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Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist ein
Investitionsrahmenplan und stellt mit seinen
bewerteten und nach Dringlichkeiten eingestuften
Projekten die Grundlage für den Bedarfsplan
dar. Näheres hinsichtlich der Eisenbahninfrastruktur
regelt das Bundesschienenwegeausbaugesetz
(BSWAG), welches als Anlage den Bedarfsplan für die
Bundesschienenwege enthält. Dieser Bedarfsplan muss
gemäß § 4 BSWAG mindestens alle fünf Jahre
überprüft und gegebenenfalls durch Gesetz
angepasst werden.
Der Bedarfsplan ist untergliedert in
- einen „vordringlichen Bedarf“; dieser ist
wiederum gegliedert in „laufende und
fest disponierte Vorhaben“ sowie „neue
Vorhaben“,
- einen „weiteren Bedarf“ und
- „internationale Projekte“ – diese haben
einen über den nationalen Rahmen hinausgehende
Bedeutung. Zum Ausbau dieser Strecken ist
grundsätzlich eine Vereinbarung mit den jeweils
betroffenen Nachbarländern erforderlich.
In der Realität verkommt der Bedarfsplan
jedoch immer mehr zu einem finanziell bei
weitem nicht abgesicherten Wunschzettel.
Dieser Prozess dürfte sich in naher Zukunft
sogar noch
verstärken, da den öffentlichen
Haushalten aufgrund der Rekordverschuldung
massive Kürzungen bevorstehen.
Nach einer Berechnung der Deutschen Bahn
zeichnet sich eine Bundeshaushaltslinie ab,
die bis zum Jahr 2025 deutlich hinter dem
erforderlichen Betrag von jährlich 1,8 Milliarden
Euro zurückbleibt und bei lediglich
rund 1,2 Milliarden Euro liegt.
Deshalb fehlen selbst für mehrere Projekte
des „vordringlichen Bedarfs“ noch immer
Finanzierungsvereinbarungen. Die nebenstehend
abgedruckte Liste macht deutlich,
wie unrealistisch die Investitionsplanung im
Bereich der Eisenbahninfrastruktur derzeit
ist. Unverständlicherweise enthält die Liste
auch wichtige Projekte, die schwerpunktmäßig
dem Schienengüterverkehr dienen
wie beispielsweise der zweigleisige Ausbau
und die Elektrifizierung des Abschnitts
Knappenrode—Horka oder der zweigleisige
Ausbau der Strecke Uelzen—Stendal. Die
Realisierung all dieser Projekte ist letztlich
jedoch die Voraussetzung dafür, dass der
Anteil des Schienenverkehrs am gesamten
Verkehrsaufkommen gesteigert oder zumindest
gehalten werden kann.
Schieneninvestitionen pro Kopf:
Deutschland ist Schlusslicht
Entsprechend einer Auswertung der Allianz
pro Schiene liegen die Pro-Kopf-Investitionen
in die Schieneninfrastruktur Deutschlands
(bezogen auf das Jahr 2008) bei lediglich
47 Euro. Zum Vergleich: In Italien sind es
60 Euro, in Frankreich 80 Euro, in Großbritannien
136 Euro, in Österreich 205 Euro und in
der Schweiz sogar 284 Euro – siehe Beitrag
auf Seite 29. Damit bildet Deutschland das
traurige Schlusslicht. Die Bundesregierung
bekennt sich zwar verbal zum Klimaschutz,
scheut im Verkehrsbereich jedoch unpopuläre
Maßnahmen, insbesondere, wenn diese
zu Lasten des Straßenverkehrs gehen. Dabei
sind im BVWP 2003 folgende verkehrs- und
umweltpolitischen Ziele formuliert:
- Gewährleistung einer dauerhaft umweltgerechten Mobilität
- Verringerung der Inanspruchnahme von Natur, Landschaft und nicht erneuerbaren Ressourcen
- Reduktion der Emissionen von Lärm, Schadstoffen und klimaschädlichen Gasen (vor allem Kohlendioxid)
- Erhöhung der Verkehrssicherheit
Diese Ziele lassen sich nicht dadurch erreichen,
indem Jahr für Jahr – gleich einem
Naturgesetz – immer neue Flächen mit
Asphalt versiegelt werden, um zusätzliche
Fahrspuren an bestehenden Autobahnstrecken
oder gar völlig neue Trassen zu
schaffen. Der Schienenverkehr bietet dagegen
die hinreichend bekannten Vorteile:
Er ist sicher, Klima schonend, reduziert die
Abhängigkeit von der endlichen Energiequelle
Erdöl und erspart der Gesellschaft
wegen seiner geringen externen Kosten
nachhaltig Geld.
