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Durch koordiniertes Verladen können auch große Fahrradgruppen mit dem Regionalzug unterwegs sein. Foto: Jan Schaller |
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Mehrzweckabteil in jedem Doppelstockwagen der DB Regio in Brandenburg: eine gute Lösung für Linien mit hoher Nachfrage in der Hauptverkehrszeit einerseits und fahrradtouristischer Relevanz andererseits. Foto: Martina Löbe |
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Das saisonale Fahrradabteil im Metronom zwischen Hamburg und Uelzen erstreckt sich über ein Drittel des Untergeschosses und hat neben Anlehnbügeln auch Vorderradhalter. Zugleich bietet es nicht nur Fahrrädern Platz. Im Winter wird regulär bestuhlt. Foto: Martina Löbe |
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Es ist in den Sommermonaten ein jährlich
wiederkehrendes Bild: Zahlreiche Radfahrer
drängen sich auf den Bahnsteigen, die bei
Einfahrt des Zuges hektisch nach der nächsten
Tür mit Mehrzweckabteil Ausschau halten
und dann ernüchtert feststellen müssen,
dass sie aus Platzmangel auf den nächsten
Zug warten müssen. Wenn eine Vielzahl
von Radlern zu Ausflügen unterwegs ist,
werden die Regionalzüge mancherorts von
der Nachfrage regelrecht überrollt. Eine Abnahme
des Bedarfs ist hingegen nicht zu erwarten.
Vielmehr dürfte die ungebrochene
Begeisterung für das Fahrrad die Situation
weiter verschärfen.
Es ist daher erforderlich, eine sachliche Diskussion
zu führen, wie die Fahrradmitnahme
weiter verbessert werden kann. Dafür müssen
aber die verantwortlichen Personen bei
Aufgabenträgern und Eisenbahnverkehrsunternehmen
(EVU) ihr Denken und Handeln für
die Thematik öffnen.
Die Möglichkeiten der Aufgabenträger
Insbesondere die Aufgabenträger sind gefordert,
die Fahrradmitnahme in ihrer Prioritätensetzung
angemessen zu berücksichtigen
und die volkswirtschaftliche Perspektive der
Thematik nicht zu vernachlässigen. Steigende
Ausgaben für die Verkehrsleistung, die beispielsweise
aus einer Erhöhung der Fahrradkapazitäten
resultieren, können u. a. durch
Mehreinnahmen aus dem Fahrradtourismus
ausgeglichen werden, welcher mittlerweile
zu den wichtigsten touristischen Nachfragesegmenten
in Deutschland gehört.
Auch für die Fahrradmitnahme sollte es daher
eine verkehrspolitische Grundstrategie
geben, wie sie zum Beispiel in Baden-Württemberg
erstellt worden ist. Entsprechend
der vom einstigen Verkehrsstaatssekretär
Rudolf Köberle ausgerufenen Zielsetzung,
„das Fahrradland Nr. 1 in der Bundesrepublik
zu werden“, wurde u. a. beschlossen, die Fahrradmitnahme
im Schienenpersonennahverkehr
auszubauen.
Für die Planung der Verkehre bedeutet das,
die Belange von Radfahrern stärker als bislang
in die Vergabeverfahren einzubeziehen.
Dazu zählt aber auch, erforderliche Anpassungen
während der Vertragslaufzeit einzuleiten
oder Konzepte von Eisenbahnverkehrsunternehmen
einzufordern und mitzutragen.
Dabei ist die Fahrradmitnahme grundsätzlich
erst einmal eine Frage des ausreichenden
Freiraumes im Fahrzeug. Damit hat sie
direkten Einfluss auf das Fahrzeugkonzept,
welches wiederum einen wesentlichen
Kostenfaktor der Verkehrsleistung darstellt.
Den Mehrausgaben, die aus größeren Mehrzweckbereichen
oder speziellen Fahrradabteilen
resultieren, stehen aus der betriebswirtschaftlichen
Perspektive zumeist keine
angemessenen Einnahmen gegenüber.
Deshalb gibt es für die EVU wenig Anreiz,
die Belange von Radfahrern über das gesetzte
Minimum hinaus zu berücksichtigen. Das
trifft insbesondere dann zu, wenn im Vergabeverfahren
vornehmlich der Zugkilometerpreis
bewertet wird. Ausgefeilte Konzepte
für die Fahrradbeförderung können aber für
einen Bieter wirtschaftlich werden, wenn der
Aufgabenträger die Qualität der Verkehrsleistung
in der Bewertung angemessen berücksichtigt.
Ein Konzept zur Fahrradmitnahme kann
demnach unter den vom Aufgabenträger
vorgegebenen Bedingungen nur so gut sein,
wie es dem EVU ermöglicht, die Ausschreibung
auch zu gewinnen!
