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Alfred Schultz Mitte der 1980er Jahre als Vorsteher des Bahnhofs Berlin Zoologischer Garten. Foto: Sammlung A. Schultz |
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Nach langer schwerer Krankheit ist das IGEB-Ehrenmitglied,
der Reichsbahn-Hauptrat a. D.
Alfred
Schultz gestorben.
Sein Arbeitsleben begann 1944 bei der
Deutschen Reichsbahn (DR) in Berlin. Die
Ausbildung schloss er 1950 ab und arbeitete
u. a. als Dienststellenleiter des Bahnhofs Berlin-
Steglitz. 1966 wurde dort die Lage „heiß“: Die
DR verweigerte zunächst den Abriss des alten
Empfangsgebäudes für das Stadtautobahnprojekt
„Westtangente“. Erst mithilfe eines
Dienstbefehls aus der Kriegszeit ließen sich
die Eisenbahner zur Entfernung von Fernmeldeeinrichtungen
verpflichten, was Voraussetzung
für den Abbruch war.
Auch 1980 beim Streik von West-Berliner
Reichsbahnern stand Alfred Schultz in der
ersten Reihe, als die West-Berliner Polizei ihm
trotz seiner Funktion als Dienststellenleiter
des Bahnhofs Berlin Zoologischer Garten den
Zutritt zum besetzten Stellwerk „Zow“ verweigerte.
Nicht diese durch die politischen Bedingungen
des Bahnverkehrs in Berlin begründeten
Erinnerungen bleiben. Wichtig für die Erinnerung
an Alfred Schultz ist seine Arbeit im Interesse
der Reisenden und der Eisenbahner. Seit
Ende der 1960er Jahre war er zunächst stellvertretender
Dienststellenleiter und ab 1977
Leiter des Bahnhofs Zoo. In dieser Rolle lernten
wir, der Berliner Schienenverkehrs-Verband
(heute DBV Berlin) mit seinen 17 Mitgliedsvereinen,
darunter der Berliner Fahrgastverband
IGEB, ihn Ende 1983 persönlich kennen. Man
traf sich stets inoffiziell. Es ging darum, das
vom Senat ignorierte 100-jährige Jubiläum
des Fernbahnhofs Zoo 1984 vorzubereiten.
„Informationsfahrten“ der DR vom Bf Zoo über
Spandau nach Wannsee mit einem dampflokbespannten
Zug und eine gleichzeitige Ausstellung
des Schienenverkehrs-Verbands „100
Jahre Fernbahnhof Zoo“ in der S-Bahnhalle des
Bahnhofs Zoo an der Hardenbergstraße waren
das Ergebnis. Man feierte unter einem Dach,
aber getrennt, denn gemeinsame öffentliche
Veranstaltungen waren undenkbar.
Dieser Kontakt zahlte sich aus. 1985 gelang
es gemeinsam, Ideen zu entwickeln, wie der
Bahnhof im Interesse der Reisenden und der
Eisenbahner modernisiert werden könnte. Alfred
Schultz vertrat die Pläne gegenüber der DR,
der Fahrgastverband IGEB brachte sie in die
West-Berliner Öffentlichkeit. Und so entstand
das einzige gemeinsame Ost-West-Projekt zur
Berliner 750-Jahr-Feier.
Auch später entwickelte Alfred Schultz
selbst und im Dialog mit uns viele gute Ideen
zugunsten der Reisenden – vom Hausgepäckservice
bei der DR über elektronische Fahrkartenverkaufssysteme,
Einrichtung weiterer
Fahrkartenverkaufsstellen in den Bahnhöfen
Steglitz, Tegel und Spandau, Erweiterung des
Zugangebots und Serviceverbesserungen in
den Zügen bis zu Sonderfahrten an die Ostsee.
Er stand so stellvertretend für viele Eisenbahner
in West-Berlin, die den Dienst für die Reisenden
im Blick hatten – trotz der Anfeindungen,
denen die DR als Verkehrsunternehmen
der DDR ausgesetzt war.
Vier Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung
ging er 1994 in den Ruhestand, war
aber für uns auch weiterhin ansprechbar. Eine
letzte Zusammenarbeit mit ihm gab es 2011.
Das Berliner S-Bahn-Museum stellte eine Ausstellung
über den Bahnhof Zoologischer Garten
in der Zeit des Kalten Krieges zusammen.
Trotz des wohlverdienten Ruhestandes und
schon schwer von der Krankheit gezeichnet,
unterstützte Alfred Schultz die Ausstellung
im „Amerika-Haus“, unmittelbar neben dem
Bahnhof gelegen, mit Rat und wichtigen Dokumenten.
Sie wurde so auch eine Würdigung
für seine Arbeit und war leider auch sein letzter
öffentlicher Auftritt.
Alfred Schultz war stets ein Diplomat; er beherrschte
die Kunst des Spagats zwischen den
politischen Systemgegebenheiten in Berlin,
ohne seine eigentliche Aufgabe zu vernachlässigen
– das Wohl der Reisenden und der Eisenbahner.
Er war eine wichtige Persönlichkeit
des Berliner Eisenbahnwesens.
Wir werden ihn sehr vermissen.
Berliner Fahrgastverband IGEB,
Christfried Tschepe
Deutscher Bahnkunden-Verband,
Gerhard J. Curth
Berliner S-Bahn Museum,
Udo Dittfurth
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