|
Bereits seit Anfang 2011 setzt sich der Verkehrsausschuss
des Europäischen Parlaments
mit der Neufassung des Ersten Eisenbahnpakets,
dem sogenannten „Recast“, auseinander.
Obwohl die Neufassung ursprünglich allein
als Vereinfachung und Klärung der bestehenden
Gesetzgebung gedacht war, hat sich die
Arbeit an dem Dossier als äußerst komplexes
Unterfangen herausgestellt. Grundsätzlich
herrscht zwar sowohl im Ausschuss als auch
mit dem Verkehrsministerrat Einigkeit darüber,
dass eine unabhängige und starke Regulierungsstelle,
die Transparenz der Finanzflüsse
und ein diskriminierungsfreier Zugang
zu Infrastruktur und Serviceeinrichtungen
entscheidend sind.
Doch trotz dieser grundsätzlichen Einigung
gestaltet sich das Vorankommen
schwierig, zum einen wegen der Komplexität
der Regelungen, die Detailarbeit erfordern,
zum anderen wegen der von einigen
Abgeordneten angestoßenen Debatte über
grundsätzliche Fragen, beispielsweise nach
der Trennung von Netz und Betrieb oder
nach der Öffnung des nationalen Personenverkehrs.
Diese sind in diesem Kontext jedoch
nicht zu beantworten.
Die Grünen sind für die Trennung von
Netz und Betrieb, wissen aber auch, dass
zum Beispiel in Spanien diese Trennung
vorhanden, das Netz für Wettbewerber allerdings
geschlossen ist. In Deutschland gibt
es eine unabhängige Regulierungsstelle, die
in zwei Wochen über Anträge von Eisenbahnverkehrsunternehmen
entscheidet. In
Italien beträgt die Frist zwei Monate, wenn
die Unterlagen vollständig ausgefüllt sind.
Da dies angeblich selten der Fall ist, sehen
Wettbewerber vielfach keine Chance, auf
dem italienischem Netz zu fahren. In Frankreich
dauert es oft zwei Jahre, bis man (vielleicht)
eine Antwort bekommt. Deshalb ist
für uns in Europa gegenwärtig eine unabhängige
Regulierungsstelle, die kurzfristig
entscheiden muss, die unerlässliche Voraussetzung
für die Etablierung eines europäischen
Eisenbahnnetzes.
Die Grünen hatten deshalb bereits vor Monaten
gefordert, nicht zum Recast gehörende
Grundsatzfragen auszuklammern und in
den von der EU-Kommission zu diesen Themen
angekündigten Gesetzgebungsverfahren
zu behandeln. Darüber hinaus stand
für die Grünen immer fest, dass Qualität vor
Schnelligkeit gehen muss. Nachdem diese
Forderungen in den letzten Monaten noch
von den anderen Fraktionen zurückgewiesen
wurden, hat sich diese Einsicht nun endlich
im Ausschuss und bei der Europäische
Kommission durchgesetzt.
So entschied der Ausschuss Ende Juni, die
Abstimmung von Juli auf Oktober zu verschieben,
um so eine ausreichende Bearbeitung
zu ermöglich. Darüber hinaus machte
die Europäische Kommission am 11. Juli im
Verkehrsausschuss unmissverständlich klar,
dass die Erörterung von Grundsatzfragen
im Rahmen der angekündigten Verfahren
erfolgen sollte. Damit ist der Weg für eine
qualitativ gute Behandlung des Recast im
Parlament frei! Michael Cramer, MdEP
Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament
|