Mehr Geld für den Ausbau der Schiene
erforderlich
Vor dem Hintergrund der Herausforderungen
der Zukunft bleibt die dringliche Forderung
einer deutlich besseren Finanzausstattung
für den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur.
Auch Bundesverkehrsminister
Peter Ramsauer (CSU) hatte geäußert, das
Schienennetz wegen der prognostizierten
Steigerungen im Güterverkehr massiv ausbauen
zu wollen. Diesen Worten müssen
nun aber entsprechende Taten folgen! Dabei
darf angesichts der prekären Haushaltslage
auch eine Umverteilung von Investitionsmitteln
vom Straßenbau zur Schiene
nicht tabu sein.
Zugleich müssen die Großprojekte, die
einen erheblichen Teil der Gelder binden,
überprüft werden. Unverständlich ist es,
wenn für ein einzelnes Projekt wie „Stuttgart
21“ (Ersatz des bestehenden Kopfbahnhofs
durch einen unterirdischen Durchgangsbahnhof)
entsprechend den jüngsten
Kostenberechnungen allein 4088 Millionen
Euro investiert werden sollen; zusätzliche
Mittel in einer Höhe von 438 Millionen
Euro sind in einem Risikofonds eingestellt,
nochmals weitere 323 Millionen Euro bilden
Rücklagen für Baupreissteigerungen. Der
Anteil des Bundes an den Projektkosten von
4088 Millionen Euro liegt bei 1229 Millionen
Euro, der DB-AG-Anteil beträgt 1469 Millionen
Euro und der des Bundeslandes Baden-
Württemberg 824 Millionen Euro. Weitere
Mittel werden z.B. seitens der Stadt Stuttgart
und – zur Erreichung der Wirtschaftlichkeit
(!) – vom Flughafen Stuttgart bereitgestellt.
Der Nutzen dieser Baumaßnahme ist für die
Fahrgäste dagegen recht gering (siehe auch
SIGNAL 1/2010).
Außerdem muss geprüft werden, warum
es bei der Realisierung von Bahnprojekten
zum Teil massive Kostensteigerungen gibt,
die den Rahmen des Üblichen sprengen.
Beispielsweise wird der Aus- bzw. Neubau
der rund 190 km langen Bahnstrecke Karlsruhe—
Basel voraussichtlich um 1,4 Milliarden
Euro (!) teurer als bisher angenommen.
Statt gut 4,3 Milliarden Euro soll er
nun 5,7 Milliarden Euro kosten! Eine seriöse
Kostenberechnung ist jedoch unverzichtbar,
wenn Neu- und Ausbaumaßnahmen
in überschaubaren Zeiträumen realisiert
werden sollen.
Maßnahmen |
Abschnitt |
VDE 8.1 Nürnberg—Erfurt |
Anteile ABS Nürnberg—Erfurt |
Knoten Halle/Leipzig |
2. Baustufe Halle (ESTW mit Spurplanumbau), 3. Baustufe Leipzig (Einbindung VDE 8.2) |
ABS/NBS Hanau—Nantenbach |
Schwarzkopftunnel |
ABS NL/D Emmerich—Oberhausen |
3-gleisiger Ausbau, Kapazitätserweiterung Bf. Emmerich, Knoten Oberhausen Abschnitte 1 und 5 (Finanzierung der Planung gesichert, nicht aber der Baukosten) |
VDE 9 Leipzig—Dresden |
Teile der 3. Baustufe |
ABS Paderborn—Chemnitz |
50 Mio. Euro-Paket |
ABS Karlsruhe—Stuttgart—Nürnberg—Leipzig/Dresden |
2. Baustufe Gaschwitz—Crimmitzschau |
ABS/NBS Karlsruhe—Basel |
Abschnitte 1, 7, 8, 9.0, Abschnitt 9.2 (Eimeldingen—Basel inkl. Anteile KP), Abschnitt 9.3 (Basel—Rheinbrücke) |
ABS Kehl—Appenweier |
2. Baustufe (POS Süd) |
ABS Mainz—Mannheim |
Nordkopf Mainz (KP) |
NBS Rhein/Main—Rhein/Neckar |
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ABS Fulda—Frankfurt/Main |
Hailer—Gelnhausen |
Knoten Frankfurt/Main |
2. Baustufe Frankfurt/Main Stadion, Galluswarte (KP), Homburger Damm |
