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Während die Bahn, deren Haltestellen 100 Prozent barrierefrei gebaut sind, auf dem Gleiskörper freie Fahrt hat, behindert der Bus massiv den Verkehr. Die Fahrgäste werden mit dem Bus befördert – die Straßenbahn hat eine Leerfahrt. Der Straßenzustand auf der gesamten Vetschauer Straße ist katastrophal. Foto: Joachim Nächilla |
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Der Straßenbahn-Ast Cottbus Hauptbahnhof—Jessener Straße ist zur Zeit außer Betrieb, offiziell wegen Bauarbeiten in der Bahnhofstraße. Nun wurde öffentlich, dass die Stadtverwaltung weder von einer Wiederinbetriebnahme nach Jessener Straße, noch von der geplanten Erweiterung zum Klinikum ausgeht. Die neue Tram-Schleife zur besseren Straßenbahnanbindung des Cottbuser Hbf will die Stadt aber bauen. Die Zukunft der ebenfalls zzt. stillgelegten Strecke nach Schmellwitz Anger ist ungeklärt. Karte: osm, Ergänzungen: F. Müller |
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Unter dem Titel „Linie 1 geht von der Schiene“
erschien in der Lausitzer Rundschau
vom 31. März 2012 ein Artikel, der die Seele
vieler Cottbuser zum Kochen brachte. Es
wurde über die Ergebnisse der Sitzung der
Cottbuser Stadtverordnetenversammlung
am 28. März berichtet. Dabei ging es unter
anderem um die Beschlussvorlage Nr. IV-
006/12 mit dem Beratungsgegenstand „Variantenentscheid
zum Zentralen Verkehrsknotenpunkt
Hauptbahnhof“.
Als Beschlussvorschlag wurde formuliert:
„Die Stadtverordnetenversammlung möge
beschließen: Die erarbeitete Vorzugsvariante
mit Direktanbindung der Straßenbahn
an den Hauptbahnhof ist weiter zu planen
und bis 2014 umzusetzen. Die Planung ist
so auszuführen, dass der Gleisanschluss in
Richtung Jessener Str./Spremberger Vorstadt
als Option für eine mögliche zukünftige
Realisierung berücksichtigt wird.“
In der Problembeschreibung/Begründung
heißt es dazu weiter. „Da aus heutiger
Sicht der dauerhafte Bestand der Gleisanlage
in der Vetschauer Str./Richtung Jessener Str.
nicht gesichert ist, muss die Vorzugsvariante
so weiter geplant werden, dass der betreffende
Gleisanschluss nur optional
Berücksichtigung
findet. Diese Vorgehensweise
stellt sicher, dass ausschließlich verkehrlich
begründete und notwendige Infrastruktur
geplant und gebaut wird. Die verkehrliche
Bedeutung des Gleisanschlusses ist direkt
verbunden mit der Streckennetzerweiterung
zum Carl-Thiem-Klinikum. Derzeit ist
dieses Vorhaben finanziell nicht realisierbar.
Der Gleisanschluss Vetschauer Str./Richtung
Jessener Str. wird so geplant, dass er nur im
Zusammenhang mit dieser Maßnahme ausgeführt
wird. Ohne diesen Gleisanschluss
reduzieren sich die Finanzierungsanteile
Cottbusverkehr um 577 000 Euro netto (ink.
Nebenkosten) …“. Praktisch soll damit die
Linie 1 stillgelegt werden. Dagegen regt sich
massiver Widerstand.
Erinnerungen an 2009
Mit dem Beschluss ist eine ähnliche Situation
wie am 24. Juni 2009 eingetreten, indem
ohne Vorwarnung über die Köpfe der Cottbuser
hinweg entschieden worden ist.
Was war passiert? In Vorbereitung der
Grundinstandsetzung der Bahnhofsbrücke
wurde seit März 2011 die Linie 1 im Ersatzverkehr
mit Bussen befahren – und das trotz
aller Warnungen Cottbuser Bürger. Unabhängig
davon, dass die Vetschauer Straße
dafür, wie das Foto zeigt, in ihrer jetzigen
Breite und Nutzung überhaupt nicht ausgelegt
ist, verringerte sich die Zahl der Fahrgäste
um sage und schreibe mehr als 30 Prozent,
nämlich von 750 auf 500 je Tag. Das musste
auch der Aufsichtsrat von Cottbusverkehr
zur Kenntnis nehmen. Ein wirklich stolzes
Ergebnis! Damit wurde der Bahnbonus unter
Beweis gestellt.
Hinzu kommt die Tatsache, dass sich nicht
nur die Anwohner durch den Buseinsatz
stark genervt fühlen und bezüglich der Parkmöglichkeiten
weiter eingeschränkt worden
sind. Wenn der Bus auf der schmalen Vetschauer
Straße ankommt, kann von einem
geregelten Gegenverkehr keine Rede mehr
sein. Notwendig ist eine eigene Infrastruktur
beim Buseinsatz, zumal der Zustand des
Straßenbelags recht marode ist.
Ein zweiter Aspekt: Im Rahmen des Buseinsatzes
gab es viele Kritiken und Hinweise der
Anwohner mit dem Ziel der besseren Organisation
in dieser Straße. So wurden unter
anderem seitens der Bürger Vorschläge für
eine sinnvolle Einbahnstraßen-Regelung
gemacht. Allerdings wurden diese offenbar
von der Stadtverwaltung nicht zur Kenntnis
genommen.
Fahrgastbeirat umgangen
Und da gibt es noch ein Politikum. Im Jahr
2009 sah sich der Cottbuser Oberbürgermeister
veranlasst, einen Fahrgastbeirat zu
etablieren, um die Bürgerbeteiligung bei
Fragen des ÖPNV zu gewährleisten. In der
öffentlich zugänglichen Geschäftsordnung
heißt es unter § 2 Aufgaben:
1. Der Fahrgastbeirat hat eine beratende
und initiierende Funktion. Er wird Ideen
und Fahrgastwünsche in allen Bereichen
des ÖPNV einbringen.
2. Der Fahrgastbeirat wirkt beratend an der
Erarbeitung und Umsetzung von Verkehrskonzepten
mit. Er nimmt Stellung zu Beschlussvorlagen
der Stadtverordnetenversammlung,
welche den ÖPNV betreffen.
3 Er unterbreitet selbst Vorschläge an die
zuständigen Gremien und Institutionen,
die der Verbesserung des ÖPNV-Angebotes
dienen.
4 Der Fahrgastbeirat macht den ÖPNV betreffende
Maßnahmen, Anregungen und
Kritiken einer breiten öffentlichen Diskussion
zugänglich.
Leider wurde nun der Fahrgastbeirat vor
vollendete Tatsachen gestellt, indem er
einfach draußen gelassen wurde. Cottbuser
Demokratie in Aktion!
Die erste Beiratssitzung in diesem Jahr wird
wohl nicht mehr als eine Art Befehlsempfang
werden. Schade, aber wohl nicht zu ändern.
Wenn so Demokratie aussieht, braucht sich
keiner der Cottbuser Politiker darüber zu
wundern, dass schon wieder das Wort „Bürgerbegehren“
die Runde macht. (aj) DBV, Stadtverband Cottbus
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