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Bald wie in Tokio?

Senat sorgt für noch dichteres Gedränge in der Berliner U-Bahn

Zum Fahrplanwechsel Ende Mai sind erneut eine Vielzahl von Angebotsverschlechterungen bei der BVG vorgenommen worden. Neben einer unübersehbaren Liste von Angebotsreduzierungen im Busliniennetz durch Takterweiterungen und Verkürzung der Betriebszeiten ist diesmal in erster Linie die U-Bahn betroffen.

Die gravierendsten Angebotskürzungen:

  • Auf der U-Bahn-­Linie 2 wurde der Zeitraum des verdichteten Berufsverkehrs morgens und nachmittags verkürzt, nachdem bereits im letzten Herbst das Berufsverkehrsangebot ausgedünnt worden war - jetzt fahren nur noch 18 statt zuvor 20 Züge je Stunde. Dies alles geschieht, obwohl die Züge auf der U2 seit Beginn der Bauarbeiten auf der parallelen Stadtbahn zeitweise aus allen Nähten platzen.
  • Von der BVG wurde die Verlängerung der Berufsverkehrs-Verstärkerzüge auf der U5 bis Kaulsdort-­Nord als Verbesserung angepriesen - ohne zu erwähnen, daß zugleich auf der gesamten Linie der Takt von 6 auf 7.5 Minuten ausgedehnt worden ist! Auch hier wird im Berufsverkehr das Gedränge also noch weiter zunehmen.
  • Auch auf der U-Bahn-Linie 7 wurde der Zeitraum des verdichteten Berufsverkehrs-Taktes weiter verkürzt, nachdem bereits seit Herbst der Takt erweitert wurde und seitdem statt 20 nur noch 18 Züge je Stunde verkehren. Durch das um 10% reduzierte Platzangebot ähnelt das Fahren in den rappelvollen Zügen der U7 immer häufiger den Verhältnissen in Tokio.
  • Auf der U-Bahn-Linie 8 wird der Abschnitt Osloer Straße - Wittenau tagsüber nicht mehr im 5-Minuten-Takt, sondern nur noch alle 10 Minuten befahren.
  • Auf den U-Bahn-Linien 6, 7 und 9 wird am Sonnabend-Nachmittag und sonntags ganztägig nicht mehr im 7 1/2-Minuten-Takt sondern nur noch im 10-Minuten-Takt gefahren. Selbst am Wochenende herscht daher jetzt in vielen Zügen Gedränge im Berufsverkehr.
  • Die im letzten Jahr eingeführten verkürzten Betriebszeiten bei der U-Bahn (späterer Betriebsbeginn und früherer Betriebsschluß) sind nur teilweise wieder rückgängig gemacht worden. Die Wiederherstellung der vormals üblichen Betriebszeiten wird auf keiner Linie erreicht. Im Gegenteil: So verläßt der letzte Zug der U9 jetzt sogar noch früher den Bf Zoo. Und schließlich wurde auf allen Linien auch hier noch mal kräftig zu Lasten der Fahrgäste gespart - denn überall wurden die Taktzeiten in der ersten und der letzten Betriebsstunde von l0 auf 20 Minuten verdoppelt. Dies selbst bei wichtigen Verbindungen zu Umsteigezeiten von über einer Viertelstunde!

Verantwortlich für die skandalöse Entwicklung ist jedoch nicht die BVG, sondern der CDU/SPD-Senat, denn die BVG setzt mit diesen erneuten Angebotseinschränkungen nur um, was ihr der Berliner Senat vorgibt. Und dieser Senat möchte zwar Milliarden­ Summen in gigantische Verkehrsprojekte stecken und den Anteil des öffentlichen Verkehrs im Verhältnis zum Auto auf 60 bis 80% steigern, tatsächlich zwingt er die BVG jedoch seit Jahren zum Abbau ihres Angebotes. Gerade die jetzigen Kürzungen bei der U-Bahn machen erschreckend deutlich, daß es dem Senat längst nicht mehr darum geht, wenig genutzte ÖPNV­Angebote einzusparen, sondern daß der ÖPNV unter inkaufnahme großer Attraktivitäts­ Verluste generell eingeschränkt wird. So gesehen ist es nur konsequent, zugleich zahlreiche neue Autobahnen und Hauptverkehrsstraßen zu planen. Die Berliner Verkehrspolitik schreitet zügig voran auf dem Weg in die verkehrs- und umweltpolitischen Niederungen der 60er Jahre. Haben wir denn gar nichts dazugelemt?

IGEB

aus SIGNAL 5/1995 (Juli 1995), Seite 7

 

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