Die insgesamt 17 „Verkehrsprojekte Deutsche
Einheit“ wurden 1991, wenige Monate
nach der Wiedervereinigung, seitens der
Bundesregierung auf den Weg gebracht.
Das Verkehrsprojekt Nr. 8 ist dabei das größte
der insgesamt neun Schienenprojekte
dieses Programms und zugleich Bestandteil
des 1996 von der Europäischen Union
initiierten Konzepts der Transeuropäischen
Verkehrsnetze (TEN-V), hier als Projekt Nr. 1
Berlin—München—Rom—Palermo.
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Die Ilmtalbrücke ist Bestandteil der Neubaustrecke Ebensfeld—Erfurt. Ab 2017 sollen hier die Hochgeschwindigkeitszüge Nürnberg—Berlin verkehren. Die 1681 m lange und rund 50 m hohe Brücke wird allerdings bereits 2011 fertiggestellt sein. Die Neubaustrecke verbucht auch einen neuen deutschen Rekord: Der Brücken- bzw. Tunnelanteil an der Gesamtstreckenlänge liegt bei rund 50 Prozent, was zwangsläufig zu überdurchschnittlichen Baukosten führt. Foto: DB AG |
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Das VDE-Projekt Nr. 8 gliedert sich dabei von
Süd nach Nord in folgende Abschnitte:
- VDE 8.1: 83 km Ausbaustrecke (ABS) Nürnberg—
Ebensfeld (mit S-Bahn Nürnberg—
Forchheim) sowie 107 km Neubaustrecke
(NBS) Ebensfeld—Erfurt
- VDE 8.2: 123 km Neubaustrecke (NBS) Erfurt—
Leipzig/Halle
- VDE 8.3: 187 km Ausbaustrecke (ABS) Leipzig/
Halle—Berlin
Fertiggestellt ist seit 2003 der 23 km lange
Neubauabschnitt Gröbers—Leipzig mit
dem Flughafenbahnhof, des Weiteren seit
28. Mai 2006 die Ausbaustrecke Leipzig/Halle—
Berlin.
Die Neubaustreckenabschnitte dienen sowohl
dem Güter- als auch dem Personenverkehr
und sind für eine Höchstgeschwindigkeit
von 300 km/h konzipiert. Hier zeigt sich
allerdings ein Widerspruch: Die angestrebte
hohe Geschwindigkeit im Personenverkehr
macht angesichts des unterschiedlichen
Geschwindigkeitsniveaus bei Personenund
Güterverkehr ein häufiges Überholen
von Güterzügen notwendig. Dies drückt
die Beförderungszeiten von Güterzügen
erheblich, so dass ein möglicher Beförderungszeitgewinn
über die Neubaustrecken
gegenüber einer überholungsfreien Fahrt
auf den parallelen
„Altstrecken“ völlig verloren
geht. In der Praxis dürften daher dem
Güterverkehr im Wesentlichen nur wenige
Nachtstunden zur Verfügung stehen.
Baumaßnahmen an den Neubaustrecken
weit vorangeschritten
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Der Bibratunnel ist Bestandteil der Neubaustrecke Erfurt—Leipzig/Halle, die ab 2015 befahren werden soll. Der Tunnel erhält zwei jeweils 6466 m lange Röhren. Am 3. März 2010 konnte der Durchschlag gefeiert werden. Foto: Christian Schultz |
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Während das VDE-Projekt 8.3 – der Ausbau
der 187 km langen Strecke Leipzig—Berlin
– abgeschlossen ist, gab es bei den Projektabschnitten
8.1 und 8.2 (bedingt durch
eine völlig unrealistische Investitionsplanung
im Bereich der Schieneninfrastruktur)
jahrelangen Stillstand bzw. es wurde
in nur sehr eingeschränktem Umfang zur
Erhaltung des Baurechts weitergearbeitet.
So war Baubeginn für die Neubaustrecke
Ebensfeld—Erfurt bereits im April 1996!
Mittlerweile gehen die Baumaßnahmen
jedoch zügig voran. Nachfolgend ist der
Stand der Arbeiten kurz zusammengefasst.
Es wird dabei auch deutlich, dass der verschiedentlich
immer noch geforderte Abbruch
der Baumaßnahmen an den beiden
Neubauabschnitten (vgl. SIGNAL 4/2006
und 1/2007) im derzeitigen Realisierungsstadium
nun nicht mehr
sinnvoll ist.
Nürnberg—Erfurt (VDE 8.1)
Der viergleisige Ausbau des Projektabschnitts
8.1 zwischen Nürnberg Hbf und
Ebensfeld geht wegen teilweise fehlender
Finanzierungsvereinbarungen weiterhin
nur sehr schleppend voran. Lediglich in dem
7,6 km langen Abschnitt Nürnberg Hbf—
Fürth Hbf sind die Arbeiten weit vorangeschritten.
