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Ob es für die Fahrgäste mit einem
SPD/CDU-Senat schlechter oder gar besser als
mit einem SPD/Grünen-Senat wird, muss Spekulation
bleiben.
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Foto: Marc Heller |
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Bemerkenswert aber ist, dass die Verhandlungen
zwischen SPD und Grünen an einem Verkehrsprojekt
scheiterten: der geplanten Verlängerung
der Autobahn A 100 (siehe u. a. SIGNAL
3/2009). Dabei waren Fragen der Berliner Stadtund
Verkehrsentwicklung im Wahlkampf als
nachrangig gegenüber Themen wie Bildung
und Wirtschaft bewertet worden.
Wer, wie die Grünen und viele andere, darunter
auch die IGEB, der Meinung ist, dass der
Stadtautobahnbau von Neukölln nach Treptow
für die Stadt- und Verkehrsentwicklung
Berlins mehr Probleme schafft als löst, der
muss die A 100 ablehnen. Deshalb war es nur
konsequent, dass sich die Grünen vor den
Wahlen auf ein Nein zur Autobahnverlängerung
festgelegt haben.
Falsch war aber, dass sie ebenso
wie die SPD nach den Wahlen den Eindruck
erweckt haben, es könne einen
Kompromiss geben. Denn hier gilt der
viel zitierte Satz „Ein bisschen schwanger
geht nicht“. Geradezu dumm war, dass
die Grünen sich auf den Versuch eingelassen
haben, die Gelder in andere Straßenprojekte
zu stecken. Da es Bundesgelder
sind und im Bund bekanntlich CDU/CSU/
FDP regieren, war vorhersehbar, dass die
Grünen mit dieser Idee zumindest derzeit
scheitern werden.
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Berliner Autobahnnetz mit der geplanten Verlängerung der A 100 von Neukölln nach Treptow (16. Bauabschnitt) und später nach Lichtenberg. Die Berliner Grünen sind strikt dagegen, die Berliner SPD ist zurzeit mehrheitlich dafür und verzichtete deshalb auf eine rot-grüne Senatsbildung. Grafik: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung |
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Hinzu kommt, dass diese Diskussion um
das Geld in eine falsche Richtung geführt
hat. Das Autobahnprojekt ist nicht vorrangig
falsch, weil es teuer ist, sondern weil
mit seiner Realisierung Stadtquartiere zerstört,
Durchgangsverkehr in die Innenstadt
gelenkt, vorhandene Autobahn- und Straßenabschnitte
sowie Kreuzungen überlastet,
die Busse und Bahnen behindert und
benachteiligt werden usw. Vor allem ist der
jetzt geplante 16. Bauabschnitt für sich genommen
nach Auffassung der Befürworter
wie der Kritiker nur der Anfang, dem mindestens
ein weiterer, noch teurerer Bauabschnitt
mit einer Autobahnverlängerung
zur Frankfurter Allee (B1/B5) folgen wird.
Deshalb ist es konsequent, dass die
Grünen nun nicht mit einer SPD regieren,
die dieses stadtzerstörende Projekt unbedingt
will bzw. deren Vorsitzender Klaus
Wowereit es unbedingt will. Denn 2009
hatte sich ein SPD-Landesparteitag mehrheitlich
gegen die A 100 ausgesprochen
und 2010 durch massiven Druck des Regierenden
Bürgermeisters diesen Beschluss mit knapper Mehrheit
revidiert. Klaus Wowereit, der als Regierender
Bürgermeister selten inhaltliches Profil gezeigt
hat, zwang für den Stadtautobahnbau erst
die eigenen Genossen in die Knie und dann die
Grünen, obwohl seine Genossen die Koalition
mit den Grünen mehrheitlich wollten.
Es ist nicht vorstellbar, dass das keine Konsequenzen
für Klaus Wowereit und für das Klima in
der Berliner SPD hat. Und für das politische Klima in
Berlin. Denn neben den Grünen sind auch die Linken
und die Piraten gegen die A 100. Zusammen mit
der halben SPD ist das eine große politisch-parlamentarisch
Mehrheit gegen die, so der langjährige SPDSenatsbaudirektor
Hans Stimmann im Juli in einem Beitrag für den Tagesspiegel,
„Fortschrittsidee der fünfziger Jahre (…), nämlich
das wiedervereinigte Berlin wie Los Angeles
kreuzungsfrei und autogerecht zu gestalten.“
Aber wer gegen die A 100-Verlängerung ist,
ob als Grüner oder mit SPD-Parteibuch,
ist nach Auffassung von Klaus Wowereit
gegen Infrastrukturausbau. Das sagt einer,
der als Regierender Bürgermeister zusammen
mit seinem Senat beim Zukunftsprojekt
„Ausbau der Schieneninfrastruktur“ in
zehn Jahren fast nichts vorangebracht hat.
„Geschichte wiederholt sich nicht, es sei
denn wie derzeit bei der Stadtautobahndebatte
– als Farce“, schrieb Hans Stimmann.
Noch ist die A 100-Verlängerung nicht
gebaut. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt
der Volksmund.
Berliner Fahrgastverband IGEB
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