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Ein besonderes Weihnachtsgeschenk gab es für die Berliner
Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN): "Im Rahmen des
Planfeststellungsverfahrens für die Verkehrsanlagen
im 'Zentralen Bereich' von Berlin sind von den Vorhabenträgern
Planungsänderungen vorgenommen worden. Den Umfang der Änderungen
entnehmen Sie bitte der beigelegten Übersicht", schrieb die
Senatsverkehrsverwaltung am 16. Dezember und kündigte an, daß zur
Durchführung der Verbandsbeteiligung gemäß Bundesnaturschutzgsetz
der BLN "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zwei Sätze
der geänderten Planfeststellungsunterlagen zwischen dem 20.12.
und 23. 12. 1994" zugestellt werden. "Die Unterlagen dienen sowohl
Ihrer als auch der Einsichtnahme der Ihnen angeschlossenen und
anerkannten Naturschutzverbände." Und weiter unter war dann zu
lesen: "Die Ihnen freigestellte Äußerung senden Sie bitte bis
zum 16.01.1995 an uns. Bei der Fristberechnung haben wir den
Zeitraum vom 23.12.1994 bis zum 01.01.1995 außer Betracht
gelassen." Wie großzügig! Damit gab es insgesamt mehr als drei
Wochen Zeit, um lächerliche zehn Aktenordner mit Plänen und einen
80 Seiten umfassenden Erläuterungsberìcht durchzuarbeiten und eine
fundierte Stellungnahme dazu abzugeben.
Dieses Verfahren ist eine Unverschämtheit, beträgt doch selbst bei
gewöhnlichen Bebauungsplänen die Frist für die sogenannten Träger
öffentlicher Belange (TÖB) vier bis sechs Wochen. Zu bemängeln ist auch, daß
die erheblichen Planungsänderungen nur diesem beschränkten Kreis der
(TÖB) zugänglich gemacht und nicht öffentlich ausgelegt wurden - allein das
Inhaltsverzeichnis geht über drei Seiten und umfaßt 46 Einzelpunkte.
Darunter sind keineswegs nur für Verwaltungen und Naturschützer
wichtige Punkte (wie z.B. die Verlegung einer Feuerwehrzufahrt und eine
zuvor fehlerhafte - Berechnung der Baumersatzpflanzungen), sondern auch
wesentliche Anderungen des Verkehrskonzeptes.
Und dies ist der dritte, inhaltliche Kritikpunkt an den neuen Plänen.
Die zur Erschließung des Lehrter Zentralbahnhofs nötige S21 gibt es in
den Planunterlagen immer noch nicht, denn der Senatsbeschluß zur S21
erst am 3l.l.95 und sieht ja auch nur eine Trassenfreihaltung und keine
Planfeststellung der S21 vor. Dafür wird die Anbindung des neuen
Fernbahnhofs noch autogerechter gestaltet. Ganz abgesehen davon. daß
von der einst versprochenen Beseitigung der Entlastungsstraße nichts
mehr übrig ist. Diese soll vielmehr durch eine noch um 50%
breitere "Floraallee" ersetzt werden. Außerdem sind eine neue
Tiefgarage für 1.000 zusätzliche Autostellplätze und eine Verbreiterung
der lnvalidenstraße auf zehn Fahrspuren vorgesehen. Das gesamte
Verkehrskonzept rund um den Lehrter Bahnhof wurde neu entworfen, so
daß jetzt eine bequeme Autovorfahrt an der Invalidenstraße möglich ist.
Die Haltestellen für den ÖPNV werden dagegen nach Süden auf die
voraussichtliche "Rückseite" des Bahnhofs verbannt.
Derart gravierende Neuplanungen nicht der breiten Öffentlichkeit zu
zeigen, sondern in einem äußerst fragwürdigen Verfahren unter der
Decke zu halten, beschädigt erneut die Planungskultur, zeigt aber
auch die Verunsicherung bei den planenden Stellen, die noch immer
fürchten müssen, daß die ganze "Pilzkonzept-Planung" bereits vor oder
gar erst nach dem ersten Spatenstich wie
ein Kanenhaus zusammenfällt. Doch zunächts steht die Erörterung der
Planung mit den rund 19.000 Einwendern bevor. Dies soll voraussichtlich
ab März in täglichen Runden über mehrere Wochen (!) erfolgen. IGEB
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