Deshalb bedarf es im Vergabeverfahren
konkreter Vorgaben und wirksamer Anreize
von Seiten der Aufgabenträger. So sollte
ein Fahrrad mit seinen Abmaßen definiert
und die Anzahl der zu befördernden Fahrräder
angegeben werden. Zu diesem Schluss
kommt das Gutachten „Fahrradmitnahme im
Schienenpersonennahverkehr“, welches im
Auftrag der Nahverkehrsgesellschaft Baden-
Württemberg mbH durchgeführt wurde. Die
Autoren kommen ebenso zu dem Ergebnis,
dass eine größere Flexibilität für die saisonalen
Nachfragespitzen sinnvoll ist und bereits
in den Ausschreibungen aufgenommen
sein sollte. Starre Vorgaben, beispielsweise
der Sitzplatzanzahl, sollten zugunsten eines
Sommer- und Winterbetriebes aufgegeben
werden.
Um die zukünftige Fahrradkapazität bemessen
zu können, benötigen Aufgabenträger
belastbare Informationen als Planungsgrundlage.
Ausgangsbasis sollte dabei die aktuelle
Situation der Fahrradmitnahme bilden:
Wie hoch ist die bisherige Nachfrage? Wie
wird sie mit den vorhandenen Fahrzeugen
umgesetzt, und gibt es bereits heute Engpässe
und Konflikte? Die streckenspezifische
Fahrradkapazität ergibt sich dabei aus der
Taktdichte und der jeweiligen Fahrradkapazität
der Züge.
Aber auch Prognosen, wie sich der Bedarf
während der Vertragslaufzeit entwickeln
könnte, sollten herangezogen werden. Dazu
sollten u. a. der Verlauf der Radwege und radtouristische
Ziele entlang der Strecke als auch
die Radverkehrsplanungen der angebundenen
Städte und Gemeinden bedacht werden.
Über die quantitativen Vorgaben hinaus
sollten zugleich qualitative Vorgaben
gemacht werden. Ein Beispiel ist, dass die
Fahrradstellplätze im Niederflurbereich
angeordnet werden müssen. Mehrzweckabteile
im Hochflurbereich, wie sie im Fahrradtriebwagen
der BR 640 (LINT, einteilig) des
Dortmund-Sauerland-Express zu finden sind,
sollten (wie in diesem Fall) nur eine Sonderlösung
darstellen. Das ist auch bei einer saisonalen
Umrüstung von fester Bestuhlung auf
Klappsitzbereiche oder Fahrradabteile zu beachten. Klappsitze können jedoch meist nur
dann nachträglich eingebaut werden, wenn
dies bereits bei der Rohbaukonstruktion berücksichtigt
wurde.
Die Probleme im Vergabeverfahren
Diese Überlegungen sind von den Aufgabenträgern
mit dem allgemeinen Fahrzeugkonzept
abzustimmen und in passende Formulierungen
zu übertragen. Die gesetzten
Fahrzeugkriterien sind aber nur so gut, wie
sie sinnvoll gestaltete Fahrgastbereiche zulassen,
die die verschiedenen Bedürfnisse
der Fahrgäste berücksichtigen und einander
ergänzen. Konstruktive und somit sehr
detaillierte Vorgaben bedürfen daher einer
intensiveren Vorplanung durch die Aufgabenträger,
während funktionale (Ziel-)Formulierungen
stärker die Kernkompetenzen
und Erfahrungen der EVU und Fahrzeughersteller
nutzen.
Zudem darf bei all diesen Ausführungen
nicht vergessen werden, dass die Überlegungen
zur Fahrradmitnahme nur ein kleiner
Bestandteil eines sehr aufwändigen
und komplexen Planungs- und Abstimmungsprozesses
sind, der zur Vergabe einer
Verkehrsleistung führt. Die Komplexität des
Ausschreibungsverfahrens resultiert nicht
zuletzt daraus, dass nicht alle relevanten
Einflüsse und Parameter ausreichend abgeschätzt
oder überhaupt einkalkuliert werden
können. Zum Beispiel ist im Vorhinein nicht
mit Sicherheit prognostizierbar, wie sich die
allgemeine Nachfrage, die Höhe der zur Verfügung
gestellten Regionalisierungsmittel
oder die Energie- und Personalkosten über
die Vertragslaufzeit entwickeln werden.
Die Möglichkeiten der Eisenbahnverkehrsunternehmen
Neben den genannten Grundsatzentscheidungen
und Maßnahmen
sind aber auch die EVU gefordert,
die Reiseplanung und den Reiseverlauf
für Radfahrer besser zu gestalten.
Ein bislang vernachlässigter Aspekt
ist, dass Radfahrer stark nachgefragte
Verbindungen umgehen
könnten, wenn entsprechende
Informationen gebündelt vorliegen
und einfach zugänglich wären.
