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Die S 47 – das Stiefkind der Berliner S-Bahn

Spindlersfeld
S-Bahnhof Spindlersfeld – dreifacher Mangel bei der Fahrgastinformation: Die Uhr geht seit Monaten nicht mehr, der Lautsprecher wird nicht genutzt und der dynamische Schriftanzeiger zeigt die Uhrzeit an, obwohl der hier stehende Zug wegen der Personalengpässe wieder mal nur bis Schöneweide statt Hermannstraße fährt. Foto: Patrick Schardien

Die Fahrgäste der S-Bahn-Linie 47 hatten in den letzten Monaten nicht viel Grund zur Freude: Bei Personalengpässen, und die gab es oft, war ihre Linie meistens die erste, die gekürzt wurde. Doch Informationen über Einschränkungen sind gerade bei dieser Linie mangelhaft, und Anschlüsse zu anderen Linien sind in der neuen Fahrplanlage erheblich schlechter. Nachfolgend wird die verkehrliche Bedeutung und betriebliche Situation dieser Linie damals und heute dargestellt und eine kurzfristige Lösung vorgeschlagen.

Verkehrliche Bedeutung und betriebliche Besonderheiten

Nimmt man die Liniennummer 47 als solche, so könnte man denken, diese hat schon von der Einsortierung her die letzte Priorität: Die 4 in der 47 deutet auf die Verwandtschaft zur Ringbahn hin, die nachgeordnete Zahl 7 könnte zur Überlegung führen, es handele sich um die unbedeutendste von allen.

Doch deren verkehrliche Aufgabe für Köpenick sollte nicht unterschätzt werden: Der S-Bahnhof Spindlersfeld ist für viele Köpenicker eine wichtige Alternative zur S 3, um in die Berliner Innenstadt zu gelangen. Gerade die S 3 ist derzeit aber von umfangreichen Bauarbeiten betroffen, was sich bis 2016 nicht ändert. Zugleich liegt der Bahnhof Spindlersfeld dichter an der bei Touristen beliebten Altstadt Köpenick und erschließt fußläufig das Wohngebiet Köllnische Vorstadt.

Auf der eingleisigen Strecke von Schöneweide nach Spindlersfeld mit der Zwischenstation Oberspree kann nur ein 20-Minuten-Takt angeboten werden. Die Fahrtzeit je Richtung beträgt 6 Minuten. Der Zug wendet in Spindlersfeld am Bahnsteig und hat hier einen Aufenthalt von 4 Minuten. Überlegungen für einen zweigleisigen Ausbau liegen bereits seit Jahrzehnten in der Schublade. Ein Umsetzungstermin ist jedoch nicht bekannt.

Service und Information damals und heute

Betrachtet man den Zustand vor der S-Bahn-Krise zu heute, so muss festgestellt werden, dass dem Fahrgast dieser Linie damals ein besseres Angebot unterbreitet wurde. Spindlersfeld war aufgrund des dort damals noch vorhandenen Stellwerks sehr lange mit einer Aufsicht besetzt. Diese informierte die Fahrgäste über Verspätungen und Störungen, verkaufte Fahrscheine und konnte weitere Informationen geben.

Mit dem Umbau auf ESTW-Technik konnte dieser Arbeitsplatz eingespart bzw. verlegt werden. Die Information über Störungen sollte nun über Lautsprecher erfolgen. Der Autor, der diesen Bahnhof seit Jahren beinahe täglich nutzt, muss jedoch feststellen, dass von dieser so gut wie nie Gebrauch gemacht wird.

Ein weiteres Problem ist, dass es keine dynamischen optischen Informationen über das Ziel des Zuges gibt. Am Zug selbst steht entweder „Spindlersfeld“ oder die Anzeige ist dunkel. Der seit einigen Monaten installierte dynamische Schriftanzeiger zeigt auch bei Störungen wie z. B. verkürzter oder ausfallender Fahrten nur die Uhrzeit an. Auch hier waren nie Lautsprecheransagen zu vernehmen. In Oberspree ist nicht einmal ein dynamischer Schriftanzeiger vorhanden. Laut Auskunft der S-Bahn soll dieser „noch 2012“ installiert werden.

Fahrplanangebot und Anschlusssituation damals und heute

Vor 2009 bildete die S 47 ab Schöneweide zusammen mit der S 46 einen 10-Minuten- Takt über Köllnische Heide und befuhr den Ring über Neukölln bis Südkreuz. Seit dem letzten Fahrplanwechsel im Dezember 2011 nimmt die S 45 von Schönefeld kommend nun diese Fahrplanlage ein. Die S 47 erhielt eine um 5 Minuten frühere Fahrplanlage und wurde nach Hermannstraße zurückgezogen.

Dies hatte gleich mehrere ungünstige Umsteigesituationen zur Folge: Am S-Bahnhof Spindlersfeld erhöhte sich die Umsteigezeit von der Straßenbahn (aus der Altstadt Köpenick kommend) zur S-Bahn von 6 auf 11 Minuten, in der Gegenrichtung von 4 auf 9 Minuten. Am S-Bahnhof Schöneweide stieg die Wartezeit von bzw. nach Ostkreuz von 2 auf 7 Minuten.

Aktuelle Betriebseinschränkungen und Engpässe

Die schlechte Fahrplanlage der heutigen S 47 wäre noch zu rechtfertigen, da diese in keiner anderen Fahrplanlage auf den Südring geführt werden kann. Und mit der Wiedereinführung der S 85 wäre auch das Problem der langen Wartezeit Richtung Ostkreuz verschwunden.

Aber bei den häufigen personalbedingten Einkürzungen der S 47 kommt es zu langen Wartezeiten Richtung Neukölln und Ostkreuz. Des Weiteren kommt es in den Zeiten, zu denen die S 47 tatsächlich den Ring erreicht, zu einer sehr dichten Streckenbelegung zwischen Neukölln und Hermannstraße. Im S-Bahnhof Hermannstraße müssen an der Bahnsteigkante Richtung Westen innerhalb von 5 Minuten 3 Züge abgefertigt werden, wobei bei der S 47 noch eine Zugräumung vorgenommen werden muss. Die Stockungen wirken sich auch auf das empfindliche Ringbahnsystem aus, das kaum Fahrtzeitreserven aufweist.

Fazit

Die S 47 stellt eine wichtige Alternative zur S 3 für die Köpenicker Fahrgäste dar. Das Informationsmanagement auf den Bahnhöfen Spindlersfeld und Oberspree ist stark verbesserungswürdig. Zur Besserung der Anschlusssituation Richtung Ostkreuz ist es notwendig, dass die S 85 zügig wieder eingeführt wird. Um das schon vor der Beseitigung der Personalengpässe zu erreichen, könnte, falls zumindest zwei Lokführer immer sichergestellt werden können, die heute nach 20 Uhr praktizierte Fahrplanlage und Verkürzung bis Schöneweide vorübergehend auf den gesamten Tag ausgedehnt werden. So hätten die Fahrgäste sofortigen Anschluss Richtung Westend und Anschluss mit zweiminütiger Wartezeit Richtung Ostkreuz und ein verlässliches Angebot.

IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 1/2012 (März 2012), Seite 11

 

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