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Wohin (im wahrsten Sinne des Wortes) die
Reise geht, legen die Landesregierungen
in ihren Nahverkehrsplänen fest. Sie zeigen,
obwohl nicht verbindlich, die nächsten
Schritte und generellen Schwerpunkte
in der Verkehrspolitik auf. Die Darstellung
von verschiedenen „strategischen“ Entwicklungshorizonten
bietet beispielsweise
für Verbände, Wirtschaft und Kommunen
die Möglichkeit, eigene Planungen darauf
abzustimmen.
Der aktuelle Koalitionsvertrag dazu:
„Im Flächenland Brandenburg hat die Sicherung
von Mobilität für alle Menschen
größte Bedeutung. Mobilität muss in allen
Teilen der gemeinsamen Hauptstadtregion
Berlin-Brandenburg entsprechend den
sich ändernden Bedürfnissen gewährleistet
werden. Insbesondere sind dabei die
zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtungen
und die Pendlerströme zwischen
Berlin und den anderen Teilen der Hauptstadtregion
(…) zu berücksichtigen.“ Die
hektischen und nicht konsequent zu Ende
gedachten Abbestellungen stehen aber im
krassen Widerspruch zu den Zielen des Koalitionsvertrages.
Potenzial ohne Analyse!
Hoffnung machte der Landesnahverkehrsplans
2008–2012. Es deutete sich an, dass
endlich vom altbekannten Reflex „weniger
Geld = weniger Angebot“ abgewichen
wird – zumindest für die Zukunft. In einer
Potenzialanalyse sollten alle die Strecken
und Linienäste untersucht werden, deren
Überleben kritisch ist, weil sie zu wenig
Fahrgäste hätten. Nach den ständigen Abbestellungen
und Ausdünnungen deutete
sich damit endlich eine Umkehr an. Als Ziel
sollte im Vordergrund der Erhalt des vorhandenen
Netzes (als Bestand) stehen.
Die jetzt zum Dezember 2012 angekündigten
Zugstreichungen zeigen, dass es
keine Änderungen in der Politik gibt. Diese
2008 angekündigte „Potenzialanalyse“ ist
wohl nie in Angriff genommen worden. War
sie nur eine Beruhigungspille für die Öffentlichkeit?
Genau die Linien, die bereits 2006
eine Taktreduzierung erfuhren und 2008 als
zu untersuchen aufgeführt wurden, sollen
jetzt „über die Klinge springen“. Auf ihnen
sind nicht die geforderten 500 Fahrgäste
täglich unterwegs: Pritzwalk—Meyenburg,
Kyritz—Pritzwalk, Schöneweide—Königs
Wusterhausen—Beeskow—Frankfurt
(Oder).
Kurzfristige Abbestellungen
sparen wenig Geld
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Auch dem Bahnhof Blumenthal und der ganzen Strecke Neustadt (Dosse)—Pritzwalk droht die Abbestellung. Foto: DBV-Archiv |
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Nach den Trassenbestellungen
der Verkehrsunternehmen
werden die
Jahresfahrpläne für das
kommende Fahrplanjahr „gestrickt“. Im vorliegenden
Falle hat beispielsweise für die
Verbindung Schöneweide—Königs Wusterhausen—
Beeskow—Frankfurt (Oder) die
Ostdeutsche Eisenbahn GmbH als Verkehrsunternehmen
für sonnabends, sonn- und
feiertags den vereinbarten Stundentakt
Ende April 2012 bestellt. So ist es bisher mit
dem Verkehrsverbund vereinbart.
Jetzt hat das Verkehrsministerium angekündigt,
dass es nur einen 2-Stunden-Takt
geben soll. Damit ist die angegebene Trassenbestellung
bei DB Netz hinfällig. Auch
zwischen dem Verkehrsministerium und
der ODEG müssen neue Verträge geschlossen
werden. Seitens der ODEG müssen
Dienstpläne umgeschrieben werden, die
Fahrzeugplanung muss verändert werden.
Durch die Ausdünnung werden auch Fahrzeuge
und Personale weniger gebraucht.
Das alles erzeugt Kosten, die selbstverständlich
vom Land getragen werden müssen.
Weniger Fahrten bedeuten für die Unternehmen
weniger Einnahmen und damit weniger
Gewinn! Da sie nicht Schuld an diesem
Ertragsrückgang sind, ist es nur konsequent,
sich diese Ausfälle innerhalb der Vertragslaufzeit
von dem ausgleichen zu lassen, der
sie verursacht hat: vom Brandenburger Verkehrsministerium!
Die Verkehrsverträge haben in der Regel
eine Vertragslaufzeit von 10 und mehr
Jahren. Natürlich gibt es in den Verträgen
Klauseln über Veränderungen innerhalb der
Laufzeit. Aber: die gibt es nicht umsonst!
Eine Reduzierung des Angebotes um 20
oder 50 bedeuten nicht eine Einsparung von
20 oder 50 Prozent! Faustformel: Je kurzfristiger
bestehende Verträge geändert werden,
umso geringer sind die tatsächlichen Einsparungen.
