Berlin

Schienenersatzverkehr der schlechten Art: BVG mutet Pankower Fahrgästen zu viel zu

Es gibt nur wenige Ersatzverkehre, die noch schlechter liefen, als der Ende Mai 2010 eingerichtete SEV für die Pankower Hochbahnstrecke der U-Bahn-Line U 2 und die parallele Straßenbahnlinie M 1.

SEV
Verrückt: Eine ideale Haltestelle (Hintergrund), an der auch der Nachtbus hält, wurde für den Ersatzbus aufgegeben und hundert Meter weiter weg von der Kreuzung ohne Wetterschutz oder Fahrgastinformation mitten auf dem Radweg aufgestellt (Vordergrund).
SEV
Konflikte vorprogrammiert: Ausstieg auf dem Radweg. Mehrfach haben sich hier Radfahrer und Fahrgäste gegenseitig Schläge angedroht. Fotos: Holger Mertens

Die größte Panne war sicherlich das Versäumnis, die Busspuren rechtzeitig einzurichten. Erst zu Beginn der dritten Woche begannen die Markierungsarbeiten. Außerdem hat man bei der Wahl der Standorte für die Ersatzhaltestellen grobe Fehler gemacht. So wurde beispielsweise die Haltestelle Schönhauser Allee/ Bornholmer Straße in Richtung Pankow völlig grundlos von der Kreuzung weg direkt auf einen Radweg gesetzt. Auch an der Haltestelle am Senefelderplatz verläuft der Radweg direkt durch die wartenden Fahrgäste. Hier hat man Konfliktpotenziale geschaffen, die von den Radfahrern auch in jeder Minute genutzt werden. Diese rasen empört durch die Menge und nieten ein- oder aussteigende Fahrgäste schimpfend um. Laut StVO ist an Haltestellen jedoch vorsichtig zu fahren, ggf anzuhalten. Ein- und aussteigende Fahrgäste haben Vorrang.

Besonders ärgerlich: Die Endhaltestelle Pankow Kirche, an der auch die Tram und alle dort entlang fahrenden Busse halten, wird von vielen Busfahrern des Ersatzverkehrs ignoriert. Diese lassen die Fahrgäste dann eingesperrt noch ein paar Minuten bis zur Betriebshaltestelle mitfahren, so dass der Anschluss zur Straßenbahn verpasst wird. Schade, denn Berliner Busfahrern traut man eigentlich das Mitdenken zu.

Auch bei der Fahrgastinformation leistete sich die BVG riesige Schnitzer. Die DAISYAnzeiger entlang der Strecke zeigen leider nicht die Abfahrten des dort verkehrenden Ersatzverkehrs an, sondern einen statischen zweisprachigen Text, dass hier nichts fahre und man die gehwegseitigen Ersatzhaltestellen benutzen solle. Doch genau das sind die gehwegseitigen Ersatzhaltestellen. Alle Haltestellenmasten erfüllen nicht die von der BVG selbst vorgeschriebenen Mindeststandards, denn danach müsste jeder Mast den Haltestellennamen, die Tarifzone und vor allem die dort fahrenden Linien mit Richtung anzeigen. All das fehlt jedoch.

Die Beschilderung der Fahrzeuge läuft nicht besser. Dabei wurde es von Woche zu Woche noch verschlimmbessert. In der ersten Woche waren die Busse in beiden Richtungen nur mit “Ersatzverkehr U 2 + M 1” beschildert. Dadurch war die mit Abstand häufigste Fahrgastfrage dann die, ob der Bus nun Richtung Senefelderplatz oder Richtung Pankow fahre.

In der zweiten Woche waren die Busse dann in die eine Richtung korrekt mit “U 2 > Pankow Kirche” beschildert, die Gegenrichtung jedoch durchgängig mit “U 2 > Bus endet hier”. Nach einem Softwareupdate war dann auf allen Bussen anstelle der Linie U 2 die Linie 602 angegeben. Mitte der dritten Woche war die Fahrgastinformation dann komplett ausgeschaltet. Es gab nur leere Zielschilder und Stationsansagen durch das Mikrofon des Fahrers – falls man Glück hatte.

Ein Hinweis auf die M 1 fehlte am U-Bahnhof Eberswalder Straße. Wer sich nicht auskannte, landete am Senefelderplatz, wo nur die U 2, aber keine M 1 fährt.

Auch die BVG-Unsitte, nicht das tatsächliche Ziel zu schildern, sondern das eigentliche fahrplanmäßige Ziel, hat wieder viele Fahrgäste in die Falle gelockt. Teilweise waren an der Haltestelle Schönhauser Allee/ Bornholmer Straße die dort abbiegenden Züge der M1 noch mit dem Ziel “Mitte, Am Kupfergraben” beschildert, woraufhin viele fälschlicherweise einstigen und in der Björnsonstraße landeten. Dafür hat sich die Beschilderung des tatsächlichen Fahrtziels auf der M 1 „U Eberswalder Str“ und der U 2 „Olympia-Stadion” bewährt. Auch die von der BVG gern zur Rechtfertigung ihrer Art der Zielschilderung herangezogenen Touristen kamen damit ohne weitere Hilfe außerordentlich gut zurecht. Das zeigt eindeutig: Fahrgäste erwarten an der Zielanzeige das tatsächliche Fahrziel und keine theoretischen Reisekettenendpunkte, die der Zug gar nicht erreicht.

Nach dem schlechten Ersatzverkehr auf der Straßenbahnlinie 12 dachten viele, es ginge nicht schlechter. Die BVG hat uns hier aber eines besseren bzw. eines schlechteren belehrt. (hm)

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 3/2010 (Juli 2010), Seite 7-9

 

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