Gut hundert Tage nach dem rot-grünen
Regierungsaufbruch hat sich bei den
Verkehrsplanern der Umweltverwaltung der Eindruck verdichtet, daß ihre
Kollegen im Hause des SPD-Verkehrssenators Wagner offen die Koalitionsvereinbarungen
torpedieren. Die vom
CDU-Verkerssenator Wronski übernommenen Leitungsbeamten unterstützen ganz im alten
Stil bezirkliche Planungen, neue Autostellplätze zu Lasten
von Gehwegen zu schaffen. Daneben
wird ausweislich vorliegender Protokolle in den zur Zeit laufenden
Abstimmungsgesprächen über die ab 1991 vorgesehenen Straßenneubauten in den
Berliner Bezirken weiter der Bau von
Radwegen auf Bürgersteigen befürwortet. Ferner hintertreiben die Beamten
Wagners die vorgeschlagene Schaffung
von Überquerungshilfen für Fußgänger
in Form von sogenannten Gehwegnasen oder Mitte ein an denjenigen
Hauptverkehrsstraßen, bei denen Busspuren vorhanden oder angedacht sind.
"Während Wronski diese Haltung mit
dem notwendigen Vorrang für den
Wirtschafts- und Individualverkehr begründete, wird die gleiche Planung jetzt
unter dem Zeichen des Vorrangs für
den öffentlichen Nahverkehrs verkauft”, heißt es verärgert aus der
Umweltverwaltung, Indes wolle man auf
den zutage getretenen Konfliktfeldern
Härte demonstrieren und, statt klein
beizugeben, sich lieber überstimmen
lassen. Die Umweltsenatorin Schreyer
bzw. ihr Staatssekretär Groth wollten
sich keinesfalls vorwerfen lassen, daß
mit ihrer Zustimmung noch 1991 Radwege auf Bürgersteigen angelegt werden.
Wenn entsprechend breite Gehsteige
vorhanden sind, sollen nach Auffassung
der Verkehrsverwaltung Radwege
"grundsätzlich" dort Platz finden. Die
Umweltverwaltung verweist jedoch auf
das Koalitionspapier. Dort steht eindeutig: "Grundsätzlich soll auf den weiteren
Radwegebau auf Fußgänger/innen/wegen verzichtet werden und Velorouten auf der
Fahrbahn angelegt
werden". Und weiter: “Es besteht Einvernehmen, keine Reduzierun von
Fußwegbreiten außer zum Zwecke der
Wohnumfeldverbesserung vorzunehmen." Der Dissenz in dieser Frage
ergab sich gleich bei mehreren Straßenbauvorhaben quer durch die Bezirke.
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Vorbildlich: Auf den Südwestkorso gibt es einen Fahrradstreifen und ein Haltestellenkap. Doch entgegen der Koalitionsvereinbarung von SPD und AL sollen solche Lösungen nach dem Willen der Verkehrsverwaltung die Ausnahme bleiben. Noch immer plant man dort neue Radwege zulasten der Gehwege. Foto: M. Horth |
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Von der Umweltverwaltung als markante Beispiele genannt werden
Investitionsplanungen für die Drontheimer
Straße (Wedding), die Cauerstraße
(Charlottenburg), die Marienfelder Allee (Tempelhof) sowie den Töpchiner
Weg und die Gerlinger Straße in Neukölln. Besonders kritikwürdig erscheint
dabei die Planung zum Neubau der
Drontheimer Straße, für die stolze 2,65
Millionen DM veranschlagt sind.
Auf der westlichen Seite der Drontheimer Straße soll mit Unterstützung der
Verkehrsverwaltung ein 4,50 m tiefer
Senkrechtparkhafen mit 56 Stellplätzen
zu Lasten der Gehwege angelegt werden. Ebenfalls auf Kosten der vorhandenen
Gehwege schlug die Verwaltung
einen konventionellen Radweg vor
(Breite immerhin 1,20 m statt des
Normmaßes von nur 1,00 m). Den
Wunsch der Umweltbehörde, wie in der
Wollankstraße Radfahrstreifen auf der
Fahrbahn und Längsparken vorzusehen, lehnte die Verkehrsverwaltung zusammen
mit anderen "Bedarfsträgern"
und der IHK ab. Das Standardargument: Eine bei dieser Lösung verbleibende
Fahrgassenbreite von 7 m sei zu
schmal, da in der Drontheimer Straße
starker Zulieferverkehr sei, die Straße
von einer Autobuslinie befahren werde
und sich außerdem durch den Lkw
Verkehr nach Reinickendorf "große
Stauräume" bilden würden.
Aber auch die ansonsten in dieser Frage immer noch gegen die Radlerverbände
argumentierende Bauverwaltung
plädierte für die Radfahrstreifen. Zwischenergebnis: Das Weddinger Tiefbauamt will
seinen Planungsentwurf überarbeiten.
Zusammen mit der Polizei verwarf die
Verwaltung Senator Wagners auch die
Anregung, im Bereich von BVG-Haltestellen Kaps zu bauen. Die Haltestellen
befänden sich in Einmündungsbereichen anderer Straßen, so die Begründung.
Kämen hier fußgänger- und behindertenfreundliche Gehwegvorstreckungen hin,
würden abbiegende Fahrzeuge den automobilen Geradeausvekehr zu stark behindern. Thomas Knauf, Freier Journalist
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