Die Beschwerdeführerin war Inhaberin
einer Rabattkarte eines Verkehrsunternehmens
mit einer Laufzeit vom 19.12.2009 bis
18.12.2010. Im Oktober 2010 führte das Verkehrsunternehmen
u. a. zwei Marketingaktionen
für Rabattkarten-Inhaber durch. Die
eine Aktion sah vor, dass ab dem 13.10.2010
Rabattkarten-Inhaber, die mindestens 19
Jahre alt sind und deren Rabattkarte noch
bis mindestens 30.11.2010 gültig ist, per
Post einen Gutschein zum Erwerb einer
Rabattkarte für die 1. Wagenklasse in derselben
Rabattstufe erhalten. Der Wert des
Gutscheins beträgt 25 Euro für Inhaber einer
25-Prozent-Rabattkarte.
Die andere Aktion hatte den Erwerb eines
Mitfahrer-Gutscheins zum Gegenstand und
beinhaltete die Regelung, dass Inhaber
einer
bis mindestens 11.12.2010 gültigen Rabattkarte,
die mindestens 19 Jahre alt sind
und keine Werbesperre veranlasst haben, ab
dem 15.10.2010 per Post einen personalisierten
Mitfahrer-Gutschein erhalten.
Die Beschwerdeführerin war sowohl älter
als 19 Jahre als auch im Besitz einer über
den 11.12.2010 hinaus gültigen 25-Prozent-
Rabattkarte und ging daher davon aus, von
diesen beiden Angeboten profitieren zu
können. Sie meldete sich mit E-Mail vom
30.10.2010 bei dem Verkehrsunternehmen
und erinnerte an den Versand der Gutscheine
aus den Aktionsangeboten.
Ablehnung
Das Verkehrsunternehmen lehnte die Ausstellung
eines Reisegutscheins in Höhe von
25 Euro mit dem Hinweis ab, dass an dieser
Aktion lediglich solche Kunden teilnehmen
können, die zuvor mittels Zufallsprinzip ausgewählt
worden seien. Gleiches gelte auch
für den Mitfahrergutschein.
Mit dieser Antwort war die Beschwerdeführerin
nicht einverstanden. Sie wies wiederholt
darauf hin, dass die Bedingungen
für die Aktion nicht festschreiben, dass die
Auswahl nach einem Zufallsprinzip erfolgt,
so dass sie nach wie vor auf die Ausstellung
des Gutscheins sowie des zusätzlichen Mitfahrergutscheins
bestehe. Alternativ sei sie
auch mit einer Freifahrt 1. Klasse (Hin- und
Rückfahrt) einverstanden. Diesem Wunsch
kam das Verkehrsunternehmen nicht nach.
Schlichtungsarbeit
Die Beschwerdeführerin wandte sich an
die söp, nachdem auch ein längerer E-Mail-
Verkehr zwischen ihr und dem Verkehrsunternehmen
nicht zum Erfolg geführt hatte.
Die söp setzte sich mit dem Verkehrsunternehmen
in Verbindung und stellte nach
eingehender Prüfung der Bedingungen für
die Aktionsangebote fest, dass aus dem
Wortlaut nicht eindeutig hervorgeht, dass
der Teilnehmerkreis durch ein Losverfahren
ermittelt wird. Hätte das Verkehrsunternehmen
dies so regeln wollen, hätte es diesbezüglich
eine ausdrückliche Formulierung
verwenden müssen. Da dies nicht geschehen
ist, muss es den Inhalt so gegen sich
gelten lassen, wie er von einem objektiven
Empfänger verstanden wird und auch verstanden
werden darf (Empfängerhorizont).
Danach erfüllt die Beschwerdeführerin
die Voraussetzungen für die jeweilige Aktion.
Sie ist sowohl über 19 Jahre alt als auch
Inhaberin einer 25-Prozent-Rabattkarte, die
über den geforderten Zeitraum hinaus Gültigkeit
hatte. Schließlich ist auch keine Werbesperre
veranlasst worden. Die Beschwerdeführerin
durfte daher davon ausgehen,
dass auch sie von den Aktionen profitieren
kann. Der Wortlaut dieser Bedingungen war
außerdem so formuliert, dass der jeweilige
Rabattkarten-Inhaber unaufgefordert von
dem Verkehrsunternehmen angeschrieben
wird, so dass er an der Aktion teilnehmen
kann. Im Übrigen wies die söp darauf hin,
dass gem. § 305 c Abs. 2 BGB Zweifel bei der
Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen
zu Lasten des Verwenders gehen.
Die Schlichtungsempfehlung der söp
wurde angenommen. Das Verkehrsunternehmen
veranlasste eine Prämienpunktegutschrift
in Höhe einer Freifahrt 1. Klasse
(Hin- und Rückfahrt). Darüber hinaus wird
nun bei zukünftigen Angeboten der Hinweis
eingefügt, dass die Auswahl der Berechtigten
nach dem Zufallsprinzip erfolgt.
Dr. Katja Schmidt
Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff
können von Verkehrsunternehmen wie von
deren Kunden noch so gut geplant und
organisiert sein: Es wird immer wieder zu Problemen
kommen, die Anlass zur Beschwerde
geben. Wer auf seine Beschwerde keine zufriedenstellende
Antwort bekommt, kann sich
an die söp, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet
dann einen Schlichtungsvorschlag zur
einvernehmlichen und außergerichtlichen
Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten
Geld, Zeit und Ärger. SIGNAL-Leserinnen und
-Leser können in jeder Ausgabe anhand eines
konkreten Falls einen Einblick in die praktische
Arbeit der söp bekommen.
Aber auch Fahrgäste im Nahverkehr der Länder
Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt
können sich an die söp wenden, wenn sie auf
ihre Beschwerde hin von der BVG, der S-Bahn
Berlin GmbH oder einem anderen teilnehmenden
Verkehrsunternehmen der Region keine sie
zufriedenstellende Antwort erhalten haben.
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
E-Mail: kontakt@soep-online.de
Internet: www.soep-online.de söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
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