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IGEB-Gesprächskatalog an Momper und Honecker

Am 19. Juni 1989 besuchte der Berliner Regierende Bürgermeister Walter Momper den DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker. "Dieses Treffen hat wichtige positive Ergebnisse für Berlin erbracht und die Situation unserer Stadt in Richtung auf eine Normalisierung der Lage vorangebracht", bilanzierte Momper am 22. Juni vor dem Abgeordnetenhaus.

Wie bei früheren deutsch-deutschen Spitzentreffen hatte die IGEB auch diesmal beiden Seiten einen umfangreichen Gesprächskatalog zum Thema "Verkehr" zugeschickt.

Doch während Walter Momper vor allem zum Thema "DDR-Besuche" sofort konkrete Verbesserungen vorweisen konnte, äußerte er zum Verkehr lediglich: "Wir werden in konkrete Gespräche über die Öffnung der drei S-Bahnhöfe an der Sektorengrenze [Potsdamer Platz, Nordbahnhof, Bornholmer Straße, alle auf der S2] und über die Zusammenarbeit im S- und U-Bahn-Verkehr eintreten. Ich bin überzeugt, daß wir dabei praktische und finanzierbare Lösungen finden können, die für beide Seiten von Vorteil sein werden."

Die Geheimdiplomatie verbietet es offensichtlich mal wieder, konkreter zu werden. Umso üppiger gedeihen die Gerüchte, Doch es kann als gesichert gelten, daß sich hinter den Formulierungen von Herrn Momper u.a der Wunsch der DDR verbirgt, die den Ost-Berliner Bezirk Mitte unterquerende West-Berliner U-Bahn-Linie 6 selbst zu nutzen. Auf dieses Thema werden wir im SIGNAL noch ausführlicher eingehen.

Nachstehend dokumentieren wir den IGEB-Gesprächskatalog, zu dem uns der Regierende Bürgermeister schrieb: "Ihre Vorschläge nehmen wir selbstverständlich ernst - Sie werden aber gleichwohl Verständnis dafür haben, daß ich Ihnen über die veröffentlichten Gesprächsergebnisse hinaus nicht im einzelnen mitteile, ob und inwieweit Ihre Vorschläge beim Treffen des Regierenden Bürgermeisters mit Generalsekretär Honecker angesprochen wurden." Und weiter: "Die weitere Behandlung der Themen des Gesprächskatalogs obliegt dem Verkehrssenator, der künftig auch Detailgespräche mit der DDR führen wird."

Zugstrecke
Transitzug D 331 aus Hamburg kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof Zoo. Die IGEB wünscht, daß alle Transitzüge auch zur Ein- und Ausreise in die DDR genutzt werden können. Foto: T. Staeck

1. Verkürzung der Grenzaufenthalte bei Reisezügen

Unverhältnismäßig lange Wartezeiten im Bahnhof Berlin Friedrichstraße ziehen überlange Wartezeiten im Bahnhof Berlin Zoologischer Garten nach sich. Die Berlin-Durchfahrung intemationaler Züge beträgt bis zu zwei Stunden. Die in Berlin Friedrichstraße endenden Züge sollten nach kurzer Kontrolle weiter nach Rummelsburg fahren. Die grenzamtliche Behandlung der internationalen Züge kann während der Fahrt zwischen Berlin Friedrichstraße und Berlin Hbf erfolgen.

2. Eisenbahn-Direktverbindungen zwischen Berlin (West) und Drittländern

Von West-Berliner Fernbahnhöfen sind Bahnreisen ohne Umsteigen nur nach Westeuropa, Skandinavien, Polen und der UdSSR möglich, nicht jedoch in die CSSR, Jugoslawien, Österreich, Ungarn und in die DDR. Gerade in die letzt genannten Länder besteht ein Bedarf für Bahnreisen mit Berlin (West). Ähnlich den Skandinavien-Zügen sollte ein Zug- bzw. Wagendurchlauf beispielsweise von und nach Wien, Budapest und Belgrad mit Berlin (West) hergestellt werden. Zu anderen Zügen in Drittländer sollten Umsteigemögächkeiten auf dem Hauptbahnhof in der Weise geschaffen werden, daß aus Richtung West-Berlin kommende Transitzüge nicht am Bahnhof Berlin Friedrichstraße, sondern am Hauptbahnhof enden und so ein.direkter Anschluß besteht. Die grenzamtliche Behandlunlgn kann zwischen den Bahnhöfen Berlin Friedrichstraße und Berlin Hauptbahnhof erfolgen. Im übrigen wäre ein Transitbahnsteig im Hauptbahnhof denkbar.

