Im Juni 2012 hat der Berliner Senat endlich
die Ausschreibung der Verkehrsleistungen
der Berliner S-Bahn beschlossen, und im Juli
hat der VBB im Auftrag der Länder endlich
den Teilnahmewettbewerb für das erste
Teilnetz gestartet.
Zwei Jahre lang hatten starke Kräfte vor
allem innerhalb der SPD diesen überfälligen
und unvermeidbaren Schritt blockiert. Deshalb
konnte der scharfe Protest aus den Reihen
der Beschäftigten und Gewerkschaften
auch nicht überraschen.
So war im November 2011 nach einer Betriebsversammlung
bei der S-Bahn Berlin
GmbH ein „Aktionsausschuss 100% S-Bahn
Berlin“ der Belegschaft gegründet worden,
in dem Mitglieder beider Gewerkschaften
(EVG und GDL) sowie nicht organisierte Beschäftigte
der Berliner S-Bahn mitwirken.
Dieser verurteilte die Senatsentscheidung
in seiner Pressemitteilung vom 10. Juli 2012
scharf: „Die Ausschreibung der Berliner
S-Bahn bedeutet die Zerschlagung eines
seit seiner Gründung funktionierenden
Nahverkehrssystems aus einer Hand. Die
politisch gewollte Ausschreibung bedeutet
für uns Beschäftigte der S-Bahn GmbH die
Ausschreibung unserer Arbeitsplätze. Verbunden
damit die weitere Absenkung unserer
Lebens- und Arbeitsbedingungen.“
Bei allem Verständnis für die Sorgen der
Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze muss
man sich doch wundern, dass sie nach über
drei Jahren teils chaotischen Zuständen bei
der Berliner S-Bahn von einem „funktionierenden
Nahverkehrssystem aus einer Hand“
sprechen.
Die nächste Krise kommt bestimmt
Nicht weniger befremdlich ist die Behauptung
des Berliner Senats: „Senat sichert
einen verlässlichen S-Bahn-Verkehr nach
2017“. Durch die zweijährige Verzögerung
werden 2018 nur noch die 500 Viertelzüge
der Baureihe 481/482 zur Verfügung stehen.
Benötigt werden aber 190. Bis diese
Neubaufahrzeuge vollständig einsetzbar
sind, wird sehr wahrscheinlich das Jahr
2020 angebrochen sein. Selbst wenn es wider
Erwarten gelingen sollte, für viel Geld
die Fahrzeuge der Baureihe 480 nach 2017
noch für einige Zeit einzusetzen, kommt es
zu Engpässen – dann allerdings schon 2016
oder spätestens 2017, weil die Fahrzeuge für
eine umfangreiche Aufarbeitung aus dem
Verkehr genommen werden müssten.
Es gibt nichts zu beschönigen: Vor allem
die SPD, aber auch die Koalitionspartner Linke
und CDU haben maßgeblich dazu beigetragen,
dass es 2018 durch Fahrzeugmangel
die nächste Krise bei der Berliner S-Bahn
geben wird.
Verwunderung war gelegentlich zu hören,
dass bei den vom VBB genannten Linien
die auf dem Ring und der Görlitzer Bahn
verkehrenden Linien S 45 und S 85 fehlten.
Doch das ist leicht erklärt: Diese werden
nicht schon wieder eingestellt, sondern
können noch mit den Fahrzeugen der
Baureihe 481/482 der S-Bahn Berlin GmbH
befahren werden, während für die Linien
S 41, S 41, S 46, S 47 und S 8 die 190 neuen
Viertelzüge benötigt werden. Die S 45 und
S 85 gehören also nicht in das Ausschreibungspaket.
Erfreulich ist, dass aus der Aufstellung
des VBB abzulesen ist, dass Berlin und
Brandenburg nach 2017 (weiterhin) einen
10-Minuten-Takt nach Königs Wusterhausen
bestellen wollen und dass sie optimistisch
sind, spätestens dann vom Nordring zum
Hauptbahnhof (tief) fahren zu können. Sinnvoll
ist die Verlängerung von jetzt Westend
über Westhafen nach Hauptbahnhof aber
bestenfalls dann, wenn bis dahin auch die
Zwischenstation an der Perleberger Brücke
realisiert wird.
DB hat gute Chancen für den Zuschlag
Mit dem europaweiten Teilnahmewettbewerb
ist ein erster notwendiger Schritt
gemacht. Schon hier wird sich zeigen, ob
es neben der Deutschen Bahn überhaupt
ernsthafte Interessenten für die Berliner
S-Bahn gibt.
Die BVG wird sich jedenfalls nicht beteiligen
– und das ist auch gut so. Doch selbst
bei ernsthaften Mitbewerbern spricht so
manches dafür, dass am Ende die DB-Tochter
S-Bahn Berlin GmbH den Zuschlag erhalten
wird. Aber auf dem Weg dorthin wird die
Deutsche Bahn nicht mehr so kalkulieren
und agieren können, wie sie es als Monopolist
bisher konnte. Berliner Fahrgastverband IGEB
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