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Der Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND), Landesverband Berlin,
hatte dazu aufgerufen, fußgängerfeindliche
Ampeln zu melden. 256 Meldungen aus
ganz Berlin gingen ein. Zudem hat der BUND
eigene Recherchen angestellt und kommt
zu dem Ergebnis, dass es bei der Steuerung
der Ampeln in Berlin noch großen Verbesserungsbedarf
gibt.
Die Ergebnisse sollen dafür genutzt werden,
dass die vom Senat verabschiedete
Fußverkehrsstrategie, die das Ziel verfolgt
den Fußgängeranteil in ganz Berlin zu steigern,
auch mit Maßnahmen umgesetzt
wird, die den Fußgängern tatsächlich nützen.
Bisher hat die Senatsverwaltung drei
Modellvorhaben zur Optimierung von Ampelschaltungen
geplant: Getestet werden
sollen Count-Down-Ampeln sowie Rot-
Blinken und Grün-Blinken für Fußgänger
während der Räumzeit. Der BUND hält alle
Vorhaben für nicht zielführend.
Bei der Auswertung der Meldungen und
Rechercheergebnisse wurden
allein 206 Problemstellen ausgemacht.
Das größte Problem für die
Verkehrssicherheit sind
Kreuzungen
mit Doppel-Rechtsabbiegern,
bei denen die parallel
laufenden Fußgänger und fahrenden
Radfahrer gleichzeitig
„Grün“ bekommen.
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Ausgang vom U-Bahnhof Rathaus Neukölln auf der Karl-Marx-Straße. Insbesondere wenn zwei Züge gleichzeitig ankommen, wird das Warten auf der schmalen Mittelinsel zum Sicherheitsproblem. Foto: Marc Heller |
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Wer vom S-Bahnhof Charlottenburg zur Einkaufsmeile Wilmersdorfer Straße möchte, muss lange warten – trotz wenig Autoverkehr am Stuttgarter Platz. Hier wäre ein Zebrastreifen viel sinnvoller als die Ampelanlage. Foto: Marc Heller |
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Ein weiteres Sicherheitsproblem
sind zu schmale Mittelinseln
insbesondere, wenn
U-Bahn-Ausgänge dorthin führen,
z. B. bei den U-Bf. Rathaus
Neukölln und Kochstraße.
Mangelnder Komfort wurde
an Straßen festgemacht, die
nicht in einem Zuge überquert
werden können. Die Kreuzung
am Mehringdamm Ecke Gneisenaustraße
wurde besonders oft gemeldet.
Ampelanlagen, an denen Fußgänger sehr
lange auf „Grün“ warten müssen, wurden
ebenfalls als starkes Ärgernis angesehen. Der
Spitzenreiter ist die Frankfurter Allee mit Überquerungszeiten
von vier Minuten. Aber auch
die „Sprinterampeln“, Ampeln mit sehr kurzen
Grünphasen für Fußgänger, wurden gemeldet.
An der Bernauer Straße Ecke Brunnenstraße
hat der Fußgänger nur drei Sekunden.
Aber es fehlen auch Überquerungshilfen.
Markanteste Beispiele hierfür sind die fehlende
Querung des Boulevards „Unter den
Linden“ im Zuge des Kupfergrabens sowie
entlang des Landwehrkanals an der Kottbusser
Brücke und am Lützowplatz, wo im
Verlauf der „Grünen Wege“ an den Wasserläufen
beliebte Fußgängerrouten liegen.
Die beschriebenen Probleme können gelöst
oder zumindest abgemildert werden,
wenn die Berliner Verkehrslenkung folgende
Unsitten abstellen würde:
- Fast immer bekommen Fußgänger früher
„Rot“, als zu ihrer Sicherheit nötig ist, um
eventuell wartende Rechtsabbieger abfließen
zu lassen – auch an Stellen und zu
Zeiten, wo es diese Abbieger kaum gibt.
- Die in Berlin sehr beliebten Rechtsvorläufe
(Pfeilsignale für Rechtsabbieger, die
vor dem Geradeaus- und Rechtsverkehr
Grün zeigen) nehmen den Fußgängern
Grünzeit weg. Die gibt es auch weitgehend
unabhängig vom Rechtsabbieger-
Aufkommen, und sie werden oft sogar
nachts geschaltet. Offenbar lässt der Senat
lieber ungeschützte Fußgänger warten
als Abbieger im warmen trockenen
Auto.
- Generell gibt es in Berlin noch zu wenige
verkehrsabhängige Ampeln, die sich
dem Bedarf anpassen. Demgegenüber
haben andere Städte nur noch solche
Ampeln. Die hier immer noch verbreiteten
Festzeitsteuerungen, die auch Bus
und Tram benachteiligen, müssten regelmäßig
überprüft werden, ob sie noch
bedarfsgerecht sind. In Zeiten sinkenden
Kfz-Aufkommens könnten die Prüfung
und die dann möglichen Anpassungen
zu kürzeren Umlaufzeiten, Wegfall von
Rechtsvorläufen und Linksabbiegersignalen,
Anforderungsbetrieb sowie längeren
Fußgängergrünzeiten führen. Es wird
aber nicht überprüft. So sind viele Schaltungen
fehlgesteuert und/oder überdimensioniert.
- An Fußgängerampeln wird häufig auf
eine Beschleunigung von Bus und Tram
verzichtet, aber gerne eine „Grüne Welle“
für den Kfz-Verkehr hinterlegt, die zu unterschiedlichen
und zum Teil sehr langen
Wartezeiten führt. Darauf sollte mindestens
an Schulwegen und außerhalb der
Hauptverkehrszeiten verzichtet werden.
Außerdem sollten solche Ampeln mit Kfz-
Detektoren ausgestattet werden, die nach
Abfluss des Autopulks den Fußgängern
„Grün“ geben. So werden „Grüne Welle“
und Fußgänger verträglich.
- Oft fehlen Vorrangschaltungen für die
Fahrgäste, die vom Gehweg zur Haltestelle
auf die Mittelinsel wollen. Die vorhandenen
Steuerungen sind zudem
oft noch so gestaltet, dass sowohl die
Straßenbahn zweimal warten muss,
als auch die Fußgänger, welche die
Straße und die Haltestelle gerne
durchgängig und ohne erneute Wartezeit
queren würden.
Es gibt also systematische und verbreitete
Ärgernisse für Fußgänger
an Berliner Ampeln, die es anzugehen
lohnt. Stattdessen testet die
Senatsverkehrsverwaltung mit den
vorgesehenen Modellvorhaben technische
Spielereien, die wohl eher der
Beschleunigung des Kfz-Verkehrs dienen
sollen. (Martin Schlegel)
Eine Liste der Problemstellen finden Sie
unter www.BUND-Berlin.de BUND Berlin
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