Knoten Berlin |
Südkreuz—Blankenfelde (Dresdener Bahn), Nordkreuz—Karow (2. Baustufe), |
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Nordkreuz—Birkenwerder |
Knoten Dresden |
2. Baustufe |
Weitere Knotenmaßnahmen |
u.a. Knoten Hamburg, Knoten München |
ABS Köln—Aachen |
Düren—Aachen (Ausbauabschnitt II) |
ABS München—Mühldorf—Freilassing |
3. Gleis Freilassing—Grenze, Altmühldorf—Tüßling (exkl. Innbrücke), Markt Schwaben—Ampfing, sowie übrige Abschnitte (Finanzierung der Planung gesichert, nicht aber der Baukosten) |
ABS Knappenrode—Horka |
2-gleisiger Ausbau, Elektrifizierung |
ABS Oldenburg—Wilhelmshaven |
3. Baustufe |
ABS Nürnberg—Marktredwitz—Reichenbach/Grenze D/CZ (—Prag) |
Elektrifizierung Reichenbach—Hof (KP) und weitere |
ABS Stuttgart—Singen—Grenze D/CH |
Gäubahn |
Knoten Mannheim |
Spurplan/Bahnsteig F |
ABS/NBS Hanau—Würzburg/Fulda—Erfurt |
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ABS Ulm—Friedrichshafen—Lindau |
Südbahn, 2-gleisiger Ausbau und Elektrifizierung (Finanzierung der Planung gesichert, nicht aber der Baukosten) |
ABS Hagen—Gießen |
Anpassung Neigetechnik |
ABS/NBS (Roermond—) Grenze NL/D—Mönchengladbach—Rheydt |
Eiserner Rhein |
ABS/NBS Hamburg/Bremen -Hannover |
Y-Trasse (Finanzierung der Planung gesichert, nicht aber der Baukosten) |
Feste Fehmarnbeltquerung |
Fehmarnbeltquerung (Finanzierung der Planung gesichert, nicht aber der Baukosten) |
ABS Düsseldorf—Duisburg |
Rhein-Ruhr-Express (Finanzierung der Planung gesichert, nicht aber der Baukosten) |
ABS Münster—Lünen |
Finanzierung der Planung gesichert, nicht aber der Baukosten |
ABS Lübeck/Hagenow Land—Rostock—Stralsund |
weiterer Ausbau |
ABS Berlin—Dresden |
Abschluss 1. Baustufe, 2. Baustufe |
ABS Dortmund—Paderborn—Kassel |
weiterer Ausbau (u.a. Abschnitt Hofgeismar, Umfahrung Hümme) |
ABS/NBS Stuttgart—Ulm—Augsburg |
Ausbau Ulm—Augsburg auf 200 km/h |
ABS Hamburg—Lübeck |
Anbindung Hamburger Güterumgehungsbahn (GUB) |
ABS Neumünster—Bad Oldesloe |
2-gleisiger Ausbau, Elektrifizierung |
ABS Langwedel—Uelzen |
Ausbau auf 120 km/h, Elektrifizierung |
ABS Rotenburg—Minden |
2-gleisiger Ausbau Verden—Rotenburg und Nienburg—Minden |
ABS Uelzen—Stendal |
2-gleisiger Ausbau |
ABS Minden—Haste und ABS/NBS Haste—Seelze |
2-gleisiger Aus-und Neubau |
ABS Hannover—Berlin |
Stammstrecke Oebisfelde—Staaken |
(Venlo—) Grenze NL/D—Kaldenkirchen—Viersen/Rheydt— Rheydt-Odenkirchen |
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ABS Neu-Ulm—Augsburg |
3. Gleis Neuoffingen—Neu Ulm |
ABS Berlin—Görlitz |
weiterer Ausbau |
ABS Hamburg—Elmshorn |
1. Baustufe |
ABS Luxemburg—Trier—Koblenz |
Igel—Igel West, 1. Baustufe (KP), 2. Baustufe |
ZBA/KLV Halle/Nord |
Halle Nord (Modernisierung), Megahub Lehrte, Drehscheibe Rhein/Ruhr, Umschlagbf Basel, Oberhausen-Osterfeld Süd (2. Baustufe) |
Abkürzungen: ABS: Ausbaustrecke, NBS: Neubaustrecke, KP: Konjunkturprogramm, VDE:
Verkehrsprojekt Deutsche Einheit, ZBA/KLV: Zugbildungs-und
-behandlungsanlagen/Kombinierter Ladungsverkehr. Quelle: Deutsche Bahn
AG, März 2010
SIGNAL 2/2010
Deutscher Bahnkunden-Verband
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