Sachsen

Protestfahrten und Unterschriften für die Döllnitzbahn

Vor 20 Jahren gab es mit der Unterzeichnung einer Patenschaftsurkunde zwischen Deutscher Reichsbahn (DR) und Deutschem Bahnkunden-Verband (vormals Pro Bahn) eine wichtige Weichenstellung für den Erhalt der sächsischen Schmalspurbahn von Oschatz nach Kemmlitz – der Döllnitzbahn. Doch mit der Entscheidung des Zweckverbands Großraum Leipzig (ZVNL), die Zahlungen für den Schienenpersonennahverkehr auf der Döllnitzbahn am 8. Juli 2011 einzustellen, ist die Strecke wieder gefährdet. Daraufhin gab es viele Proteste, weit über die unmittelbar betroffene Region hinaus.

Demo
Aktionstag für die sächsische Döllnitzbahn am 19. März 2011. Die Schmalspurbahn, für deren Erhalt sich der DBV seit Anfang der 1990er Jahre in besonderer Weise engagierte, ist erneut gefährdet, weil die Finanzierung des Schülerverkehrs am 8. Juli 2011 eingestellt werden soll Foto: Frank Lammers
Fest
Bahnhofsfest in Mügeln am Aktionstag zur Rettung der Döllnitzbahn am 19. März Foto: Raul Stoll
plakat
Unterschriftensammlung zum Erhalt der Döllnitzbahn. Inzwischen haben mehr als 25 000 unterschrieben. Foto: Raul Stoll
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Bahnhof Mügeln. Foto: Raul Stoll
Dampflok
Der „Rettungszug“ erreicht aus Glossen kommend den Bahnhof Mügeln. Für die Zukunft der Döllnitzbahn ist es wichtig, dass neben dem touristischen Verkehr auch der Schülerverkehr erhalten bleibt. Foto: Raul Stoll
Einstieg
Provisorischer Haltepunkt Leuben, um das Schloss Leuben besuchen zu können. Foto: Florian Müller (Februar 2011)

Die entlang des Elbe- Nebenflusses Döllnitz verkehrende Schmalspurbahn zwischen Oschatz, Mügeln und Glossen/Kemmlitz ist der letzte Teil eines einst weitläufigen Schmalspurbahnnetzes, das den vor allem landwirtschaftlich geprägten Norden Sachsens zwischen Leipzig, Döbeln und Riesa erschloss.

Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung 1990 gab es auf dem verbliebenen, rund 17 Kilometer langen Teilstück von Oschatz über Mügeln nach Kemmlitz nur noch Güterverkehr, hauptsächlich zum Transport von Kaolin (Tonerde). Nachdem am 1. September 1991 zwischen der DR und dem DBV (vormals Pro Bahn) unter Schirmherrschaft des damaligen Landkreises Oschatz eine Patenschaft zum Erhalt der Strecke vereinbart worden war, wurde ein Konzept für ihren künftigen Betrieb erarbeitet. Damals war bereits klar, dass sich die DR in absehbarer Zeit von der Strecke trennen würde. So kam es im Dezember 1993 zur Übernahme des Betriebes durch die Döllnitzbahn GmbH.

Der Reisezugverkehr bestand zunächst aus touristisch geprägten Fahrten an einigen Tagen im Jahr. 1995 kam der bis heute währende Schülerverkehr hinzu. Während die Döllnitzbahn GmbH vor allem für den Alltagsverkehr sorgte, organisierte der am 20. Januar 1994 gegründete DBV-Förderverein Wilder Robert e. V. die Freizeitfahrten an Sonn- und Feiertagen. Darüber hinaus engagierte er sich für den Erhalt bzw. die Rettung historisch interessanter Fahrzeuge sowie für die mit dem Bahnbetrieb verbundenen Bauwerke.

Vor allem für den werktäglichen Betrieb schaffte die Döllnitzbahn GmbH Dieseltriebfahrzeuge an. Viel Energie wurde von allen Beteiligten im Laufe der Jahre aufgebracht, die Strecke zu erhalten und die Stationen fahrgastgerecht zu gestalten.

Ein Höhepunkt: die Landesgartenschau 2006

Es gab Erfolge und Rückschläge. Im Jahr 2000 kam die Döllnitzbahn in den Genuss eines über den Schülerverkehr hinausgehenden Reisezugverkehrs zwischen Oschatz und Altmügeln. Er wurde vom ZVNL bestellt. Zwar nahmen in den folgenden Monaten und Jahren immer mehr Fahrgäste dieses Angebot in Anspruch, doch schien dem ZVNL die Nachfrage nicht hoch genug zu sein. 2006 wurde die Bestellung des zusätzlichen Reisezugverkehrs leider beendet.

