|
Wird die Deutsche Bahn ab 2013 wieder Dampfloks einsetzen müssen, weil nicht ausreichend Bahnstrom für die elektrische Traktion zur Verfügung steht? Foto: BfVst |
|
Die Bahn braucht Strom. Viel Strom. Eine
Leistung von über 300 Megawatt stehen der
DB seit den 1960er Jahren in den Steinkohlekraftwerken
Datteln 1 bis 3 am nördlichen
Rand des Ruhrgebiets zur Verfügung. Das
entspricht etwa 20 Prozent des DB-Gesamtbedarfs
an Fahrstrom.
Diese drei Blöcke sowie ein Kraftwerk in
Herne hätten bis 2011 u. a. mit neuen Filteranlagen
ausgerüstet werden müssen, um
höheren Umweltstandards zu genügen und
weiterbetrieben werden zu können. Das
wollte der Betreiber Eon nicht und wählte im
Dezember 2006 eine zweite Option. Anstelle
einer Modernisierung verpflichtete Eon
sich gegenüber den Bezirksregierungen in
Münster und Arnsberg, zum 31. Dezember
2012 die
Betriebsgenehmigungen auslaufen
zu lassen und die Werke abzuschalten.
Zugleich wurde „Datteln 4“ gebaut, ein
1100 MW-Steinkohlemonoblock, der über
eine ebenfalls nagelneue Umrichteranlage
künftig 413 MW für das DB-Netz liefern soll.
So war es jedenfalls geplant.
Wenn Pläne scheitern
Wegen umfangreicher Verzögerungen bei
der Fertigstellung wird „Datteln 4“ Ende
2012 aber noch nicht zur Verfügung stehen.
Viel schlimmer noch: Gegenwärtig ist sogar
offen, ob das Kraftwerk jemals fertiggestellt
werden darf. Ein Normenkontrollantrag zum
Bebauungsplan eines Anliegers in der nahe
gelegenen Nachbargemeinde Waltrop führte
zur Einstellung der weit vorangeschrittenen
Bauarbeiten.
Der von der Gemeinde ausgewiesene
Standort widerspricht der übergeordneten
Landesentwicklungsplanung. Auch seien
Umwelt- und Sicherheitsthemen unzureichend
geprüft worden, stellte das Oberverwaltungsgericht
Münster fest und hob den
Bebauungsplan der Gemeinde Datteln am
3. Dezember 2009 auf (Aktenzeichen 10 D
121/07.NE). „Der Bebauungsplan bewältige
die von ihm ausgelösten Konflikte nicht
im erforderlichen Umfang. Die Kommune
habe eine Konfliktlösung vielmehr in unzulässiger
Weise in nachfolgende Genehmigungsverfahren
verlagert“, rügte das
Gericht.
Aus diesem Grund widerrief Eon die
„Abschaltungserklärung“, rüstete die alten
Werke nach und wollte diese weiterhin betreiben.
Daraufhin beauftragte das Ministerium
für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz des
Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV)
ein Rechtsgutachten. Das Ergebnis brachte
das Ministerium zu der Auffassung, dass
diese Erklärung nicht zurückgenommen
werden kann, und veranlasste die für
Herne und Datteln zuständigen Bezirksregierungen
zu entsprechenden amtlichen
Stilllegungsbeschlüssen. Dagegen erhob
Eon Klage, und verlor am 21. März 2012 vor
dem Oberverwaltungsgericht Münster (Aktenzeichen
8 D 47/11.AK und 8 D 48/11.AK).
Dass der Neubau möglicherweise nicht
rechtzeitig fertig werden würde, hätte Eon
klar sein müssen, entschied das Gericht und
bezeichnete dies als unternehmerisches
Risiko. Eine Revision ließ das Oberverwaltungsgericht
nicht zu, wogegen Eon vor
dem Bundesverwaltungsgericht Beschwerde
einreichen will.
Nun hat Eon ein Problem
Verhandlungen mit den Behörden, was man
gegen den Versorgungsengpass hätte tun
können, wurden 2011 mit dem Verweis auf
die gerichtliche Klärung abgebrochen. Der
Stromversorger wird die fehlende Energie
also bis 2013 wohl nicht kompensieren können,
da der Bahnstrom mit 16 2/3 Hertz eine
andere Frequenz hat, als das normale Versorgungsnetz
mit 50 Hertz.
Die Deutsche
Bahn fürchtet nun
Stromengpässe im
Zugbetrieb und
pocht auf die Einhaltung
der Lieferverträge
mit Eon. Ein
Sprecher der Bahn
sagte gegenüber der
WAZ-Mediengruppe:
„Man kann die
Bahn nicht einfach
ans öffentliche Netz
anschließen, als würde
man den Stecker
eines zusätzlichen
Elektrogerätes in die
Steckdose stecken.
[…] Wenn das Szenario
eintritt, dass
die alten Kraftwerke
abgeschaltet werden,
Datteln 4 aber
nicht ans Netz geht,
dann haben wir ein Problem. Wir werden
im Berufsverkehr zu wenig Strom haben.“
Ausreichende Stromreserven sind erforderlich
Dieser Fall zeigt, dass die Versorgung mit
Bahnstrom durch zu starke Zentralisierung
störanfälliger werden kann. Künftig, so war
geplant, sollte das neue Kraftwerk Datteln 4
bis zu einem Viertel des deutschlandweiten
Bedarfs an Energie für die E-Loks decken.
Doch selbst, wenn es pünktlich fertig
geworden wäre, bleibt die Frage, welche
Rückfallebene für einen Störfall geplant
war, bei dem ein so großer Teil der Stromversorgung
ausfällt, dass nicht mehr genug
Energie für alle elektrisch verkehrenden
Züge produziert wird? „Normale“ Kraftwerke
kann man nicht so einfach umschalten
und ans Bahnstromnetz anschließen. Woher
soll also schnell Ersatz herkommen? Es gibt
nicht genügend Dieselfahrzeuge, um das
zu kompensieren. Gibt es einen Notfallplan,
Herr Bundesverkehrsminister? (BfVst) Berliner Fahrgastverband IGEB
|