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Bf. Spandau am 5. Januar 2011 ohne S-Bahn. Durch Fahrzeugmangel endeten die Züge in Westkreuz Foto: M. Heller |
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Zehntausende Berliner und Brandenburger
Fahrgäste sind täglich von den einstigen
Fehlentscheidungen des DB-Konzerns und
der ehemaligen S-Bahn-Geschäftsführer
betroffen. Noch immer gilt ein „Notfahrplan“,
der der deutschen Hauptstadt weniger
und oft kürzere Züge beschert, als Berlin
und Brandenburg bestellt haben. Deshalb
sammelt jetzt der im März 2011 gegründete
„Berliner S-Bahn-Tisch“, eine Initiative von 17
Organisationen, Unterschriften im Rahmen
eines Volksbegehrens für ein „Gesetz zur Beendigung
des Chaos bei der Berliner S-Bahn“.
Der DBV-Landesverband begrüßt das Engagement
für die Berliner S-Bahn, hat sich aber
dennoch entschieden, sich an der Initiative
nicht zu beteiligen und die Unterschriftensammlung
nicht zu unterstützen.
Es ist verständlich, wenn engagierte Bürger
sich des Themas annehmen und sich
Gedanken machen, wie das Problem gelöst
werden kann. Ist es aber wahrscheinlich,
dass durch die Verabschiedung eines Gesetzes
das Chaos wirklich beendet wird? Zweifel
sind angebracht. Denn die Forderungen des
S-Bahn-Tisches klingen in ihrer Gesamtheit
wie ein „früher war alles besser“ und nach
Rückkehr zur Staatsbahn. Einige der Forderungen
können auch vom DBV unterschrieben
werden. In erster Linie handelt es sich
um die Offenlegung der Verkehrsverträge,
die immer noch wie ein Staatsgeheimnis behandelt
werden. Ebenso wird die Forderung
nach Personalpräsenz auf den Bahnhöfen
vom DBV grundsätzlich unterstützt.
Warum erst jetzt gewerkschaftliches
Engagement?
Irritierend ist, dass der Berliner S-Bahn-
Tisch durch eine große Gewerkschaft nicht
unwesentlich geprägt wird. Die Eisenbahn-
Verkehrsgewerkschaft EVG ist mit drei regionalen
Gliederungen als Unterstützer vertreten:
Ortsverwaltung Berlin, Bezirksvorstand
Nord-Ost und Vertrauensleute bei der
S-Bahn. An sich nichts Verwerfliches, sind
Gewerkschaften doch ein unverzichtbarer
Teil der demokratischen Landschaft. Im Falle
des S-Bahn-Tisches zielen die Forderungen
des Volksbegehrens jedoch auch gegen die
Gewerkschaft. Denn die ist mit mehreren
Vertretern im Aufsichtsrat der DB Mobility
Logistics und DB Regio vertreten.
Sie haben damit direkten
Einfluss auf die Geschäftspolitik
des Gesamtunternehmens
gegenüber den Töchtern und
damit auch auf die Geschäftspolitik
gegenüber der S-Bahn
Berlin GmbH. Was haben die
Gewerkschaftsvertreter in den
Aufsichtsräten der DB-Holding
und der DB-Töchter getan (und
was tun sie), um die „Zerschlagung“
und das Kaputtsparen
der S-Bahn Berlin GmbH zu verhindern?
Gewerkschaften ohne Einfluss?
Im Aufsichtsrat der DB Mobility Logistics AG
sind mit Sitz und Stimme vertreten:
- der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft,
- der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates
DB Schenker Rail Deutschland AG und
Vorsitzender des Spartenbetriebsrats DB
Mobility Logistics AG,
- ein Mitglied des Gesamtbetriebsrates DB
Fernverkehr AG,
- der Vorsitzende des Konzernbetriebsrates
DB AG und Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates
DB Netz AG,
- der Spartenbetriebsratsvorsitzende Geschäftsfeld
Dienstleistungen und Betriebsratsvorsitzende
DB Dienstleistungen
GmbH,
der Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates
Regio/Stadtverkehr,
- ein Mitglied des Betriebsrates DB Schenker
Rail Deutschland AG, NL Süd-Ost und
- eine stellvertretende Vorsitzende der
Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft
(EVG).
Der Aufsichtsrat umfasst 23 Mitglieder, davon
werden zehn Mitglieder durch Arbeitnehmer
gewählt. Warum also das Engagement
der regionalen EVG-Gruppen, wenn
sie die Möglichkeit hätten, direkt über ihre
Vertreter im Aufsichtsrat auf die Geschäftspolitik
des Konzerns und gegenüber der
S-Bahn Berlin GmbH Einfluss zu nehmen?
Gleiches gilt übrigens für DB Regio AG; auch
hier sind im Aufsichtsrat Arbeitnehmer- und
Gewerkschaftsvertreter mit Sitz und Stimme
vertreten.
Nichts bemerkt oder nichts bemerken
wollen?
Aufgabe des Aufsichtsrates ist es, die jeweilige
Geschäftsführung zu kontrollieren.
Im Falle der S-Bahn Berlin hat es frühzeitig
vor dem Chaos warnende Stimmen gegeben.
Sie sind alle ungehört geblieben. Wo
waren die in die Aufsichtsräte entsandten
Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertreter,
als der Personalabbau in dem Unternehmen
beschlossen, als hunderte fahrfähiger
Wagen verschrottet, Werkstätten
geschlossen und die Gewinnabführung
erhöht wurde?
Statt der Rückkehr zu einem Eisenbahn-
Staatsunternehmen (was nach EU-Recht
unmöglich ist), befürwortet der DBV-Landesverband
die Stärkung der Verantwortlichkeiten
der Landespolitik. Die Vorgänge
bei der S-Bahn Berlin GmbH haben gezeigt,
dass die zwischen dem Verkehrsunternehmen
(als Ersteller der Verkehrsleistungen)
und dem Verkehrsverbund (für die beiden
Länder Berlin und Brandenburg als Besteller
auftretend) abgeschlossenen Verträge nicht
wirksam genug sind. Kein Unternehmen,
egal wie es heißt und zu welchem Konzern
es gehört, darf es sich leisten, dauerhaft und
wissentlich gegen geschlossene Verträge zu
verstoßen. Hier müssen noch strengere Malusregelungen
greifen, die dem verletzenden
Unternehmen „richtig wehtun“. Durch
Veröffentlichung der zukünftigen Verkehrsverträge
ist eine öffentliche Transparenz
herzustellen, die auch eine breite Diskussion
erlaubt.
Früher war nicht alles besser, die Probleme
waren andere. Deshalb müssen heute
auch die Lösungen andere sein.
DBV Berlin-Brandenburg
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