Wenn Brandenburgs Verkehrsminister
Vogelsänger acht Monate vor Inkrafttreten
des Fahrplans 2013 (ab Dezember 2012)
ankündigt, zwei Millionen Euro durch die
Streichung von Zugleistungen einsparen zu
wollen, bedeutet dies möglicherweise die
Abbestellung von Leistungen im „Gegenwert“
von 2,5 oder 3 Millionen Euro. Denn
die Ausgleichszahlungen, die das Land den
Verkehrsunternehmen zu zahlen hat, kommen
als weiterer Aufwand dazu!
Die Streichungsschraube wird sich
immer weiter und schneller drehen
Damit stehen im Übrigen auch für die Zeit
nach 2014 die nächsten Kandidaten fest,
die abbestellt werden. Um Geld zu sparen,
soll nämlich beispielsweise zwischen Brandenburg
Hbf und Rathenow und zwischen
Berlin und Frankfurt (Oder) über Beeskow
am Wochenende der Takt ausgedünnt werden.
Anstatt alle Stunde soll es dann nur
noch einen 2-Stunden-Takt geben. Erwartet
das Verkehrsministerium allen Ernstes,
dass beide Linien die 500 Fahrgäste-Marke
reißen, wenn der Takt halbiert wird? Ein
weiteres Problem: Gerade in diese beiden
Strecken ist durch DB Netz in den vergangenen
Jahren erheblich investiert worden.
Diese Investitionen werden natürlich auf
die Trassenbestellungen umgelegt. Wird
also der Takt halbiert, bedeutet das, dass die
Trassenentgelte drastisch steigen. Vielleicht
nicht um 100 Prozent, jedoch im mittleren
zweistelligen Bereich. Das Ergebnis: Der
Zugverkehr wird noch unwirtschaftlicher.
Es fahren ja andererseits auch nicht mehr
Fahrgäste mit, weil der Takt ja vorher ausgedünnt
wurde. Damit steigt wiederum der
Druck auf das Land, endlich auch hier den
Verkehr komplett abzubestellen, weil der
Zuschussbedarf pro beförderten Fahrgast in
keinem Verhältnis mehr zum Nutzen steht.
Ein Abwärtstrend, der in Brandenburg seit
1994 anhält und durch jede weitere Ausdünnung
beschleunigt wird.
Schienennetz in Brandenburg –
das Rückgrat hat längst Schäden
Jedes Jahr steigen die Entgelte für die Nutzung
der Strecken und Stationen. Dafür bekommen
die Bundesländer ja auch – planbar
und gesetzlich festgeschrieben – mehr Geld
vom Finanzminister. Wenn Verkehrsminister
Vogelsänger als den Schuldigen für die (angeblich
zwingend notwendigen) Streichungen
den DB-Konzern mit seinen Töchtern DB
Netz AG und Station & Service brandmarkt,
ist das nur die halbe Wahrheit. Denn auch er
ist an dieser Situation schuld. Die Preiserhöhungen
werden durch steigende Zuweisungen
aus dem Bundeshaushalt kompensiert.
Die Verträge mit den Verkehrsunternehmen
werden langfristig – über 10 und mehr Jahre
– geschlossen. Durch die Ausschreibungen
im Wettbewerb sind in den vergangenen
Jahren mindestens 30 Prozent der
bisher gezahlten Entgelte eingespart worden.
Alle diese Faktoren müssten eigentlich
bedeuten, dass es diesen plötzlichen Zwang,
innerhalb eines halben Jahres Millionen einsparen
zu müssen, gar nicht geben kann.
Hat das Verkehrsministerium falsch gerechnet
und sich verrechnet? Oder ist es so, dass
das Geld tatsächlich nicht ausreicht, weil mit
dem zur Verfügung stehenden Geld immer
mehr finanziert werden soll?
Es ist kein Geheimnis, dass Brandenburg
von dem Geld, mit dem eigentlich Regionalverkehrsleistungen
auf der Schiene
bestellt werden sollen, inzwischen einen
erheblichen Teil für andere Dinge ausgibt.
Da wird das Sozialticket mitfinanziert, die
Beschaffung von Bussen und Straßenbahnen,
künftig auch die erhöhten Aufwendungen
für die sieben Brandenburger Straßenbahnbetriebe
und Eberswalde mit seinem
Obus-System. Anstatt Regionalverkehr zu
bestellen, fließt das Geld auch in die Anlage
von P&R-Parkplätzen an Bahnhöfen und die
Verschönerung von Verkehrsstationen.
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VBB Planung: Angebotsanpassung Fahrplan 2013, Entfall von schwach nachgefragten Zügen Tabelle: VBB, 23. April 2012 |
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Die Brandenburger Landkreise erhalten
aus diesem Finanztopf auch ihr Geld für die
Bezahlung der eigenen Busverkehre. Jeder
Geldsegen, sei er auch noch so groß, ist
endlich. Und das Ende scheint erreicht zu
sein. Das Problem ist offenbar nicht, dass es
unplanbare und riesengroße Preiserhöhungen
gegeben hat, sondern dass mit dem zur
Verfügung stehenden Geld immer mehr bezahlt
werden soll.
