Am 14. September 2012 stellten Mitglieder
des Berliner Fahrgastverbands IGEB fest,
dass die Deutsche Bahn ohne erkennbaren
Grund und ohne Information der Öffentlichkeit
am Berliner Hauptbahnhof
den Zusatz „Lehrter Bahnhof“ entfernt
hatte.
Zur Erinnerung: Der 2006 eröffnete
neue Fern- und Regionalbahnhof am
Kreuzungspunkt von Stadtbahn und
Nord-Süd-Tunnel der Fernbahn hatte den
Namen „Hauptbahnhof“ erhalten – gegen
das Votum der Berliner Bevölkerung. Diese
hatte 2002 bei einer Befragung mehrheitlich
für „Lehrter Bahnhof“ gestimmt.
Als Zugeständnis an das Bürgervotum
und zur Erinnerung an den einstigen Lehrter
Fernbahnhof und den langjährigen
S-Bahnhof Lehrter Stadtbahnhof hatte
die Bahn immerhin auf die Bahnhofsschilder
am Bahnsteig der S-Bahn unter „Berlin
Hauptbahnhof“ den Zusatz „Lehrter Bahnhof“
geschrieben.
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Mit Zusatz „Lehrter Bahnhof“. Nach kurzzeitiger Demontage hängen die alten Schilder wieder. Es ist gut, dass nun auch weiterhin an diesen einst bedeutenden Bahnhof erinnert wird. Foto: Marc Heller |
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Bahnhofsname mit Zusatz auf dem Ringbahnsteig. Bis zur Eröffnung des Fern- und Regionalbahnhofs im Jahr 2006 hieß „Südkreuz“ noch Papestraße und war „nur“ S-Bahnhof. Foto: Marc Heller |
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Hannoversche Allgemeine, 18. September 2012 |
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Dieser war nun am 14. September verschwunden,
nachdem er zwei Tage vorher
noch gesichtet worden war. Mit der
Erinnerung an den Lehrter Bahnhof – und
damit auch an die niedersächsische Stadt
Lehrte – sollte offensichtlich Schluss sein.
Ein IGEB-Protest per Pressemitteilung
vom 16. September verfehlte seine Wirkung
nicht. Die DB-Öffentlichkeitsarbeit
gab sich gegenüber den Journalisten zwar
ahnungslos, aber schon einen Tag später,
wurden die alten Schilder mit dem Zusatz
Lehrter Bahnhof wieder angebracht.
Auch dafür lieferte die DB keine Erklärung.
Einigen Journalisten wurden „Wartungsarbeiten“
als Begründung genannt. Doch
die Schilder mit dem Zusatz waren unverkennbar
nicht überarbeitet, ja nicht einmal
geputzt worden.
Das Ergebnis war aus IGEB-Sicht ein
voller Erfolg. Allerdings bleibt die Frage
offen, ob es die Deutsche Bahn 10 Jahre
nach dem Bürgervotum für Lehrter Bahnhof
„einfach mal probieren“ wollte oder
ob ein untergeordneter Mitarbeiter eigenständig
handelte – selbst das gibt es in so
großen Konzernen wie der DB. Aber zurück
bleiben das Gefühl, dass hier ein Bürgervotum
wieder einmal ignoriert werden
sollte, und die Erfahrung, dass es der DB-Öffentlichkeitsarbeit
an Souveränität und
Lockerheit fehlte, mit nicht alltäglichen
Herausforderungen angemessen umzugehen.
Natürlich wurde im Nachgang auch diskutiert,
wie bedeutsam eigentlich ein solcher
Bahnhofsname ist. Die Berliner Medien
berichteten überwiegend wohlwollend
im Sinne des IGEB-Anliegens, die niedersächsischen
Medien sogar umfassend und
fast leidenschaftlich. Allerdings gab es in
Berlin auch einige wenige Stimmen, die
die Erinnerung an einen nicht mehr existenten
Bahnhof als überflüssig werteten.
Doch Namen sind nicht nur Schall und
Rauch. Der Berliner Hauptbahnhof ist eben
nicht ein „normaler“ Hauptbahnhof wie in
den meisten anderen Städten. Berlin hat
seit jeher viele große und bedeutende
Fernbahnhöfe. Das ist auch nach Umsetzung
des Pilzkonzeptes in Berlin nicht anders
geworden. Vor allem Spandau und
Südkreuz sind ebenfalls wichtige Fernbahnhöfe. Der Berliner Hauptbahnhof ist
also anders, und das soll der Name widerspiegeln
– und sei es nur durch einen kleinen
Zusatz am S-Bahnsteig.
Auch viele Straßennamen in Berlin erinnern
an Orte, die es nach den Verheerungen
und Umbrüchen des 20. Jahrhunderts
nicht mehr gibt. Straßen- und Bahnhofsnamen
sind ein wichtiger Teil unserer Erinnerungskultur.
Deshalb hat sich der Berliner
Fahrgastverband IGEB für den Zusatz
„Lehrter Bahnhof“ eingesetzt. Und deshalb
ist es gut, dass es auf dem S-Bahnsteig der
Ringbahn im Bahnhof Südkreuz noch den
Zusatz „Papestraße“ gibt.
Um die Zusätze zu verstehen und erneuten
Demontagen vorzubeugen, sollten
auf den S-Bahnsteigen Tafeln angebracht
werden, die die Geschichte der Namen
erklären. Der Lehrter Bahnhof war für Berlin
immerhin über Jahrzehnte ein „Tor zur
Welt“.
Stadt Lehrte, 18. September 2012
Sehr geehrter Herr Wieseke,
aus welchen Gründen auch immer die
Bahn die Schilder abmontiert hatte: Es
freut mich, dass der Berliner Fahrgastverband
aufgepasst und sofort auf die
Demontage hingewiesen hat. Denn
dadurch ist Öffentlichkeit entstanden.
Und dadurch wohl bei der Bahn auch
die Einsicht erwachsen, dass ein Agieren
gegen den erklärten Bürgerwillen auch
dann nicht einfach geräuschlos hingenommen
wird, wenn diese „Erklärung“
einige Zeit zurück liegt!
Als Bürgermeister der Stadt Lehrte ein
herzliches Dankeschön für Sie und Ihre
Mitstreiter und viele Grüße nach Berlin!
Klaus Sidortschuk, Bürgermeister Berliner Fahrgastverband IGEB
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