3. Eisenbahn-Direktverbindungen zwischen Berlin (West) und der DDR

Die Kontrollbahnhöfe Griebnitzsee und Staaken sollen in Grenzbahnhöfe umgewandelt werden. Gleichzeitig soll hier die Ein- und Ausreise mit den Transitzügen ermöglicht werden. Insbesondere die Öffnung des Grenzbahnhofs Griebnitzsee würde den Reisenden Umwegfahrten über Berlin (Ost) ersparen, wenn sie in die westlichen und südlichen Teile der DDR reisen wollen. Bei einem Durchlauf der Transitzüge zum Hauptbahnhof sollte dort das Umsteigen auch in Züge des DDR-Binnenverehrs ermöglicht werden. Die Fahrten zur Leipziger Messe sollten wieder mit einem direkten Sonderzug von Berlin (West) aus ermöglicht werden.

4. Fernbahnhöfe

Der Bf. Berlin Friedrichstraße muß zu einem funktionierenden Fernbahnhof umgestaltet werden. Er liegt für einige Stadtteile günstiger als die drei West-Berliner Fernbahnhöfe. Mindesterfordernis sind ein Fahrkartenschalter, eine Gepäckaufbewahrung und ein bewirtschafteter Warteraum. Auf dem Bf. Berlin-Wannsee muß auch der Fernbahnsteig eine Fahrtreppe und einen Aufzug erhalten.Spandau muß grundsätzlich Fernbahnhalt bleiben, auch nach Fertigstellung der Hochgeschwindigkeitsstrecke Berlin - Hannover.

5. Containerbahnhof

Es sollten Nachverhandlungen vereinbart werden, wonach der Containerbahnhof einen gänzlich neuen Standort erhält, indem er aus der Innenstadt heraus an eine Autobahn verlegt wird, z,B. RAW-Gelände Grunewald oder S-Bw-Gelände Hundekehle.

6. Abstellbahnhof

Auf den Flächen der Güterbahnhöfe Spreeufer sowie Hamburg und Lehrter Bahnhof soll die Errichtung des Abstellbahnhofs für Reisezugwagen vereinbart werden.

7. Eisenbahn-Gesamtkonzept

Senat und Deutsche Reichsbahn sollten eine gemeinsame Kommission einrichten, die ein Eisenbahn-Gesamtkonzept für Berlin (West) erarbeitet und gleichzeitig über die Nutzung von Eisenbahnflächen für verkehrliche oder auch für Wohn-, Grün- oder Gewerbeflächen befindet.

8. U1-Verlängerung

Die U-Bahn-Linie 1 sollte bis Warschauer Brücke verlängert werden und damit ein neuer Schnellbahnübergang geschaffen werden. Zum Ausgleich hierfür muß der Senat die Oberbaumbrücke sowohl als Denkmal als auch als nutzbare Brücke instandsetzen.

9. Potsdamer Platz

Der S- und U-Bahnhof Potsdamer Platz sollte im Zuge eines Gebietsaustausches oder durch Verhandlungen anderer Art dem West-Berliner Verkehr geöffnet werden.

10. S-Bahn

Der S-Bf. Bornholmer Straße sollte für das West-Berliner S-Bahn-Netz zur Verfügung stehen. Wünschenswert wäre hier eine Umsteigemöglichkeit auf das Ost·Berliner S-Bahn-Netz. Auf dem Stadtbahnsteig des Bahnhofs Berlin Friedrichstraße muß das zweite S-Bahn-Gleis wieder dem Betrieb [der S3] zur Verfügung stehen.

11. Müll

Die täglichen Mülltransporte müssen auf die Schiene verlagert werden. Gegebenenfalls müssen entsprechende Gleisanschlüsse vereinbart werden.

12. Gleisanschlüsse

Senat und Deutsche Reichsbahn sollten zusammen mit der Berliner Wirtschaft ein Konzept zur Öffnung bzw. Einrichtung von Gleisanschlüssen erarbeiten.

13. Denkmalpflege

Deutsche Reichsbahn und Landeskonservator sollten eine gemeinsame Kommission einrichten, die alle denkmalwürdigen Bauwerke auf Eisenbahn-Gelände ermittelt, erfaßt und konserviert.

14. Fahrgastverbände

Der Senat sollte mit der Deutschen Reichsbahn vereinbaren, daß ein ständiger Dialog zwischen Deutscher Reichsbahn und Fahrgastverbänden möglich wird.

IGEB

aus SIGNAL 6/1989 (Juli 1989), Seite 7-8

 

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