Bereits 2001 endete auf der Döllnitzbahn der Güterverkehr – ob er je wieder aufgenommen wird, ist ungewiss, wenn auch nicht ausgeschlossen. Immerhin verblieb der Döllnitzbahn GmbH das Rangiergeschäft mit Regelspurfahrzeugen im Bahnhof Oschatz, wo das Kaolin nunmehr von den Lkw auf Regelspurzüge umgeladen wird.

Während der Landesgartenschau 2006 in Oschatz konnte die Döllnitzbahn ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Fast 52 000 Fahrgäste wurden transportiert (siehe auch SIGNAL 6/2006 , Seite 31). Außerdem gab es 2006 eine Streckenverlängerung von Nebitzschen nach Glossen, wo eine heute touristisch genutzte Feldbahn anschließt. In Nebitzschen beginnt auch der vergleichsweise steigungsreiche Streckenteil nach Kemmlitz, der jedoch seit Anfang 2006 baulich gesperrt ist und derzeit wieder hergerichtet wird.

Bis heute prägen auf der Döllnitzbahn an den Wochentagen die Schülerzüge sowie an Sonn- und Feiertagen die Touristikzüge das Bild. Eine weitere Bestellung durch den ZVNL über das Jahr 2006 hinaus machte dies möglich. Wohlgemerkt: Die Bestellung umfasst auch den Wochenendverkehr.

Beim Wochenendverkehr wird die Döllnitzbahn GmbH vom DBV-Förderverein Wilder Robert e. V. unterstützt, der sich wesentlich an der Organisation dieser Angebote beteiligt, indem er zum Beispiel einen Teil des Zugpersonals stellt. Diese Regelung gilt seit 2008. Ob sie in Zukunft beibehalten wird, ist noch nicht geklärt.

Die letzten Jahre waren auch von weiteren umfangreichen Investitionen in die Strecke und von unverändert viel Engagement aller Beteiligten geprägt. Investiert wurde außerdem in mehrere Gebäude, so zum Beispiel beim Umbau des Lokschuppens in Mügeln.

Döllnitzbahn wird 2010 ausgezeichnet

Am 7. Dezember 2010 wurde der Döllnitzbahn GmbH der Claus- Köpcke-Preis verliehen. Den Preis erhält, wer sich für den Erhalt und die Entwicklung der sächsischen Schmalspurbahnen im besonderen Maße einsetzt. Die Döllnitzbahn GmbH ist dadurch für ihre erfolgreichen Bemühungen geehrt worden, das Unternehmen nachhaltig neu auszurichten und zu konsolidieren. Weiteres siehe www.ssb-sachsen.de/CKPreis.htm

Nicht zuletzt dank der Vermarktung über die Dampfbahn- Route (www. dampfbahn-route. de) wurde die Döllnitzbahn mit ihren umfangreichen Fahrtenprogrammen einer zunehmend größeren Öffentlichkeit bekannt. So gelang es, die Nachfrage merklich zu steigern.

Seit Ende 2009 regiert nun in Dresden eine Koalition aus CDU und FDP mit leider relativ wenig Interesse am öffentlichen Verkehr. Was viele Fahrgäste schon befürchteten, wurde Mitte Dezember 2010 Realität: Im Rahmen der Haushaltsplanung beschloss die CDU/FDP-Koalition, die Zuwendungen des Landes Sachsen für Bahnen und Busse drastisch zu kürzen. Welche Leistungen im Einzelnen wegfallen, haben die für den ÖPNV zuständigen Zweckverbände selbst zu entscheiden. Daraus erwuchs ein klassisches Schwarzer-Peter-Spiel: Die Staatsregierung verwies die gegen Abbestellungen Protestierenden auf die Zuständigkeit der Zweckverbände, diese seien für Bestellungen und Abbestellungen von öffentlichem Verkehr zuständig. Und die Zweckverbände verwiesen auf die Staatsregierung, die ihnen Millionenzuwendungen für die Bestellung von öffentlichem Verkehr gestrichen habe.

Die Kürzungen der Zuwendungen für den ÖPNV stellten die zuständigen Zweckverbände in der Tat vor praktisch unlösbare Aufgaben. Mehrere Bahnstrecken waren und sind daher bedroht, ihren Reisezugverkehr zu verlieren, u. a. die Sebnitztalbahn zwischen Bad Schandau und Neustadt/Sachsen. Betroffen ist auch der S-Bahn-Verkehr in Leipzig.

