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Erfreulich. Auch auf Havelbus-Fahrzeugen wurde für den am 18. Juli 2011 eingeführten 10-Minuten-Takt auf der S 25 nach Teltow geworben. Ärgerlich: Wegen des Personalmangels fuhr die S-Bahn in diesem Winter häufig nur im 20-Minuten-Takt. Foto: Frank Lammers |
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„Erstmals seit Beginn der S-Bahn-Krise im
Jahr 2009 konnte das Unternehmen am
9. Januar 2012 wieder 1000 Wagen (500
Viertelzüge) einsetzen. In den vergangenen
Monaten hat die S-Bahn alle Radsätze der
Baureihe 481 getauscht und den Großteil
der Fahrmotoren gewechselt. Jetzt fehlen
noch 50 Viertelzüge, um den vertraglich vereinbarten
Fahrplan fahren zu können.“ Diese
Erfolgsmeldung in der Mitarbeiterzeitung
„DB Welt“, Ausgabe Region Ost vom Februar
2012, ist richtig und dennoch nur die halbe
Wahrheit.
Tatsächlich ist die Aufarbeitung der Fahrzeuge
mit Ausnahme der Baureihe 485 im
Jahr 2011 gut vorangekommen. Gut für den
S-Bahn-Betrieb war auch der zunächst milde
und dann in den kalten Februar-Wochen
schneearme Winter. Dennoch gab es in diesem
Winter beim S-Bahn-Verkehr erneut erhebliche
Ausfälle.
Hauptursache war der Fahrermangel. Bereits
im Sommer 2011 hatte der Berliner Fahrgastverband
IGEB darauf hingewiesen, dass
bei fortschreitender Fahrzeugertüchtigung
möglicherweise gar nicht ausreichend Triebfahrzeugführer
da sein werden, um die verfügbaren
Züge auch zu fahren.
Spätestens ab Dezember 2011 bewahrheitete
sich das leider. Bei jeder Erkältungswelle
ließ die S-Bahn zahlreiche fahrplanmäßige
Züge ausfallen. Anfangs wurden die Gründe
für die Ausfälle noch verschleiert: „Aus
betrieblichen Gründen bestehen folgende
Einschränkungen“, war auf der Internetseite
der S-Bahn regelmäßig zu lesen. Inzwischen
bekennt sich die S-Bahn GmbH offen zum
Personalmangel (siehe Abbildung unten).
Bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus
gab S-Bahn-Chef Peter Buchner dann
auch offen zu, dass man sich in den letzten
Jahren offensichtlich zu sehr
um die Beseitigung der Fahrzeugprobleme
und zu wenig um ausreichend Fahrpersonal
gekümmert habe.
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Immer wieder verursachen Signalstörungen erhebliche Verspätungen, hier am 10. Februar abends. mobil.s-bahn-berlin.de |
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Unverständlich bleibt aber,
warum die S-Bahn GmbH darauf
nicht mit einer strukturellen
Fahrplanänderung reagiert
hat. Am häufigsten wurde die
S 47 auf den Abschnitt Spindlersfeld—
Schöneweide beschränkt
(siehe Seite 11). Immer
wieder aber traf es auch die
Fahrgäste der S 25 zwischen
Teltow Stadt und dem Berliner
Nordsüd-Tunnel. Das Bemühen
des Landes Brandenburg,
die zu geringen Fahrgastzahlen
nach Teltow durch Bestellung
eines 10-Minuten-Taktes
und Anpassung des Busnetzes
im Raum Teltow an die S 25 zu
steigern, wurde damit konterkariert.
Nun kann man diskutieren,
ob stattdessen beispielsweise
besser auf den 10-Minuten-
Takt nach Wartenberg oder
Spandau verzichtet werden
sollte, weil es hier für die
S-Bahn-Fahrgäste bessere
Ausweichmöglichkeiten auf
andere Bahnen gibt. Aber eines
ist für die IGEB unstrittig:
Der ständige Wechsel bei den
Ausfällen, betroffen sind auch die S 5, S 8,
S 9, S 45 und S 46, ist für die Fahrgäste die
schlechteste Reaktion auf den Fahrermangel.
Das S-Bahn-Fahren ist damit für viele
unberechenbar geworden.
Hinzu kamen in
den letzten Monaten
zahlreiche Signalstörungen.
Hier ist die
S-Bahn GmbH ebenso
Opfer der DB-Schwestern
wie die Fahrgäste.
Trauriger Höhepunkt
war am 15. Dezember
2011 ein Kurzschluss
im zentralen Stellwerk
Halensee im Zuge von
Wartungsarbeiten,
der durch Ausfall der
Zugsicherungstechnik
und der gesamten betriebsinternen
Kommunikationstechnik sowie
der Fahrgastinformation
für mehrstündigen
Stillstand fast im gesamten
S-Bahn-Netz
sorgte. Schlimm war das vor allem für
die auf freier Strecke eingeschlossenen
S-Bahn-Fahrgäste. Positiv zu erwähnen ist
das in den meisten der stehen gebliebenen
Züge sehr besonnene und umsichtige Verhalten
der Triebfahrzeugführer.
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Zugausfälle durch Personalmangel, wie hier am 1. Februar, gehören seit Monaten zum Alltag der S-Bahn-Fahrgäste in Berlin und Brandenburg. www.s-bahn-berlin.de |
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Auch wenn die Ursachen andere waren,
als in den drei Wintern davor, so wird auch
der Winter 2011/2012 als unrühmliches Kapitel
in die Geschichte der Berliner S-Bahn
eingehen. Dazu trägt auch der Berliner
Senat bei. Durch die vielen Ausfälle wird
er erneut mehrere Millionen Euro der Bestellgelder
einbehalten. Der Berliner Fahrgastverband
IGEB wiederholt deshalb seine
Forderung, diese Gelder zumindest zu
einem erheblichen Teil für den Ausbau der
S-Bahn-Infrastruktur zu nutzen und nicht
länger nahezu ausschließlich zum Stopfen
von Haushaltslöchern beim Land Berlin
bzw. bei der BVG einzusetzen. Im Grunde
bereichert sich das Land Berlin an der
S-Bahn-Krise, anstatt das Geld zum Wohle
der geschädigten S-Bahn-Fahrgäste zu investieren. Berliner Fahrgastverband IGEB
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