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Unter die Räder gekommen: Berliner SPD und Grüne beenden Koalitionsverhandlungen

Die nach den Abgeordnetenhauswahlen im September von vielen erwartete rot-grüne Koalition wird es in Berlin sehr wahrscheinlich nicht geben. Voraussichtlich erhält die Stadt einen rot-schwarzen Senat, nachdem Berlin bereits von 1991 bis 2001 schwarz-rot regiert wurde...

Ob es für die Fahrgäste mit einem SPD/CDU-Senat schlechter oder gar besser als mit einem SPD/Grünen-Senat wird, muss Spekulation bleiben.

A100
Foto: Marc Heller

Bemerkenswert aber ist, dass die Verhandlungen zwischen SPD und Grünen an einem Verkehrsprojekt scheiterten: der geplanten Verlängerung der Autobahn A 100 (siehe u. a. SIGNAL 3/2009). Dabei waren Fragen der Berliner Stadtund Verkehrsentwicklung im Wahlkampf als nachrangig gegenüber Themen wie Bildung und Wirtschaft bewertet worden.

Wer, wie die Grünen und viele andere, darunter auch die IGEB, der Meinung ist, dass der Stadtautobahnbau von Neukölln nach Treptow für die Stadt- und Verkehrsentwicklung Berlins mehr Probleme schafft als löst, der muss die A 100 ablehnen. Deshalb war es nur konsequent, dass sich die Grünen vor den Wahlen auf ein Nein zur Autobahnverlängerung festgelegt haben.

Falsch war aber, dass sie ebenso wie die SPD nach den Wahlen den Eindruck erweckt haben, es könne einen Kompromiss geben. Denn hier gilt der viel zitierte Satz „Ein bisschen schwanger geht nicht“. Geradezu dumm war, dass die Grünen sich auf den Versuch eingelassen haben, die Gelder in andere Straßenprojekte zu stecken. Da es Bundesgelder sind und im Bund bekanntlich CDU/CSU/ FDP regieren, war vorhersehbar, dass die Grünen mit dieser Idee zumindest derzeit scheitern werden.

A100-Karte
Berliner Autobahnnetz mit der geplanten Verlängerung der A 100 von Neukölln nach Treptow (16. Bauabschnitt) und später nach Lichtenberg. Die Berliner Grünen sind strikt dagegen, die Berliner SPD ist zurzeit mehrheitlich dafür und verzichtete deshalb auf eine rot-grüne Senatsbildung. Grafik: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

Hinzu kommt, dass diese Diskussion um das Geld in eine falsche Richtung geführt hat. Das Autobahnprojekt ist nicht vorrangig falsch, weil es teuer ist, sondern weil mit seiner Realisierung Stadtquartiere zerstört, Durchgangsverkehr in die Innenstadt gelenkt, vorhandene Autobahn- und Straßenabschnitte sowie Kreuzungen überlastet, die Busse und Bahnen behindert und benachteiligt werden usw. Vor allem ist der jetzt geplante 16. Bauabschnitt für sich genommen nach Auffassung der Befürworter wie der Kritiker nur der Anfang, dem mindestens ein weiterer, noch teurerer Bauabschnitt mit einer Autobahnverlängerung zur Frankfurter Allee (B1/B5) folgen wird.

Deshalb ist es konsequent, dass die Grünen nun nicht mit einer SPD regieren, die dieses stadtzerstörende Projekt unbedingt will bzw. deren Vorsitzender Klaus Wowereit es unbedingt will. Denn 2009 hatte sich ein SPD-Landesparteitag mehrheitlich gegen die A 100 ausgesprochen und 2010 durch massiven Druck des Regierenden Bürgermeisters diesen Beschluss mit knapper Mehrheit revidiert. Klaus Wowereit, der als Regierender Bürgermeister selten inhaltliches Profil gezeigt hat, zwang für den Stadtautobahnbau erst die eigenen Genossen in die Knie und dann die Grünen, obwohl seine Genossen die Koalition mit den Grünen mehrheitlich wollten.

Es ist nicht vorstellbar, dass das keine Konsequenzen für Klaus Wowereit und für das Klima in der Berliner SPD hat. Und für das politische Klima in Berlin. Denn neben den Grünen sind auch die Linken und die Piraten gegen die A 100. Zusammen mit der halben SPD ist das eine große politisch-parlamentarisch Mehrheit gegen die, so der langjährige SPDSenatsbaudirektor Hans Stimmann im Juli in einem Beitrag für den Tagesspiegel, „Fortschrittsidee der fünfziger Jahre (…), nämlich das wiedervereinigte Berlin wie Los Angeles kreuzungsfrei und autogerecht zu gestalten.“

Aber wer gegen die A 100-Verlängerung ist, ob als Grüner oder mit SPD-Parteibuch, ist nach Auffassung von Klaus Wowereit gegen Infrastrukturausbau. Das sagt einer, der als Regierender Bürgermeister zusammen mit seinem Senat beim Zukunftsprojekt „Ausbau der Schieneninfrastruktur“ in zehn Jahren fast nichts vorangebracht hat.

„Geschichte wiederholt sich nicht, es sei denn wie derzeit bei der Stadtautobahndebatte – als Farce“, schrieb Hans Stimmann.

Noch ist die A 100-Verlängerung nicht gebaut. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt der Volksmund.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 4/2011 (Oktober 2011), Seite 2

 

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