Allein der ZVNL muss ab 2011 bis 2014 jährlich 10 Millionen Euro einsparen. Für die Döllnitzbahn sollte es sich dabei als besonders nachteilig erweisen, dass sie einem Zweckverband angehört, der seine Mittel wesentlich auf die Stadt Leipzig konzentriert. Der ländliche Raum, zumal am geographischen Rand des Zweckverbands gelegen, genießt eine entsprechend geringere Aufmerksamkeit. Vor diesem Hintergrund hat die Verbandsversammlung des ZVNL am 16. Februar 2011 die Bestellung des Zugverkehrs auf der Döllnitzbahn trotz Protestes des Landkreises Nordsachsen zum Ende des Schuljahres am 8. Juli 2011 vollständig gestrichen. Zunächst sollte sogar schon Ende März 2011 Schluss sein. Damit fehlen der Döllnitzbahn GmbH die für den weiteren Betrieb notwendigen Zuwendungen.

Gleichwohl ließen verschiedene Verantwortliche in Politik und Verwaltung durchblicken, Interesse am Fortbestand der Strecke zu haben. Der Landkreis Nordsachsen steht weiterhin hinter „seiner“ Bahn. Die Fahrgäste zeigten ebenfalls auf eindrucksvolle Weise, dass ihnen die Strecke am Herzen liegt: Eine am 19. Februar 2011 vom Förderverein gestartete Unterschriftensammlung brachte bereits mehr als 25 000 Unterschriften zusammen! Protestfahrten am 30. Januar und 19. März führten zu teilweise überfüllten Zügen. In zahlreichen Foren und Leserbriefen wurde und wird die Rettung der traditionsreichen Bahn gefordert. Sogar eine Musikgruppe, die deutschlandweit bekannten Randfichten, setzen sich für den Erhalt der Döllnitzbahn ein.

Auf der Döllnitzbahn wurde bereits viel erreicht, ohne aber schon alle Fahrgastpotenziale auszuschöpfen. So erschließt die Bahn zwei historisch interessante Bauten, das Schloss in Leuben und das Schloss Ruhetal. Ersteres befindet sich im Wiederaufbau. Bei der erwähnten Protestfahrt am 29. Januar wurde zwischen Thalheim und Naundorf ein provisorischer Haltepunkt eingerichtet, damit die Reisenden das Schloss Leuben besuchen konnten. Ein dauerhafter Haltepunkt nebst Weg zum Schloss Leuben dürfte technisch unproblematisch sein. Man muss es nur wollen.

Das Schloss Ruhetal liegt sogar direkt am Bahnhof Mügeln Stadt. Leider konnte bisher noch keine publikumsorientierte Nutzung für dieses Bauwerk erreicht werden, doch das wird sich sicherlich ändern. In der Nähe des wieder in Betrieb zu nehmenden Streckenteils nach Kemmlitz wiederum befindet sich der sogenannte Kaolinsee – ebenfalls ein Anziehungspunkt für Ausflügler.

Den Wert der Schmalspurbahnen vor allem für den Tourismus hat die CDU/FDPRegierung in Sachsen übrigens im Grundsatz durchaus erkannt. So findet sich im Koalitionsvertrag eine Aussage, die betreffenden Strecken fördern zu wollen. Unter anderem ein Landesparteitag der FDP soll in dieser Frage weitere Klärung bringen.

Pläne und Geld für die Döllnitzbahn

Der sächsische Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) stellte im April Pläne vor, die Schmalspurbahnen aus der Verantwortung der Zweckverbände auszugliedern und einer anderen Organisationsform zu unterstellen – zum Beispiel einer entsprechenden GmbH, einem besonderen Zweckverband oder einem Eigenbetrieb Sachsens. So lobenswert diese Initiative an sich ist, so hat sie doch einen Pferdefuß: Für die Schmalspurbahnen ist nach diesem Ansatz allein eine touristische Orientierung vorgesehen. Die Döllnitzbahn jedoch benötigt zum Überleben auch den Schülerverkehr. Ob sich hier eine Regelung finden lässt? Jedenfalls sind dank des hohen Rationalisierungsgrads der Döllnitzbahn nur vergleichsweise geringe Mittel aus einem solchen Förderprogramm erforderlich, um die Bahn zu erhalten.

Hoffnung auf ein Weiterbestehen der Döllnitzbahn gab es bereits am 1. April – und das war kein Aprilscherz. Der Beirat der Sparkassen-Stiftung für die Region Torgau- Oschatz beschloss, die Döllnitzbahn GmbH für das Jahr 2011 mit einer Zuwendung von 10 000 Euro zu fördern. Dies ist natürlich überaus verdienstvoll, doch bis die Strecke dauerhaft gesichert ist, wird wohl noch viel Wasser durch die Döllnitz zur Elbe fließen. (hjb)

Weitere Infos: www.doellnitzbahn.de
www.wilder-robert.de

DBV-Förderverein Wilder Robert e. V.

aus SIGNAL 2/2011 (Juni 2011), Seite 30-31

 

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