Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Berlin) klagt gemeinsam mit Anwohnern gegen den von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geplanten Ausbau der Invalidenstraße. Grund sind die überhöhten Feinstaub- und Stickstoffdioxidwerte, die nach dem Umbau am schmalsten Abschnitt der Invalidenstraße – zwischen dem Nordbahnhof und der Chausseestraße – zu erwarten sind.
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Endstelle der Straßenbahnlinie M 10 am Nordbahnhof. Einst sollte sie 2006 zur Eröffnung der Hauptbahnhofs bis dorthin fahren. Aber weil der Berliner Senat mit dem Straßenbahnbau auf der Invalidenstraße diese zugleich für den Autoverkehr ausbauen will, wird seit acht Jahren gestritten. Und ein Ende ist nicht absehbar. Foto: Marc Heller |
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Rechtsanwalt Karsten Sommer begründet
die Klage: „Mit Planfeststellungsbeschluss
vom 15. Januar 2010 hat die Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung den durchgängig
vierspurigen Ausbau der Invalidenstraße
zwischen Nordbahnhof und Hauptbahnhof
zugelassen. Die Gutachter der Senatsverwaltung
selbst prognostizieren eine dauerhafte
Überschreitung der Grenzwerte für Luftschadstoffe
und gesundheitsgefährdende
Lärmwerte. Der Planfeststellungsbeschluss
schützt die Anwohner nicht ausreichend.“
Daher haben Mitte April der BUND Berlin
und zwei Eigentümer von Häusern an der
Invalidenstraße Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss
eingereicht, die nach
Einsicht in die Akten der Senatsverwaltung
ausführlich begründet wird.
Der BUND sieht das Klageverfahren als
Präzedenzfall. Es wird aufgezeigt, dass
weiterer Straßenausbau, der zu dauerhaften
Überschreitungen von Luftschadstoffgrenzwerten
führt, rechtswidrig ist. In der
engen
Straßenschlucht der Invalidenstraße
zwischen Caroline-Michaelis-Straße und
Chausseestraße, aber auch weiter westlich
bis zur Hessischen Straße, sollen infolge
des Straßenausbaus unzählige Passanten,
Anwohner, Beschäftigte, Café-Besucher u. a.
mit Schadstoffbelastungen leben, die die
gesetzlich festgelegte Schwelle zur Gesundheitsgefährdung
überschreiten.
Karsten Sommer: „Der Senat muss endlich
einsehen, dass man gesetzlich verankerte
Grenzwerte nicht beliebig überschreiten
kann und dass Planung und Bau
neuer Straßen in der Berliner Innenstadt
Grenzen in der Wahrung der Gesundheit
der Bürgerinnen und Bürger hat. Im beklagten
Planfeststellungsbeschluss wird diese
verfassungsmäßige Grenze der Planung
übersehen. Das hat die Rechtswidrigkeit
der Planung zur Folge.
Rechtswidrig ist die Planung
- weil ihr bereits die Rechtfertigung fehlt;
das im Planfeststellungsbeschluss formulierte
Planungsziel umwelt- und menschengerechter
Straßenplanung wird
nicht erreicht;
- weil bereits die Wahl unter den Planungsalternativen
die Gesundheitsgefährdung
der Anwohner nicht zum entscheidenden
Gesichtspunkt hatte und daher verträglichere
Alternativen fehlerhaft verworfen
wurden;
- weil gesetzliche Luftschadstoffgrenzwerte
dauerhaft überschritten werden und
mögliche Minderungsmaßnahmen im
Planfeststellungsbeschluss nicht festgesetzt
wurden;
- weil gesundheitsgefährdende Lärmbelastungen
gegenwärtig bereits bestehen
und auf Dauer aufrecht erhalten werden
und der Planfeststellungsbeschluss mögliche
Minderungsmaßnahmen nicht festsetzt;
- weil das der Planung zugrunde liegende
Verkehrskonzept nicht funktioniert, da die
Verkehrsprognose nicht alle zu erwartenden
Verkehrsbelastungen aus den vielen
Neuplanungen (um Hauptbahnhof, Bundesnachrichtendienst
und weitere) in der
Gegend mit einbezieht; zu erwarten sind
dadurch Staus und in der Folge noch höhere
Schadstoffbelastungen.“
Grundsätzlich begrüßt der BUND Berlin
den Umbau der Invalidenstraße, da so die
Straßenbahnstrecke vom Nordbahnhof
zum Hauptbahnhof verlängert wird. Damit
rückt auch ein künftiger Streckenausbau
für die Straßenbahn nach Moabit näher,
wofür sich der BUND Berlin seit Jahren einsetzt.
Doch der Berliner Senat hat sich nicht
nur gegen unsere Kompromissvorschläge
resistent gezeigt, sondern auch noch mit
Tricks versucht, verschiedene Anwohner
zugunsten seiner Pläne zu beeinflussen. Als
Umweltverband bestehen wir aber auf die
Einhaltung der Grenzwerte auf jedem Streckenabschnitt
und machen deshalb von unserem
Klagerecht Gebrauch. Martin Schlegel, BUND Berlin
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