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Hans-Werner Franz Foto: VBB |
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Den deutschen Steuerzahlern droht bei der
Bahn ein ähnliches Desaster wie bei den Landesbanken
– wenn die Bundesregierung nicht
so schnell wie möglich die Notbremse zieht.
Wir erinnern uns: Die Landesbanken mussten
vom Bund mit Milliardenbeträgen gestützt
werden, nachdem sie sich mit hochriskanten
Finanzgeschäften verspekuliert hatten. Mit
Geld, das vom Steuerzahler kommt und an anderer
Stelle bitter fehlt. Landesbanken können
nicht pleitegehen, sie sind schließlich Staatsunternehmen.
So wie die Deutsche Bahn. Setzt
auch die Bahn auf die falsche Strategie, wird in
letzter Konsequenz die
Bundesregierung hier
ebenfalls den Schaden ausbügeln müssen –
mit Steuergeld.
Wie also laufen die Geschäfte bei der Bahn?
Im Fernverkehr ist die Zahl der Fahrgäste seit
Überregional
2000 um rund 15 Prozent zurückgegangen.
Wichtig zu wissen: Wirtschaftlich zuständig
für den Fernverkehr ist allein die Bahn. Im
Personennahverkehr dagegen gibt es Erfolge:
Hier kletterten die Fahrgastzahlen um 21 Prozent.
Doch für den Nahverkehr trägt nicht die
Bahn die Verantwortung, sondern es sind die
Bundesländer und deren Verkehrsverbünde.
Die Bahnreform von 1994 hatte das Ziel „Mehr
Verkehr auf die Schiene“. Sie ist dort gescheitert
wo die Bahn die Verantwortung trägt.
Im selben Zeitraum hat die Bahn sich zu einem
Global Player entwickelt, zu einem weltweit
führenden Mobilitäts- und Logistikunternehmen,
das in 130 Ländern ganz vorn mitspielen
will. Auf internationalen Einkaufstouren
hat sie in den vergangenen Jahren mehr als
8 Mrd. Euro ausgegeben, allein im letzten Jahr
2,8 Mrd. Euro für die Übernahme des britischen
Nahverkehrsunternehmens Arriva.
Sorge macht, dass Zukäufe im Ausland mit
hohen Risiken behaftet sind. Teilweise wurde
für Unternehmen ein Mehrfaches des tatsächlichen
Wertes bezahlt, es stehen Gewinnerwartungen
im Raum, die nicht einzulösen sind,
und letztlich hängt vieles von lokaler Gesetzgebung
ab.
Und tatsächlich, im Februar 2011 hören wir:
„Auslandsstrategie der Deutschen Bahn erleidet
Rückschlag“. Eine britische Gesellschaft, an
der die Bahn zu 50 Prozent beteiligt ist, stellt
eine Fernlinie ein, weil sie vergangenes Jahr
3,3 Mio. Euro Verlust gemacht hat. Es habe keine
Aussicht bestanden, jemals profitabel zu
werden, hieß es. Eindeutig ein falsches Pferd,
auf das die Bahn hier gesetzt hatte.
Die Sorgen sind also berechtigt, denn nichts
garantiert, dass das DB-Management nicht
weitere, noch viel größere Verluste im Ausland
einfährt. Hinter seinem Handeln steckt die
gleiche Strategie wie bei der pannengeplagten
Berliner S-Bahn, die als 100-prozentiges
DB-Tochterunternehmen nach Aussage von
Konzernchef Rüdiger Grube bis 2017 700 Mio.
Euro verlieren wird. Wer am Ende für den Schaden
haftet, liegt – siehe Landesbanken – auf
der Hand: Die Strategie der Bahn geht letztlich
zulasten des Steuerzahlers.
Das Eisenbahnsystem verlottert im eigenen Land
Das Geld für die gigantischen Zukäufe im Ausland
wird übrigens nicht etwa auch im Ausland
verdient. Dieses Geld zieht der Konzern aus
dem „Brot-und-Butter-Geschäft“ (Zitat Grube)
in Deutschland. Während die Bahn aus deutschen
Tochtergesellschaften wie DB Regio und
DB Netz Milliardengewinne quetscht, um sich
weltweit zu positionieren, verlottert das Eisenbahnsystem
im eigenen Land.
Mit der Qualität der Bahn in Deutschland
geht es bergab. Züge kommen unpünktlich,
fallen aus und sind schlecht gewartet. Es fehlen
Reservefahrzeuge, nötige Investitionen
in Werkstätten und Infrastruktur finden nicht
statt, Personal wurde abgebaut. Informationen
auf Bahnhöfen und in Zügen bleiben aus,
sind falsch, kommen zu spät oder sind nutzlos.
Wer erträgt eigentlich noch dieses „Wir bitten
um Verständnis“?
Die Bundesregierung als Eigentümer des
Konzerns muss dringend umsteuern. Sie darf
nicht länger zulassen, dass sich das öffentliche
Unternehmen Deutsche Bahn weltweit engagiert
und die Risiken dafür von den Steuerzahlern
getragen werden. Das Konstrukt des
auf Börsenfähigkeit getrimmten „integrierten
Konzerns“ – in dem der Betrieb von Zügen
und Schienennetz unter dem Dach der Bahn
zusammengefasst bleibt – ist eine der Ursachen
für die vielen Probleme, die es heute im
deutschen Zugbetrieb gibt.
Stellen wir die Bahn doch wirklich einmal
auf eigene Füße. Wenn sie, wie in den vergangenen
Jahren, weiter wie ein privates Unternehmen
agieren darf und soll, dann müssen
Infrastruktur und Fahrbetrieb strikt voneinander
getrennt werden. Die Verantwortung für
das Schienennetz und die Bahnhöfe muss aus
dem Unternehmen gelöst und auf den Bund
beziehungsweise auf die Länder übertragen
werden. Eine Gewinnabführung aus Trassenentgelten
und Stationsgebühren an die Bahn
darf es nicht mehr geben. Sondern die Erlöse,
die auch von konkurrierenden Zugbetreibern
kommen, müssen voll zurück ins deutsche Eisenbahnsystem
fließen.
Gleichzeitig muss im Fahrbetrieb auf mehr
Wettbewerb gesetzt werden: Die Vergabe der
Strecken erfolgt dann allein über europaweite
Ausschreibungen, Qualität und Leistungen
der Verkehrsunternehmen unterliegen einem
strengen Controlling durch die Länder und
den Bund.
Ein anderes, bewährtes Modell ist in der
Schweiz zu besichtigen, die ihren Fahrgästen
einen vorbildlichen Bahnverkehr bietet: Infrastruktur
und Fahrbetrieb liegen hier in staatlicher
Hand. Die Bahn konzentriert sich, anders
als in Deutschland, auf das Inland – und nimmt
Abstand von jeglichen Privatisierungsplänen.
Hier steuert und kontrolliert der Staat. Mit Erfolg.
Beide Wege sind möglich. Beide führen,
wenn sie konsequent umgesetzt werden, zurück
zu einem hochwertigen Bahnverkehr in
Deutschland. Die Entscheidung liegt bei der
Bundesregierung. Sie muss jetzt handeln.
Denn Eigentum verpflichtet. Auch Bundeseigentum.
Der Artikel erschien am 17. Februar 2011 in der
Financial Times Deutschland.
Abdruck im SIGNAL mit freundlicher Genehmigung
des Autors und der Zeitung. Hans-Werner Franz
Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg
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