Bis Ende 2011 sollen die Arbeiten
hier abgeschlossen sein.
Die Ausbaustrecke Nürnberg—Ebensfeld
beinhaltet dabei auch die Erweiterung des
S-Bahn-Netzes im Abschnitt Nürnberg—
Erlangen—Forchheim/Bamberg. Im Abschnitt
Fürth—Eltersdorf wird eine eigene
S-Bahn-Strecke mit einem zweigleisigen Begegnungsabschnitt
und zwei neuen Stationen
im Bereich des Fürther Bogens gebaut,
um die nördlichen Stadtgebiete besser zu
erschließen.
Zur Entlastung des Eisenbahnknotens
Fürth ist des Weiteren zwischen dem Nürnberger
Rangierbahnhof und Erlangen-Eltersdorf
eine 13 km lange Güterzugverbindungsstrecke
geplant; Bestandteil ist u.a.
ein 6,8 km langer Tunnel. Auf den Fernbahngleisen
soll die zulässige Höchstgeschwindigkeit
nach Abschluss der Baumaßnahmen
maximal 230 km/h betragen.
Für die anschließende Neubaustrecke
Ebensfeld—Erfurt werden 22 Tunnel mit
einer Gesamtlänge von 41 km und 29 Talbrücken
mit 12 km Länge errichtet. Hinzu
kommen 5 km Verbindungsstrecken zur
Anbindung des Bahnhofs Coburg an die
Neubaustrecke. Die Trassierung dieses Abschnitts
ist somit sehr aufwändig.
Fertig gestellt ist im Rohbau ein etwa
40 km langer Abschnitt zwischen Ilmenau
und Erfurt. Alle weiteren Tunnel und Brücken
dieser Neubaustrecke sind mittlerweile
im Bau, darunter die beiden längsten Tunnel
mit 8314 m (Bleßbergtunnel) und 7391 m
(Silberbergtunnel). Größtes Brückenbauwerk
in diesem Abschnitt ist die Ilmtalbrücke
mit einer Länge von 1681 m und einer
Höhe von rund 50 m (Bauzeit 2007–2011).
Die Inbetriebnahme der Neubaustrecke
wird voraussichtlich 2017 erfolgen.
Erfurt—Leipzig/Halle (VDE 8.2)
Alle drei Tunnel des Projektabschnitts VDE
8.2 mit ihren jeweils zwei eingleisigen Tunnelröhren
sind inzwischen komplett aufgefahren.
Anlässlich einer Feier am 3. März
2010 erfolgte der doppelte Tunneldurchschlag
des Finnetunnels (Länge 2 Röhren
mit 6970 m, Investitionskosten 249 Mio.
Euro) und des Bibratunnels (Länge 2 Röhren
mit 6466 m, Investitionskosten 230 Mio.
Euro). Der Durchschlag des dritten Tunnels
dieses Neubauabschnitts, des 2082 m langen
Osterbergtunnels (Investitionskosten
120 Mio. Euro), war bereits am 10. November
2009 erfolgt. Auf dieser Strecke ist nunmehr
Bauhalbzeit erreicht!
In diesem Abschnitt entsteht derzeit auch
Deutschlands längste Eisenbahnbrücke, die
Saale-Elster-Brücke mit einer Bauwerkslänge
der Hauptbrücke von 6,5 km und der Abzweigbrücke
nach Halle mit einer Länge von
2,1 km (Baubeginn Herbst 2006, geplante
Fertigstellung Ende 2012, Investitionskosten
150 Mio. Euro).
Der derzeitige Zeitplan sieht vor, im Abschnitt
Erfurt—Gröbers im Zeitraum von
Mitte 2011 bis Ende 2013 die Fahrbahnkonstruktion,
die Gründungen der Fahrleitungsmaste,
die Wind- und Schallschutzeinrichtungen
sowie die Starkstromanlagen zu
errichten. Der Oberbau wird, wie auch beim
Abschnitt Ebensfeld—Erfurt, als „Feste
Fahrbahn“ ausgeführt. Die Inbetriebnahme
für den fahrplanmäßigen Verkehr soll 2015
erfolgen.
Chancen der neuen Strecken nutzen,
ohne weitere Städte vom Fernverkehr
abzuhängen
Die Fahrzeit zwischen Nürnberg und Erfurt
soll nach Inbetriebnahme der Neu-/Ausbaustrecke
für die ICE-Züge auf 66 Minuten
schrumpfen, die Fahrzeit zwischen Erfurt
und Halle nur noch 31 statt derzeit mit dem
IC 79 Minuten betragen bzw. zwischen Erfurt
und Leipzig 39 Minuten statt derzeit mit
dem ICE 70 Minuten.
