Bauten

Rexrodts Hinterlassenschaft: Kein S-Bf. Potsdamer Platz

Am 25. April vereinbarten der Berliner Senat und die Deutsche Reichsbahn der DDR die Übergabe des bis heute von der DR genutzten ehemaligen Direktionsgebäudes am Schöneberger Ufer in West-Berlin (s. auch Rückseite von SIGNAL 2/89). Ab 1. Oktober 1991 kann das Gebäude mit seinen über 600 Räumen von einer West-Berliner Behörde genutzt werden. Vorgesehen ist die Oberfinanzdirektion. Als Gegenleistung erhalten die (Ost-) Berliner Verkehrsbetriebe (BVB) 52 U-Bahn-Wagen von der (West-Berliner) BVG. Die IGEB begrüßt grundsätzlich Gespräche und Vereinbarungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in Berlin (West und Ost). Doch die neue Vereinbarung ist zu verurteilen, weil der Senat damit den Fahrzeugbestand der BVG in unverantwortlicher Weise dezimiert hat und weil die Fahrzeuge dieses Mal - im Gegensatz zur ersten Abgabe - aus Sicht der Fahrgäste ohne geeignete Gegenleistungen verschleudert wurden.

Ausgangspunkt für die Verhandlungen war der dringende Bedarf der BVB an U-Bahn-Fahrzeugen, um die Verlängerung der Großprofilstrecke nach Hönow am 1. Juli 1989 in Betrieb nehmen zu können. Da die BVG über fahrfähige, aber bereits abgeschriebene rund 30 Jahre alte Fahrzeuge verfügt, bemühten sich die BVB aus zeitlichen und finanziellen Gründen um die Übernahme dieser alten U-Bahn-Wagen der BVG. Als Gegenleistung wollte die BVG den von ihr vor allem aus betrieblichen Gründen begehrten S-Bf. Potsdamer Platz zur Nutzung bekommen, weil dieser bessere Kehrmöglichkeiten für von Süden kommende Züge bietet, als der S-Bf. Anhalter Bahnhof. Derzeit wird Potsdamer Platz von den Zügen der S-Bahn-Linie 2 ohne Halt durchfahren.

Zur selben Zeit bemühte sich der damalige Finanzsenator Günter Rexrodt (F.D.P.), die Oberfinanzdirektion (OFD) aus dem Haus Cumberland am Kurfürstendamm 193 herauszubekommen, um das Gebäude einem privaten Bauträger zum Umbau als Luxushotel übergeben zu können. Doch der Senator fand keinen Ersatzstandort für die OFD. Das Projekt zog sich hin. Da kam man auf die Idee, der Reichsbahn das ehemalige Direktionsgebäude am Schöneberger Ufer abzuhandeln. Der Senat griff geshalb in die U-Bahn-Verhandungen ein und forderte als Gegenleistung für die Abgabe der Fahrzeuge statt des S-Bahnhofes Potsdamer Platz nun das Reichsbahngebäude, um dort seine OFD unterzubringen, damit diese den Kurfürstendamm für das Luxushotel verläßt. Auf der Strecke blieben dank Henn Rexrodt die Interessen der S-Bahn-Fahrgäste. Besonders pikant ist, daß dieser Deal nun von einem rot-grünen Senat zum Abschluß gebracht wurde.

Karte
S-Bahnhof Ptsdamer Platz. Der ohne Halt von den West-Berliner S-Bahn-Zügen durchfahrene Bahnhof wäre von West-Berlin aus zugänglich und damit nutzbar. Doch um das Lieblingsprojekt des ehemaligen Finanzsenators Rexrodt, ein neues Luxushotel am Kurfürstendamm, realisieren zu können, mußte ein Ersatzstandort für die dort untergebrachte Oberfinanzdirektion gefunden werden. Deshalb wurde mit der DR deren ehemaliges Direktionsgebäude als Gegenleistung für U-Bahn-Wagen ausgehandelt und nicht der von BVG und IGEB geforderte S-Bahnhof. Abbildungsgrundlage: Verkehrstechnische Woche, 1939

Doch selbst wenn der Senat mit dem S-Bahnhof Potsdamer Platz eine angemessene verkehrliche Gegenleistung ausgehandelt hätte, bliebe die emeute Abgabe von U-Bahn-Wagen der BVG problematisch. Denn der erfreulichen Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in Berlin (Ost) steht ein Verlust in Berlin (West gegenüber, der bei Smog-Alarm oder schon bei einem großen Erfolg der bevorstehenden Tarifsenkungen bei der BVG zu gravierenden Engpässen, insbesondere auf der U-Bahn-Linie 7, führen muß. Sollte aber - entgegen unserem Kenntnisstand - die amtliche Auskunft, daß die Abgabe keinen Einfluß auf die Reserve für Spitzenbelastungen hat, doch richtig sein, so müssen wir Senat und BVG fragen, wie sie einen solchen kostenträchtigen Fahrzeugüberhang begründen können.

Fazit: Eine große zur Chance zur schnellen Wiedereröffnung des S-Bahnhofes Potsdamer Platz wurde vertan. Dabei wäre dieser für die Erschließung des Kulturforums und des südlichen Tiergartens sowie zum Kehren der hoffentlich schon bald wieder nach Lichterfelde Süd fahrenden S-Bahn-Züge sehr wichtig. Stattdessen wurde mit der Übernahme des ehemaligen Reichsbahn-Direktionsgebäudes zulasten der BVG und zugunsten eines privaten Luxushotels ein Ersatzstandort für die vom ehemaligen Finanzsenator Rexrodt zum Umzug "zwangsverpflichtete" Oberfinanzdirektion ausgehandelt. Auch die gleichzeitig angekündigte Öffnung des zweiten Zugangs zum S-Bahn-Wollankstraße ändert nichts an diesem für die Fahrgäste so enttäuschenden Verhandlungsergebnis. Der Vorgang zeigt aber auch, daß es noch lange dauern kann, bis es dem SPD/AL-Senat gelingt, die vom CDU/F.D.P.-Senat geegte Spur zu verlassen.

Nachzutragen ist eine erfreuliche Kurskorrektur: Auf Initiative von Finanzsenator Meisner (SPD) soll nun auf den kostenträchtigen Umzug der OFD (und damit auf das Luxushotel) verzichtet werden. Doch der S-Bf. Potsdamer Platz bleibt - zumindest vorerst - geschlossen, dank Herrn Rexrodt.

IGEB

aus SIGNAL 5/1989 (Juni 1989), Seite 14-15

 

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