Eine Zusammenstellung mit erfahrungsgemäß
überlasteten Strecken
und Ausweichempfehlungen, wie
sie die DB Regio Bayern im Internet
zur Verfügung stellt, ist hierfür
eine Möglichkeit (www.bahn.de/
fahrrad-bayern -> Kapazitäten).
Ein Thema, welches bei Radfahrern
für großes Frustpotenzial sorgt,
ist die ineffektive Nutzung der
Mehrzweckräume. Oft kann man
beobachten, wie Fahrgäste, die eigentlich
außerhalb dieser Bereiche
sitzen könnten, weil sie beispielsweise
ohne Kinderwagen oder Gepäck
unterwegs sind, die Klappsitze
blockieren. Kooperatives Verhalten
können Radler selbst auf
Nachfrage leider nicht immer erwarten.
Zugleich gibt es innerhalb der Radlergemeinschaft
Fahrgäste, die sich
egoistisch verhalten. So werden die
Stellplätze erheblich reduziert, wenn
die Taschen auf den Rädern verbleiben.
Wie effektiv Fahrräder verladen
werden können, zeigen die Tourenleiter
des ADFC, die mit bisweilen sehr
großen Gruppen unterwegs sind. Oftmals
fehlt aber eine koordinierende
Person, wenn mehrere kleine Gruppen
aufeinander treffen. Je größer die
Gefahr ist, nicht mitgenommen zu
werden, desto egoistischer kann das
Verhalten der Radfahrer werden. Dass
daraus Verspätungen resultieren können,
wird in diesen Momenten offensichtlich
nicht berücksichtigt.
Deshalb ist das regelnde Eingreifen des
Zugbegleitpersonals äußerst wichtig. Dafür
müssen die EVU aber erst einmal Zugbegleiter
einsetzen und auch anweisen, in solchen
Situationen tätig zu werden.
Bekannt für ihr bestimmtes (aber dennoch
höfliches) Auftreten sind beispielsweise die
Kundenbetreuer des Metronom. Ihre Präsenz
gegenüber ihren Kunden ergänzen sie gegebenenfalls
durch Lautsprecheransagen, bei
denen sie Radfahrer darauf hinweisen, dass
die Taschen abzunehmen oder die Räder
platzsparend und sicher aufzustellen sind.
Ein solches Auftreten in schwierigen Situationen
ist es auch, dass den Fahrgästen vom
Service des EVU positiv in Erinnerung bleibt.
Bedenkt man zudem, dass negative Erfahrungen
häufiger erzählt werden als positive,
sollte den EVU daran gelegen sein, in diesen
Situationen entsprechend zu agieren.
Ein „Verstecken“ der Zugbegleiter, wie es
Tourenleiter des ADFC von den mit Doppelstockwagen
bedienten Linien in Brandenburg
und Mecklenburg-Vorpommern gelegentlich
berichteten, ist der Situation nicht
angemessen (siehe Radzeit 1/2009). Dabei
dürfte die Belastung der Zugbegleiter bei
einer hohen Auslastung des Zuges ohnehin
schon erheblich sein.
Überlegenswert wäre hier, dass der Aufgabenträger
für solche Spitzenzeiten eine höhere
Zugbegleitquote (mit-)finanziert. Denn
anders als beim Metronom, wo bis zu drei
Zugbegleiter je Fahrt eingesetzt werden und
die Mehrzweckbereiche nur auf zwei Wagen
konzentriert sind, befindet sich in jedem Wagen
der hiesigen Doppelstock-RE-Linien ein
Mehrzweckabteil.
Beim Metronom gibt es neben dem klassischen
Mehrzweckraum im Steuerwagen ein
saisonales Fahrradabteil im zweiten Wagen,
welches sich, je nach Strecke, über das gesamte
oder nur einen Teil des Untergeschosses
erstreckt. Wenngleich ein solches Fahrradabteil
ohne Klappsitze die missbräuchliche
Nutzung von eben diesen ausschließt,
ist gerade bei langen Zugverbänden die
Verteilung der Mehrzweckbereiche auf alle
Wagen sinnvoller, als die Konzentration auf
ein Zugende. Denn die Mehrzweckbereiche
dienen schließlich ebenso der Beförderung
von Personen aller Art, die in ihrer Mobilität
eingeschränkt sind. Und dazu gehören u. a.
auch Fahrgäste mit Kinderwagen, Gepäck
oder Rollatoren.
Eine Verbesserung der Fahrradbeförderung
hilft somit zugleich allen, die mehr
Raum im Zug beanspruchen!
Weitere Informationen zur Fahrradmitnahme
im Regionalverkehr im VBB-Verbundgebiet
gibt es auf der Internetseite des ADFC Berlin:
www.adfc-berlin.de/radtouren/fahrrad-a-bahn/nahverkehr.html
Zu diesem Thema siehe auch: Löbe, Martina
(2011) Fahrradmitnahme in Nahverkehrszügen,
Hamburg Diplomica (ISBN 3842860374)
Martina Löbe
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