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Das Jahr 1927 brachte für viele Berliner
U-Bahn-Benutzer erhebliche Einschränkungen:
Der Umbau des Alexanderplatzes
begann, verbunden mit dem Ausbau des
dortigen U-Bahnhofs auf die heutigen Dimensionen.
Zur Unterquerung der damals
bereits bestehenden Strecke nach Pankow
durch die heutige U 8, vor allem aber für
den Bau der viergleisigen Bahnsteighalle
der heutigen U 5 unter dem älteren Perron,
verkehrten für rund zwei Jahre
zwischen Klosterstraße und Schönhauser Tor (seit
1978 Rosa-Luxemburg-Platz) keine Züge.
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U-Bahnhof Französische Straße auf der U 6. Von Juli 2012 bis mindestens Ende Oktober 2013 werden die Züge hier enden, damit die BVG im Zuge der U 5-Durchbindung vom Alexanderplatz zum Brandenburger Tor den U 5/U 6-Umsteigebahnhof Unter den Linden bauen kann. Wer mit der U 6 Richtung Tegel weiterfahren will, läuft am besten bis zum U-Bahnhof Friedrichstraße. Foto: Marc Heller |
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Ein halbes Jahrhundert später traf es die
heutige U 2 in Charlottenburg: Im Zuge der
Verlängerung der U 7 wurde nicht nur die
vorhandene Strecke unterquert, sondern
am Kreuzungspunkt natürlich auch eine
Umsteigemöglichkeit geschaffen. Für den
(Ein-) Bau der Station Bismarckstraße endeten
über ein Jahr lang alle aus Richtung Zoo
kommenden Züge an der Deutschen Oper,
bis Sophie-Charlotte-Platz gab es Bus-Ersatzverkehr.
Noch schlimmer war es um 1960 gewesen:
Die heutige U 9 quert auf ihrem allerersten,
1961 eröffneten Abschnitt bekanntlich vier
ältere Strecken. Am Leopoldplatz war die
schmale, mit einem Mittelbahnsteig versehene
Halle der heutigen U 6 durch eine
sehr viel breitere mit Seitenbahnsteigen zu
ersetzen. Am Zoo wurde immerhin der alte
Streckentunnel der heutigen U 2 im Kreuzungsbereich
vollständig abgebrochen.
Gleiches geschah an der Haltestelle Kurfürstendamm,
die seinerzeit in die jetzige
U 1 eingefügt wurde. Noch umfangreichere
Arbeiten waren an der Spichernstraße notwendig:
Einbau der Station in die heutige
U 3, Unterquerung durch die heutige U 9,
Einbau der Station Augsburger Straße und
Ersatz des Bahnhofs Nürnberger Platz durch
eine Aufstellanlage. Für fast drei Jahre fuhren
keine Züge zwischen Wittenberg- und
Hohenzollernplatz.
Von all dem haben Sie noch nie gehört?
Kein Wunder: Die Angaben über die jahrelange
Stillegung ganzer Streckenabschnitte
sind ja auch völliger Quatsch. Ob vor rund 85,
55 oder 35 Jahren – unterquerte eine neue
U-Bahn-Trasse eine bestehende, fanden die
notwendigen Arbeiten unter laufendem
Zugbetrieb statt. Selbst am Leopoldplatz,
wo an die heutige U 6 – wie gesagt – nicht
nur etwas angebaut, sondern eine bestehende
Station durch eine völlig neue ersetzt
wurde, gab es keine Unterbrechung des Verkehrs.
Die Schließung der Haltestelle vom 1.
April bis 10. Oktober 1960 galt vermutlich
schon als Zumutung genug.
Als überhaupt kein Quatsch, sondern als
völlig selbstverständlich wird es hingegen
angesehen, wenn in diesem Jahr dieselbe
U 6 zwischen den Stationen Friedrichstraße
und Französische Straße mal eben für fünfzehn
Monate stillgelegt wird. Soviel Ruhe,
von Juli 2012 bis Oktober 2013, benötigt die
BVG, um die Unterquerung der U 5 und im
Zuge dessen einen Halt namens Unter den
Linden zu errichten.
Kenner der Berliner U-Bahn-Geschichte
wissen: Für den Bau der Kreuzung mit der
heutigen U 9 hatte man die Strecke zur Uhlandstraße
einst wirklich für fast vier Jahre
stillgelegt. Doch dies geschah, weil dieser
kurze Ast nur von geringer Bedeutung war
und parallel zu ihm ganz regulär Busse fuhren,
welche die relativ wenigen Fahrgäste dieses
U-Bahn-Abschnitts problemlos aufnehmen
konnten. Und es wurde damals auch nicht
für lange Zeit die bedeutende Straßenkreuzung
Kurfürstendamm/Joachimstaler Straße
gesperrt. Natürlich nicht, sondern man
verfuhr auch diesbezüglich so, wie man es
seit Jahrzehnten gewohnt war:
Träger einrammen, Baugrube ausheben, Baugrube
deckeln, damit über ihr der Verkehr weiterlaufen
kann.
Ebensowenig ist etwas von einer monatelangen
Sperrung des Fehrbelliner Platzes
oder des Bayerischen Platzes bekannt, als dort
der 1971 eröffnete Teil der U 7 gebaut
wurde. Nicht einmal den Betrieb
auf der von je her nicht allzu stark
frequentierten U 4, parallel zu der in fußläufiger
Entfernung über die Martin-Luther-Straße
Busse verkehren, wollte die BVG in diesem Zusammenhang
längere Zeit unterbrechen – wie
sie es jetzt mit der U 6 im Stadtzentrum, auf
einem wichtigen Abschnitt tut.
Sicher gibt es sehr gewichtige Gründe für
diesen Schritt und sein zeitliches Ausmaß –
und sicher wäre es völlig überraschend,
wenn die Sperrung am Ende noch ein paar
Monate länger dauern sollte, als jetzt geplant.
Aber festgestellt werden darf vielleicht
doch: So lange hat man bei der Berliner
U-Bahn eine wichtige Strecke für den
Bau der Kreuzung mit einer anderen noch
nie stillgelegt. Wobei nur unverbesserliche
Querulanten fragen werden, ob dies an der
in den letzten Jahrzehnten vollzogenen
Weiterentwicklung der Bautechnologie
liegt – oder an der Entwicklung der Geduld
und Gleichgültigkeit der Berliner. Jan Gympel
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