Die Fahrzeit zwischen Berlin und München
soll auf etwa 4 Stunden reduziert werden.
Ähnlich wie bei anderen Hochgeschwindigkeitsverbindungen
kann und muss durch
die deutliche Fahrzeitverkürzung zusätzliches
Reisendenpotenzial erschlossen werden,
welches heute noch Flugzeug oder
Auto bevorzugt. Fatal wäre es jedoch, wenn
die heute mit ICE-/IC-Direktverbindungen
bedienten Städte einfach vom Fernverkehr
abgehängt werden. Dieses Risiko betrifft
folgende Städte:
- Weißenfels
- Naumburg (Saale)
- Weimar
- Jena
- Saalfeld
- Lichtenfels
Die Einstellung der Fernverkehrsanbindungen
dieser Städte würde zu weiteren
Angebotsmängeln und damit zu Fahrgastverlusten
im Fernverkehr führen. Mit der
kompletten Abschaffung des InterRegios
sind in Deutschland bereits erhebliche Angebotslücken
entstanden; in nur wenigen
Fällen wurde Ersatz durch andere Fernverkehrsangebote
geschaffen.
Um weitere Angebotseinschränkungen
bzw. daraus resultierende unattraktive
Umsteigezwänge für die Bahnkunden zu
vermeiden, wird folgendes Linienkonzept
vorgeschlagen, das auch Angebotsausweitungen
enthält, weil die deutlich kürzeren
Fahrzeiten zu einer wesentlich höheren
Nachfrage führen werden:
ICE-Linie 12 Berlin—Frankfurt am
Main—Basel
Führung dieser Linie im 2-Stunden-Takt über
Halle (Saale) Hbf und Erfurt Hbf bei Nutzung
der Neubaustrecke; in den Zwischenlagen
verbleibt unverändert die heutige Linienführung
über Braunschweig Hbf—Hildesheim
Hbf—Göttingen—Kassel-Wilhelmshöhe
in Richtung München Hbf.
ICE-Linie 28 a) Hamburg—Berlin—
Nürnberg—München
Führung dieser Linie im 1-Stunden-Takt über
Leipzig Hbf—Erfurt Hbf—Coburg—Bamberg—
Erlangen—Nürnberg Hbf (bei Nutzung
o. g. Neubaustrecken) nach München
Hbf; durch Flügelzugbildung in Nürnberg
Hbf wird die umsteigefreie Bedienung sowohl
von Augsburg Hbf als auch Ingolstadt
Hbf ermöglicht.
ICE-Linie 28 b) Berlin—Nürnberg—
München („Sprinter“-Verbindung)
Durch Einrichtung von vier ICE-“Sprinter“-
Zugpaaren (im 4-Stunden-Takt) mit Halten
lediglich in Berlin Hbf, Berlin Südkreuz, Halle
(Saale) Hbf, Erfurt Hbf, Nürnberg Hbf, Ingolstadt
Hbf, München Hbf werden durch
Nutzung aller Neubaustrecken-Abschnitte
die kürzest möglichen Fahrzeiten in dieser
Relation erreicht.
ICE-Linie 50 Wiesbaden—Frankfurt am
Main—Erfurt—Leipzig—Dresden
Führung dieser Linie im 1-Stunden-Takt unter
Nutzung der Neubaustrecke; die Bedienung
des Abschitts Erfurt Hbf—Weimar—
Naumburg (Saale) Hbf—Weißenfels—Leipzig
Hbf erfolgt mittels Flügelzug mit Zugteilung
in Erfurt Hbf mindestens mit einem
Grundangebot eines 2-Stunden-Takts.
IC-Linie 51 Düsseldorf—Kassel-Wilhelmshöhe—
Halle (Saale) —Berlin—
Stralsund
Auch diese aktuell von weiteren unverständlichen
Einschränkungen bedrohte Linie wird
für die Anbindung von Weimar, Naumburg
(Saale) Hbf und Weißenfels bei den künftig
veränderten Rahmenbedingungen im
2-Stunden-Takt benötigt.
IC-Linie 56 Norddeich Mole/Emden/
Oldenburg—Hannover—Magdeburg—
Leipzig
Verlängerung dieser Linie im 2-Stunden-Takt
über Leipzig Hbf hinaus ab/bis Nürnberg
Hbf über Weißenfels—Naumburg (Saale)
Hbf—Jena Paradies—Saalfeld—Lichtenfels—
Bamberg—Erlangen.
IC-Linie 61 Karlsruhe—Nürnberg
Verlängerung dieser Linie mit dem bestehenden
2-Stunden-Takt über Nürnberg Hbf
hinaus ab/bis Leipzig Hbf über Erlangen—
Bamberg—Lichtenfels—Saalfeld—Jena Paradies—
Naumburg (Saale) Hbf—Weißenfels.
Deutscher Bahnkunden-Verband
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