Die Endlichkeit des Geldes wird sich
auch in einer weiteren Umverteilungsidee
bemerkbar machen. So hat das Verkehrsministerium
die Idee, im ÖPNV-Gesetz die
„alternativen Bedienungsformen“ – also Rufbus,
Bürgerbus, Anrufsammeltaxi usw. – bei
den Zuweisungen besser zu stellen. In Konsequenz
bedeutet dies automatisch einen
weiteren Umverteilungszwang. Denn auch
hierfür wird das vorhandene Geld anderen
Bestellungen weggenommen.
Brandenburg finanziert Zugverkehr
in Berlin
Recht extensiv ist Brandenburg inzwischen
bereit, SPNV-Verkehre in Berlin zu
bestellen und zu bezahlen. Die Verlängerungen
diverser Regionalbahn-Linien
in die Berliner Innenstadt hinein wird
aus Brandenburger Steuergeld „fremdfinanziert“.
Sei es die RB6, die zwischen
Spandau und Gesundbrunnen durch Brandenburg
bezahlt wird, die Verlängerung
der RB 10 von Spandau zum Hauptbahnhof
oder ab Dezember 2012 die RB 21 und
RB 22, wenn sie über Griebnitzsee nach
Friedrichstraße fahren sollen. Diese Verlängerungen
mögen sinnvoll sein, hierfür
wird aber Steuergeld aus Brandenburg
ausgegeben, dass Brandenburg an anderer
Stelle fehlt. Nach Schätzungen des DBV
kosten diese Bestellungen jährlich um die
5 Millionen Euro!
Kein Geld vorhanden?
Ad absurdum wird der angebliche Zwang
zur Einsparung, wenn sich das Verkehrsministerium
an anderer Stelle weigert, erkennbare
Einsparungen zu nutzen. So hatte der
DBV-Regionalverband bereits 2008 dem
Verkehrsministerium vorgerechnet, dass
die Verlängerung der S-Bahn über Spandau
hinaus nach Falkensee jährlich fast 1,7 Millionen
Euro sparen würde. Dieses theoretisch
vorhandene Einsparvolumen wurde auch
bestätigt – bei Beibehaltung eines merkbaren
und zuverlässigen Halbstundentaktes
im Regionalverkehr. Weil das Verkehrsministerium
die S-Bahn aber per se ablehnt, ist
man an dieser Stelle bereit, mehr Geld als
notwendig auszugeben.
Wie geht es weiter?
Einen Plan zum langfristigen Erhalt und
zur Sicherung des Schienennetzes und
des –verkehrs gibt es nicht. Sonst sähe
Verkehrspolitik anders aus. Stattdessen
hangelt man sich von einem Finanzloch im
Verkehrshaushalt zum nächsten mit Abbestellungen.
Wie dargestellt werden Einsparungen
auch weiterhin durch das Zusammenstreichen
von Bestellungen kompensiert.
Es reicht, in puncto Zuständigkeit auf
die Verantwortlichkeit des Bundes für das
Schienennetz zu verweisen. Vielfach hat
der DBV vorgeschlagen, Strecken zum Erhalt
durch das Land zu kaufen, um sie so in
ihrem Bestand zu sichern. Für die Schieneninfrastruktur
sei, laut Land, der Bund zuständig.
Warum beschwert man sich über
die ständig steigenden Kosten für die Trassen-
und Haltbestellungen, ist andererseits
aber nicht bereit, durch politische Initiative
seine Einwirkungsmöglichkeit zu nutzen?
Die Möglichkeit bestünde! Die Infrastruktur
ist komplett im Bundeseigentum, eine Privatisierung
laut Grundgesetz nicht möglich.
Wenn das Land Brandenburg (wie übrigens
ebenso alle anderen Bundesländer auch!)
als Teil-Eigentümer nichts an den bestehenden
Problemen ändert, gibt es zwei
Möglichkeiten: Entweder möchte es an den
bestehenden Strukturen und Problemen
nichts ändern, oder es kann nichts ändern.
Beide Varianten sind fatal.
Wenn sich nichts Grundsätzliches an dieser
planlosen Verkehrspolitik ändert, wird
das Brandenburger Schienennetz in zehn
Jahren nur noch aus den von den Expresslinien
befahrenen Hauptstrecken bestehen.
Vielleicht fährt dann auch dort nur noch alle
zwei Stunden ein Zug, weil man inzwischen
ja weitersparen musste…
Fazit
Dort, wo die Landesregierung Abbestellungen
plant, ist sie dennoch weiterhin in
der Pflicht, in Zusammenarbeit mit den
Landkreisen die Mobilität zu sichern. Dies
kann nur dadurch geschehen, dass sie
nicht nur Überlegungen anstellt, wo noch
ein paar tausend Euro durch Streichungen
„zusammengekratzt“ werden können. Erfolgen
Abbestellungen (dies gilt übrigens
auch für die Streichung von Halten), hat
sie gleichzeitig auch ein Konzept vorzulegen,
wie die Alternativen aussehen. Denn,
so steht es ja im Koalitionsvertrag, die
Sicherung der Mobilität ist von größter
Bedeutung!
DBV Berlin-Brandenburg
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