Rheinsberg bis zur notwendigen
Ertüchtigung und Weiterentwicklung der
Streckeninfrastruktur.
Schnell wurde allen Beteiligten klar, dass
eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse
sehr oft an Fragen der Finanzierbarkeit
scheitert. Aber bereits kleine preiswerte
Schritte können weiterhelfen. So ist die umfassende
kundengerechte Information über
das ÖV-Angebot ein bisher noch weitestgehend
vernachlässigter Bereich.
Zwischenzeitlich haben die Informationen
über die aktuelle – komplizierte – Erreichbarkeit
in vielfältiger Form Eingang in
die Fahrgastinformationsmedien der Deutschen
Bahn und des Verkehrsverbundes gefunden
und auch die Kommune und die touristischen
Leistungsträger bewerben besser
als bisher die Erreichbarkeit Rheinsbergs mit
den „Öffentlichen“.
Im April hat das Engagement der Betroffenen
mit der Gründung der Initiative
„Rheinsberg mobil“ eine neue Dimension
bekommen. Die Kommune, Vertreter
der Lokalpolitik, die beiden Rheinsberger
Fremdenverkehrsvereine, Hotels und Tagungshäuser,
Touristiker und vor Ort tätige
Verkehrsunternehmen haben sich zu einem
Aktionsbündnis zusammengeschlossen.
Rheinsberg mobil hat sich zur Aufgabe gestellt,
einen wirtschaftlich tragfähigen ÖPNV
zu entwickeln, „der die Bedürfnisse der Touristen
bei der An- und Abreise sowie Mobilität
während des Urlaubsaufenthaltes auf
qualitativ hochwertigem Niveau befriedigt“.
Sie will natürlich auch „die Mobilitätsangebote
für die Rheinsberger verbessern und
das Zusammenwachsen der Dörfer mit der
Kernstadt unterstützen, den Schülerverkehr
neu ordnen (…) und mehr Verkehr auf die
Bahn bringen“.
Der Deutsche Bahnkundenverband ist mit
einem ständigen Vertreter bei allen Treffen
maßgeblich an der Entwicklung beteiligt. Eine
umfassende fachliche Beratung und eine gewisse
Moderatorenrolle haben dazu geführt,
dass die Initiative mittlerweile Gehör beim
Verkehrsverbund gefunden hat und dass
auch anfängliche Irritationen mit der ORP ausgeräumt
scheinen. Es liegt allerdings noch ein
großes Stück Arbeit vor allen Beteiligten.
Erste positive Ergebnisse geben aber Anlass
zur Hoffnung: Im Herbst 2007 beginnt
der Neubau der Brücken in Lindow, der zur
Saison 2008 abgeschlossen sein wird und
dann wieder den Betrieb mit Niederflurtriebwagen
zulässt. Eine Bestandsgarantie
für die Strecke ist bis zum vollständigen
Rückbau des ehemaligen Kernkraftwerkes
Rheinsberg zuerst einmal bis 2012 gegeben.
Die ORP hat die zwei wichtigsten Regionalbuslinien
im Gebiet fahrplantechnisch so
verändert, dass der Anschluss an die RB 54
am Bahnhof Rheinsberg nunmehr gegeben
ist. Und ein privat finanzierter Probebetrieb
„Rheinsberger Ringbus“ zeigte anlässlich der
Eröffnung des Brandenburger Radfrühlings
am 28. April Möglichkeiten eines alternativen
Angebotes als Ergänzung der bestehenden
Busverkehre. Berlin-Brandenburgischer Bahnkunden-Verband
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